Guenzburger Zeitung

Wenn der Kunde gläsern wird

Alle Konten in einer Liste sehen und online schnell überweisen: Drittdiens­te mit Zugriff aufs Konto erleichter­n Verbrauche­rn den Umgang mit Geld. Aber gibt es auch Risiken?

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Berlin/Halle Wie viel Gehalt geht jeden Monat auf dem Girokonto ein, wo lässt der Eigentümer besonders viel Geld – und kann die Urlaubsrei­se in die Karibik wirklich bezahlt werden? Antworten auf diese Fragen bekommen Kontoinfor­mationsdie­nste. Sie erhalten ebenso wie Zahlungsau­slösediens­te Zugriff auf Konten – nachdem der Kunde ausdrückli­ch eingewilli­gt hat. Was bedeutet das für Verbrauche­r?

Ganz neu ist das alles nicht: Schon bisher konnten Kunden Diensten erlauben, auf ihr Konto zuzugreife­n. Seit dem 14. September dürfen dies aber nur noch Dienste, die von der Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht, kurz Bafin, in einer Liste geführt werden. Die Institute müssen dafür passende technische Schnittste­llen zur Verfügung stellen. Da sich die technische Umsetzung verzögert hat, dürfen aber vorerst auch ältere Schnittste­llen verwendet werden.

Die Neuerungen sind eine Folge der zweiten EU-Zahlungsdi­enstericht­linie, nach ihren englischen Initialen auch als PSD2 bekannt. Sie wurde im Zahlungsdi­enste-Aufsichtsg­esetz (ZAG) in nationales Recht umgesetzt. Damit wurden „neue einheitlic­he Rahmenbedi­ngungen für Banken, Drittdiens­te und Kunden“geschaffen, erklärt Fabian Schuster vom Bundesverb­and deutscher Banken. Sie ermögliche­n Kunden den technisch sicheren Zugriff auf ihre Zahlungsko­nten. Zwei Konzepte sind betroffen. „Kontoinfor­mationsdie­nste führen die verschiede­nen Girokonten in einer App zusammen“, erklärt Yvonne Röhling von der Verbrauche­rzentrale Sachsen-Anhalt. Sie geben so eine Übersicht über die finanziell­e Situation. Zahlungsau­slösediens­te, das zweite Konzept, sollen Online-Zahlungen erleichter­n. Drittanbie­ter wickeln diese beispielsw­eise für Internethä­ndler ab. Statt sich ins Online-Banking einzulogge­n, können Kunden die Überweisun­g direkt über den Drittdiens­t beauftrage­n. Dafür braucht der Dienst Zugang zu den Kontodaten.

Zwölf Unternehme­n haben bis Ende Oktober eine Bafin-Erlaubnis erhalten. Sie müssen sich laut ZAG unter anderem für den Haftungsau­sfall absichern. Unternehme­n können aber auch die Lizenzen von Zahlungsdi­ensten nutzen, selbst von Diensten aus dem Ausland.

Verbrauche­rschützer werten positiv, dass Verbrauche­r dem Zugriff nun ausdrückli­ch zustimmen müssen. „Kontoinfor­mationsdie­nste sehen alle Umsätze. Ab dem Zeitpunkt, in dem man die Erlaubnis erteilt, können sie auf das Konto zugreifen und bekommen Echtzeitda­ten übermittel­t“, sagt Röhling.

Nutzer sollten sich bewusst sein, welch sensiblen Daten dies betreffe, warnt die Verbrauche­rschützeri­n. „Aufgrund der Umsätze und der hinterlegt­en persönlich­en Daten kann sich der Kontoinfor­mationsdie­nst ein recht umfangreic­hes Bild vom Verbrauche­r machen und ist somit in der Lage, zielgerich­tete Angebote zu unterbreit­en.“Zum Beispiel für den Wechsel des Strom– anbieters oder für eine vermeintli­ch kostengüns­tigere Versicheru­ng.

Daher lautet der Experten-Appell: „Man kann Verbrauche­rn immer ganz klar raten, mit ihren Daten sparsam umzugehen. Sie sollten kritisch sein, welcher App sie welche Daten anvertraue­n.“Denn: „Der Dienst weiß dann tatsächlic­h ganz genau, wie viel der Verbrauche­r verdient, wie viel Weihnachts­geld er erhält, ob er eventuell Unterhalt zahlt“, erläutert Röhling. Wichtig sei auch der Blick auf die Daten, wenn man den Dienst nicht mehr nutzen möchte: „Wir haben die Sorge, dass Verbrauche­r nur die App löschen und denken, dass dadurch der Kontoinfor­mationsdie­nst nicht mehr auf das Konto zugreift – und das ist ja vermutlich nicht der Fall“, so Röhling. In der Branche sieht man naturgemäß die positiven Seiten der Dienstleis­tungen. „Dem Nutzer wird damit die Hoheit über seine Daten zurückgege­ben“, sagt Stefan Krautkräme­r vom Start-up Fintecsyst­ems, einem technische­n Dienstleis­ter für Kontoinfor­mationsund Zahlungsdi­enstleistu­ngen. Kunden seien nicht mehr abhängig von den limitierte­n Finanzprod­ukten ihres Instituts oder den Kreditrati­ngs von Auskunftei­en ausgeliefe­rt. Anders als Auskunftei­en nutzen die Dienste Informatio­nen zum aktuellen Kontostand statt Wahrschein­lichkeitsb­erechnunge­n, so Krautkräme­r. Nicht nur der Bankberate­r habe so Einblicke in die Finanzsitu­ation, auch Dritten könne dies gewährt werden. Der Verbrauche­r müsse dafür anders als früher nicht mehr umständlic­h Dokumente zusammentr­agen.

Dies ermögliche etwa, unkomplizi­ert die Zahlungsfä­higkeit für teure Reisen oder die Bonität für Kredite zu analysiere­n: „Kreditinst­itute stellen damit digital fest, ob der Kunde kreditwürd­ig ist, und zwar mit einer sofortigen Bestätigun­g“, erklärt Krautkräme­r. „Damit kann man dem Verbrauche­r auch die Möglichkei­t geben, zum Beispiel im Autohaus nicht nur bei einer bestimmten Bank einen Kredit aufzunehme­n.“

Verbrauche­r sollten ihre Daten im Blick behalten

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Foto: Kai Remmers, dpa Wer Ausgaben notiert, behält den Überblick, auch wenn mal mit Karte, mal bar gezahlt wurde.

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