Der letzte Aschenbecher Europas
Ab 1. November gilt auch in den Restaurants und Gaststätten der Alpenrepublik ein absolutes Rauchverbot. Was das mit der berühmten Ibiza-Affäre zu tun hat
Wien Bisher war Österreich für Freunde des blauen Dunstes noch eine Art Paradies – und ließ Raucherzonen in Restaurants und Gaststätten zu. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der EU. Ab dem 1. November ist endgültig Schluss damit. Nach jahrelangem Hin und Her tritt auch in der Alpenrepublik ein generelles Rauchverbot in Lokalen in Kraft.
Es gibt begeisterte Stimmen: „Nach einer durchfeierten Nacht an der Kleidung vom Vorabend riechen und sie nicht mehr wegen des Rauchgeruchs in die Wäsche werfen zu müssen – das ist wunderbar“, sagt die 20-jährige Mona. Sie hatte 2018 zusammen mit fast 900 000 anderen Österreichern ein Nicht-Raucher-Volksbegehren unterstützt. Die Unterzeichner hatten seinerzeit gehofft, es werde den „Tschicks“den Garaus machen – so werden Zigaretten in Wien genannt. Sie wollten verhindern, dass das 2015 von einer großen Koalition beschlossene Rauchverbot nicht von der türkisblauen Koalition aus Sebastian ÖVP, und Heinz-Christian Strache, FPÖ, rückgängig gemacht wird. Vergeblich. „Wir waren sehr enttäuscht“, erzählt Mona, in deren Freundeskreis kaum jemand raucht. Denn der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, selbst Raucher, hatte der Wirtelobby ebenso wie seinen Anhängern versprochen, das Rauchverbot zu kippen. Und er hielt sein Versprechen.
Bis zur sogenannten Ibiza-Affäre im Mai 2019, über die Strache stürzte und zurücktrat. Er hatte dabei bekanntlich der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen in einer Villa auf Ibiza unter anderem Bereitschaft zur Korruption signalisiert. Dumm war nur, dass das Ganze gefilmt und später veröffentlicht wurde. Mona findet es genial, dass die ÖVP/FPÖ-Regierung dank dieses Skandals platzte. Und das Parlament dann doch Anfang Juli für den 1. November das Rauchverbot verabschiedete. Bis zur letzten Sekunde des Tages planen viele Gastwirte am Donnerstag Raucherpartys – zum Abschied.
Doch um 24 Uhr beginnt in Wien die Zeit der durchfeierten Nächte ohne Tschick. Ausgerechnet zu Halloween will die Stadt Wien mit ersten Kontrollen in Lokalen beginnen. Strafen können 800 bis 10000 Euro für Gastronomen betragen. Kunden, die erwischt werden, müssen mit 100 Euro Strafe rechnen.
Manche Wirte drohen schon damit, ihr Lokal zu schließen. Doch Wiens Stadträtin Uli Sima meint, Österreich dürfe nicht länger der Aschenbecher Europas sein, und will dies demonstrativ durchsetzen.
In den übrigen Bundesländern setzt man eher auf einen sanften Übergang. Das Institut für Höhere Studien in Wien hat den volkswirtschaftlichen Schaden durch Rauchen 2018 auf 2,4 Milliarden Euro in Österreich berechnet. Diese Studie geht von 230 Todesfällen im Jahr durch Passivrauchen aus. Dagegen stehen die Wirte, die vielleicht wegen des Rauchverbots in Insolvenz geraten – das werden zehn Prozent mehr als bisher üblich sein, schätzt der österKurz, reichische Kreditschutzverband. Von Bregenz bis an den Neusiedler See herrscht unter Gastronomen Unsicherheit, was das Rauchverbot wirklich fürs Geschäft bedeuten wird. Manche hoffen noch auf neue Ausnahmeregelungen. Doch nachdem die Nachtgastronomen mit einer Klage gegen das neue Gesetz beim Verfassungsgericht gescheitert sind, stehen die Chancen dafür schlecht. Noch anhängig ist aber eine Klage der Shisha-Bar-Besitzer. 6000 Arbeitsplätze seien durch das Rauchverbot gefährdet, behaupten sie.
In Bayern ist die Debatte freilich schon längst ad acta: Der Freistaat (absolutes Rauchverbot in Kneipen seit 2010), das Saarland (2011) und Nordrhein-Westfalen (seit 2013) haben die strengsten Rauchverbotsgesetze in Gaststätten. In Niedersachsen, Bremen und Baden-Württemberg etwa gibt es dagegen Ausnahmen: In Kneipen, die kleiner als 75 Quadratmeter sind und die kein Essen servieren, darf weiter geraucht werden. Größere Einrichtungen können spezielle Raucherräume einrichten.
Die Stadt Wien prescht mit harter Hand voran