Guenzburger Zeitung

Söders Schlamasse­l, Söders Chance

Kanzlerkan­didat? Von wegen! Die CSU hält sich aus der Krise der CDU raus – weil ihr nix anderes übrig bleibt

- VON ULI BACHMEIER

München Markus Söder hat mehr erreicht, als er sich noch vor gut einem Jahr erhoffen durfte – und sitzt doch völlig unerwartet mittendrin in einem Schlamasse­l. Nicht seine bemerkensw­ert klare Bestätigun­g als CSU-Vorsitzend­er wird die Sitzung des Parteivors­tands am kommenden Montag beherrsche­n. Und dass der Ärger über den ansonsten eher missglückt­en Parteitag in der Münchner Olympiahal­le schon fast wieder verflogen ist, kann ihn auch nicht freuen. Denn längst schon treibt die CSU-Granden eine ganz andere Sorge um: dass es nach der ThüringenW­ahl die Schwesterp­artei CDU zerbröseln könnte. Bestenfall­s, so heißt es in der CSU, stehen der Union und der Großen Koalition in Berlin „zwei weitere Monate des Siechtums“bevor. Mit dem Parteitag der CDU im November und der SPD im Dezember sind gleich zwei Hochrisiko-Veranstalt­ungen im Kalender markiert. Und schlimmste­nfalls? Muss vielleicht sogar Söder als Kanzlerkan­didat ran?

Recht viel mehr als Durchhalte­parolen sind aus der CSU momentan nicht zu hören. „Wir sollten uns von der Nervosität in der CDU jetzt keinesfall­s anstecken lassen.“Oder: „Wir müssen jetzt vor allem gelassen bleiben.“Oder: „Kurs halten – komme, was wolle.“Doch die Analyse der aktuellen Situation verheißt nichts Gutes: Ein schnelles Ende der Großen Koalition in Berlin, das von der SPD herbeigefü­hrt wird, wäre vielleicht noch zu verkraften. Dann halt, so heißt es, „in Gottes Namen Schwarz-Grün“. Aber was ist zu tun, wenn die bayerische­n Christsozi­alen nach einer möglichen Demontage der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r mit einer völlig zerstritte­nen Schwesterp­artei in einen Wahlkampf mit ungewissem Ausgang ziehen müssen? Oder was geschieht eigentlich, wenn sich die SPD wider Erwarten doch noch berappelt, aber in der GroKo mit der in viele Lager gespaltene­n CDU auf absehbare Zeit nichts mehr anzufangen ist?

Bereits jetzt sieht sich die CSU für die Berliner Misere in Mithaftung genommen. Söder ist es nach einem historisch schlechten Landtagswa­hlergebnis gelungen, in Bayern mit den Freien Wählern eine ordentlich arbeitende Regierung zu bilden. Sogar einer seiner schärfsten innerparte­ilichen Kritiker sagt: „Ob man ihn mag oder nicht – er hat viel dazugelern­t und die Dinge stabilisie­rt.“Doch in den Umfragen kommt die CSU nicht vom Fleck. Sie verharrt bei den mageren 37 Prozent, die sie am 14. Oktober 2018 bekommen hat. Einige in der Parteiführ­ung machen sich zwar damit Mut, dass es bei der Europawahl am 26. Mai dieses Jahres „schon wieder über 40 Prozent gewesen sind“. Bei genauerem Hinsehen aber ist das Augenwisch­erei. Schließlic­h stand da mit CSU-Vize Manfred Weber „ein Bayer für Europa“zur Wahl.

Bei einer Bundestags­wahl ist mit solchen Sondereffe­kten für die CSU nicht zu rechnen. Da sind die Schwesterp­arteien auf Gedeih und Verderb aneinander­gekettet. Mit der Wahl Kramp-Karrenbaue­rs zur CDU-Chefin schien die Frage nach der nächsten Kanzlerkan­didatin der Union geklärt. Das Zerwürfnis zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer war Geschichte. Zwischen die neuen Parteichef­s AKK und Söder sollte fortan kein Blatt Papier mehr passen. Es war zwar aus Sicht der CSU kein Traumteam, weil halt Kramp-Karrenbaue­r nicht unbedingt die Traumpartn­erin war. Aber es war wenigstens wieder ein Team.

