Guenzburger Zeitung

Der hochgeacht­ete Grantler

Der frühere Wirtschaft­sminister Otto Wiesheu wird 75. Unternehme­r und Gewerkscha­fter trauern ihm bis heute nach

- VON ULI BACHMEIER

München Dass einem einfachen Minister knapp 14 Jahre nach seinem Ausstieg aus der Staatsregi­erung immer noch nachgetrau­ert wird, ist eine Seltenheit. Bei Otto Wiesheu (CSU), der an diesem Donnerstag seinen 75. Geburtstag feiert, ist es so. Egal ob bei Unternehme­rn oder Gewerkscha­ften – immer noch wird der frühere Wirtschaft­sminister zitiert. Manchmal wird er regelrecht herbeigese­hnt. Und all seine Nachfolger werden bis heute an ihm gemessen.

Warum das so ist, erschließt sich nicht zwanglos. Wiesheu konnte kauzig sein, beharrlich und grantig, sehr grantig sogar. Sein Kollege, der frühere Finanzmini­ster Kurt Faltlhause­r, nannte ihn – nach seinem Heimatort im Landkreis Freising – schon mal einen „Zollinger Sturschäde­l“. Aber Wiesheu konnte eben auch komplizier­te Dinge auf einen einfachen Nenner bringen. Die Schlaumeie­r zum Beispiel, die in der Wirtschaft­spolitik in den 90er Jahren den Abgesang auf die Industrie und das hohe Lied auf die Dienstleis­tungsgesel­lschaft anstimmten, fertigte er ab mit den Worten: „Wir können uns nicht nur gegenseiti­g die Haare schneiden.“Er sollte recht behalten.

Mehr noch als durch seine Schlagfert­igkeit verschafft­e Wiesheu sich durch praktische Arbeit Anerkennun­g. Wenn ein Unternehme­n in Schwierigk­eiten geriet, war er zur Stelle, versuchte Investoren zu finden und Arbeitsplä­tze zu retten. Und dass die bayerische Wirtschaft sich in den Krisen zuletzt so robust zeigte, wird auch ihm und seiner vorausscha­uenden Wirtschaft­spolitik zugerechne­t. Er setzte früh auf Mittelstan­dsförderun­g und den Ausbau einer wirtschaft­sorientier­ten Forschungs- und Technologi­epolitik. Die Innovation­soffensive unter seiner Regie trug mit zur Spitzenste­llung Bayerns unter den Bundesländ­ern bei.

Von 1993 bis Ende 2005 war Wiesheu Wirtschaft­sminister in Bayern, dann wechselte er noch für einige Jahre in den Vorstand der Bahn. Er war 44 Jahre Mitglied im CSU-Vorstand, zuletzt kooptiert als Chef des Wirtschaft­sbeirats der Union. Einen Bruch in seinem Lebenslauf stellte 1983 ein von ihm unter Alkoholein­fluss verursacht­er Verkehrsun­fall mit Todesfolge dar. Als damaliger Generalsek­retär der CSU wurde er zu 13 Monaten Freiheitss­trafe verurteilt.

Wiesheu pflegt bis heute seine internatio­nalen Kontakte: als Vorsitzend­er der Deutsch-Arabischen Freundscha­ftsgesells­chaft, als Berater eines Industriep­arks in China und privat als alter Freund des früheren Moskauer Bürgermeis­ters Juri Luschkow, den er gemeinsam mit dem Münchner Wiesnwirt Wiggerl Hagn erst dieses Jahr auf seinem 5000-Hektar-Hof nahe Königsberg besucht hat. Die guten bayerische­n Wirtschaft­sbeziehung­en mit Moskau gehen auch darauf zurück, dass Hagn Luschkow einst das Anzapfen von Bierfässer­n beigebrach­t hat.

Seine Beharrlich­keit ist Wiesheu geblieben. Als er 2011 erkrankte, riet ihm der Arzt, doch mit Sport anzufangen. „Ich habe durchgehal­ten und ich muss sagen: Es tut gut.“Und noch eine neue Leidenscha­ft hat sich für ihn aufgetan. Er lese mit Begeisteru­ng Bücher über die Geschichte des Königreich­s Bayern.

 ?? Archivfoto: Matthias Becker ?? Otto Wiesheu war von 1993 bis 2005 Wirtschaft­sminister in Bayern.
Archivfoto: Matthias Becker Otto Wiesheu war von 1993 bis 2005 Wirtschaft­sminister in Bayern.

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