Neuer Anlauf für Syrien
Präsident Assad und die Opposition sollen einen Verfassungsentwurf erarbeiten
Genf Nach mehr als acht Jahren Bürgerkrieg in Syrien soll ein neuer Verfassungsausschuss den Weg zu einer politischen Lösung bahnen. Das Gremium mit 150 Vertretern nahm am Mittwoch in Genf seine Arbeit in frostiger Atmosphäre auf. Immerhin: Erstmals seit Beginn des Konflikts sitzen Regierung und Opposition an einem Tisch. „Dies ist ein historischer Moment“, sagte der UN-Syriengesandte Geir Pedersen bei der Eröffnung. „Die Tatsache, dass sie bereit sind, einen Dialog zu starten, ist ein starkes Signal der Hoffnung für Syrer überall.“
Der Ausschuss soll unter dem Dach der Vereinten Nationen eine neue Verfassung ausarbeiten, über die die Syrer dann abstimmen sollen. Besetzt ist er mit jeweils 50 Vertretern der Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft. Die Vereinten Nationen hoffen, so einen politischen Prozess starten zu können, der mit freien Wahlen unter UN-Aufsicht enden soll. Die Erfolgserwartungen sind jedoch gering. Die Vertreter von Regierung und Opposition – Ahmed Kusbari und Hadi al-Bahra – saßen sich zwar direkt gegenüber, sprachen aber kein Wort miteinander.
Kusbari der Vertreter der Regierung, ein syrischer Anwalt und Parlamentsabgeordneter, kündigte an, dass der „Krieg gegen den Terror“auch während der Arbeit des Verfassungsausschusses fortgesetzt werde, bis „der letzte Fußbreit Syriens befreit ist“. Im Sprachgebrauch der Regierung gelten grundsätzlich alle bewaffneten Gegner als „Terroristen“. Für die Opposition, die der Armee von Machthaber Baschar al-Assad schwere Kriegsverbrechen vorwirft, müssen solche Worte wie eine Provokation klingen. Als Al-Bahra zwei Stühle neben Kusbari Platz nahm, schaute dieser in eine andere Richtung. Al-Bahra wiederum verfolgte Kusbaris Eröffnungsrede mit steifer Miene.
Die Erwartungen an den Ausschuss sind auch deshalb gering, weil alle früheren Genfer SyrienGespräche über ein Ende der Gewalt erfolglos blieben. Assads Truppen konnten wichtige Gebiete zurückerobern. Zuletzt durften sie im Zuge des Abkommens zwischen der Türkei und Russland über Nordsyrien kampflos wieder bis an die dortige Grenze vorrücken. Beobachter gehen deshalb davon aus, dass Assad nicht zu Zugeständnissen bereit ist. Allenfalls sein Verbündeter Russland könnte ihn dazu drängen. Kusbaris Worte lassen auch den Schluss zu, dass die Armee ihre Offensive auf die letzte große Rebellenhochburg um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens fortsetzen will.
Eine Kerngruppe aus 45 Ausschussmitgliedern wird die Aufgabe übernehmen, eine Verfassung auszuarbeiten. Wie lange die Beratungen dauern, ist offen.