Guenzburger Zeitung

Woher Bagdadis Unterhose kam

Über die Jagd auf den Islamisten-Führer werden immer mehr Details bekannt. US-Spezialkom­mando kannte sich dank eines geheimdien­stlichen Glücksfall­s bestens aus

- VON MARTIN GEHLEN

„Schaut ihn euch an – hundert Prozent, das ist er – Jackpot“, hörte man über Funk den Kommandeur, als seine Soldaten im Erdreich den Kopf des Gesuchten fanden. Kaum hatte sich das US-Spezialkom­mando den Weg auf das ummauerte Grundstück freigespre­ngt, flüchtete Abu Bakr al-Bagdadi mit drei Kindern, die er als menschlich­e Schutzschi­lde missbrauch­te, in einen der Tunnel unter dem Haus. Ein Hund der nächtliche­n Angreifer jagte dem selbst ernannten Kalifen nach. Als das Tier den bärtigen Mann am Ende des Geheimgang­es stellte, zündete der den Sprengstof­fgürtel, den er stets trug, und riss die Kinder mit in den Tod. Seine amerikanis­chen Verfolger bargen die sterbliche­n Überreste und bestattete­n sie später auf offener See.

ist klar: Die Einsatzkrä­fte besaßen außerorden­tlich präzise Informatio­nen über das Versteck des meistgesuc­hten Mannes der Welt. Sie kannten jeden Raum in dem Haus am Rand des 3000Einwoh­ner-Dorfes Barisha. Sie besaßen einen genauen Plan der Tunnelröhr­en. Sie kannten die Zahl der Wachposten, die Schutzvorr­ichtungen sowie alle Mitbewohne­r in dem Gehöft. Und sie wussten, dass der rundliche Mann im Haus tatsächlic­h Bagdadi war.

Möglich wurde dies durch einen seltenen Glücksfall im Spionagege­schäft. Nach einem Bericht der Washington Post gelang es den syrischen Kurden zusammen mit der CIA, einen der engsten Vertrauten des extrem misstrauis­chen IS-Chefs als Informante­n anzuwerben. Dieser Maulwurf in der IS-Führungssp­itze lebte mit in Bagdadis Unterschlu­pf.

Nach kurdischen Angaben beschaffte er eine Unterhose und einen Blutfleck des Gesuchten für einen Vorab-Gentest. Ihm vertraute Bagdadi sogar die eigenen Familienmi­tglieder an, wenn sie zum Arzt gefahren werden mussten.

Bei dem nächtliche­n US-Angriff war auch der Spitzel vor Ort. Zwei Tage später wurde er zusammen mit seiner Familie von den Amerikaner­n in Sicherheit gebracht. Er soll nun einen Großteil der von den USA ausgesetzt­en 25 Millionen Dollar Kopfgeld erhalten. Laut Washington Post, die sich auf US-Stellen beruft, soll es sich bei ihm um einen sunnitisch­en Araber handeln, der zunächst enthusiast­ischer Anhänger des „Islamische­n Kalifates“war, sich dann aber innerlich abwendete, als Dschihadis­ten einen seiner Verwandten umbrachten.

Trotzdem blieb die CIA ihm geInzwisch­en genüber lange misstrauis­ch. Denn unvergesse­n in der US-Spionageze­ntrale ist das Desaster 2009 von Khost in Afghanista­n. Damals sprengte sich ein jordanisch­er Informant, der angeblich genaue Informatio­nen über den Aufenthalt­sort von Osama bin Laden preisgeben wollte, bei einem Geheimtref­fen in die Luft und tötete sieben CIA-Mitarbeite­r. Im September jedoch wurden die Angaben des Bagdadi-Informante­n so präzise und dicht, dass die Amerikaner ihrer Sache sicher waren und den Zugriff zu planen begannen. Mindestens drei Mal wurde die riskante Operation, bei der der IS-Chef nach Möglichkei­t lebend gefasst werden sollte, in letzter Minute abgeblasen. Dann verdichtet­en sich vergangene Woche plötzlich die Anzeichen, dass Bagdadi umziehen wollte in ein neues Versteck. Und das Pentagon gab grünes Licht.

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Foto: dpa Abu Bakr al-Bagdadi auf einem undatierte­n Archivfoto.

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