Diese Hoffnung ist dahin. Schon vor der Thüringen-Wahl waren in der CSU die Zweifel an der Kanzlertau­glichkeit Kramp-Karrenbaue­rs gewachsen. Seit dem Wahldebake­l in Thüringen müssen die CSUGranden nun weitgehend hilflos mit ansehen, wie die CDU in Richtung Abgrund rutscht. Der CDU-Rebell Friedrich Merz, eigentlich ein stramm Konservati­ver ganz nach dem Geschmack vieler stramm Konservati­ver in Bayern, ist für die CSU keine Option. Ein erfahrener Parteistra­tege formuliert es so: Wenn einer Millionen verdient, zwei Privatflug­zeuge hat, bei der weltgrößte­n Vermögensv­erwaltung im Aufsichtsr­at sitzt und dann sagt, er gehöre zur gehobenen Mittelschi­cht in Deutschlan­d – „da weiß doch jeder SPD-Generalsek­retär sofort, was im Wahlkampf zu tun ist“.

Die Stärke der CSU, ihre Unabhängig­keit, wird in der aktuellen Konstellat­ion zu einer Schwäche: Sie hat in der CDU nichts mitzureden. Sie ist dazu verdonnert, abzuwarten, wie der Machtkampf bei der großen Schwesterp­artei endet. Das ist auch die Devise, die Söder, sein Generalsek­retär Markus Blume und die engere Parteiführ­ung derzeit ausgeben: „Stabil bleiben, abwarten und, wenn nötig, hin und wieder einen Pflock einrammen.“Die Warnung an die CDU, sich nicht mit der

Linken einzulasse­n, war so ein Pflock. Mehr aber gehe nicht. Und dass Söder sich der verzweifel­ten Union als Kanzlerkan­didat anbieten könnte, so die offenbar einhellige Meinung in der CSU, „das geht schon gar nicht“. So verlockend die „Schalmeien­klänge“aus der Union in den kommenden Wochen auch sein mögen – „wenn er dem nachgibt, dann ist er kaputt“.

Die Hand dafür ins Feuer legen, dass Söder standhaft bei seinem Nein zu einer Kanzlerkan­didatur bleibt, mag allerdings auch nicht jeder. Schon zweimal in der Geschichte der Union hätten mächtige CSUChefs vielfach Eide geschworen, dass sie kein Interesse hätten. Und zweimal sei es dann doch anders gekommen – 1980 mit Franz Josef Strauß und 2002 mit Edmund Stoiber. Aber es wissen eben auch alle: Sobald Söder den Kopf rausstreck­t, werden bundesweit sämtliche antibayeri­schen Ressentime­nts mobilisier­t und alle alten Geschichte­n ausgegrabe­n über Söder den „Haudrauf“, den „Populisten“, den „Ichling“. Die fast schon vergessene­n Giftigkeit­en Seehofers über Söders Ehrgeiz und Charakter werden bis in die letzten Winkel der Republik verbreitet werden. Dass er dieses Image in Bayern längst abgestreif­t und seine Kritiker eines Besseren belehrt hat, werde ihm da nichts nützen. Ein Mann aus dem Vorstand fasst es so zusammen: „CSU-Kanzlerkan­didaturen sind wie RusslandFe­ldzüge. Sie werden mit Euphorie begonnen, dauern lange und gehen am Ende unweigerli­ch verloren.“Das wisse Söder auch.

Der CSU bleibe im Moment nichts anders übrig, als darauf zu hoffen, „dass sich die CDU nicht vom SPD-Virus anstecken lässt“. Die Kunst müsse in München darin bestehen, Geduld aufzubring­en und zu warten, bis irgendwann die Entscheidu­ngen fällig sind, die ohne die CSU nicht getroffen werden können – also entweder, wie es in der GroKo weitergeht, oder wer gemeinsame­r Kanzlerkan­didat der Union werden soll. Auf diese Linie will, nach allem, was man hört, Söder den CSUVorstan­d am Montag einschwöre­n. Aber die meisten haben es, wie die Vorgespräc­he zeigen, ohnehin schon begriffen: Wenn es die Schwäche der CSU ist, in der CDU aktuell nicht mitreden zu können, dann besteht ihre einzige Chance darin, dies erst einmal zu akzeptiere­n und zu schweigen.

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Vor eineinhalb Wochen begrüßte Markus Söder Annegret Kramp-Karrenbaue­r herzlich auf dem CSU-Parteitag in München – hinter den Kulissen gilt das Verhältnis der beiden eher als Zweckgemei­nschaft denn als Traumehe.
Foto: Peter Kneffel, dpa Vor eineinhalb Wochen begrüßte Markus Söder Annegret Kramp-Karrenbaue­r herzlich auf dem CSU-Parteitag in München – hinter den Kulissen gilt das Verhältnis der beiden eher als Zweckgemei­nschaft denn als Traumehe.

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