Ein schmeckendes Missverständnis
Bei deutschen Verbrauchern genießen Cuvée-Weine, die aus mehreren Rebsorten zusammengestellt sind, keinen besonders guten Ruf. Oft zu Unrecht. Wenn ein Winzer die Kunst des Verschneidens beherrscht, kann Großes entstehen
Er ist der Inbegriff des feinen Getränks, wird charmant inhaliert im Restaurant, euphorisch verspritzt nach dem Formel-1-Sieg oder mit Andacht in gereifter Form in großen Burgunder-Gläsern genossen. Champagner, klar. Ein Gebiet, die Champagne im Nordosten Frankreichs, ein Getränk, ein Image. Doch aus welcher Rebsorte ist er gemacht? Nicht aus der ChampagnerTraube übrigens, denn die scheidet mangels Existenz aus.
Drei sind erlaubt: der weiße Chardonnay und die roten Rebsorten Pinot Noir (Spätburgunder) und Pinot Meunier (Schwarzriesling). Eine Cuvée ist er also in den meisten Fällen, der Champagner. Nicht nur aus drei verschiedenen Rebsorten, sondern auch noch aus weißen und roten Trauben. Warum das so ist? Weil’s schmeckt. Der Chardonnay bringt die appetitanregende Mineralität, der Pinot Noir die Fülle und der Pinot Meunier die fruchtige Note. Der önologischen Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Champagner auch aus einer einzigen der genannten Rebsorten entstehen darf. „Blanc de Blancs“nennt man ihn, wenn er 100-prozentig aus Chardonnay besteht, „Blanc de Noirs“, wenn der Pinot Noir die ausschließliche Hauptrolle spielt.
Weit entfernt von der noblen Champagne und deren perfekten Marketing arbeitet im Taubertal, genauer gesagt in Röttingen, der stille Jürgen Hofmann an Weinen, die wahrlich Aufmerksamkeit verdienen. Die fast ausgestorbene rote Rebsorte „Tauberschwarz“hat er zu einem fränkischen „Barolo“wiederbelebt. Sein Silvaner, der Riesling und auch der Spätburgunder überzeugen mit Filigranität und einem erstaunlichen Preis-LeistungsVerhältnis. So gesehen hätte es „Sophie Marie“nicht mehr unbedingt gebraucht im Leben von Jürgen Hofmann. Aber da war dieser Schüleraustausch damals in der 12. Klasse der Fachoberschule: St. Emilion im Bordelais, sozusagen im Epizentrum der Cuvées. Winzersohn zu Winzerfamilie, logisch. Neun Jahre später, 2004, kaufte Hofmann seine ersten Merlot- und Cabernet-Stöcke von diesen bekannten BordeauxRebsorten. „Nach dem zehnten Ertragsjahr wurden meine Weine dann besser“, sagt Hofmann.
Er spricht ein wunderbares leises, ja fast zartes Fränkisch, bei dem man die Endungen der Verben einfach weglässt. Nicht etwa aus Faulheit, sondern weil es praktisch ist. Der höchste Adelstitel, den er einem Wein angedeihen lässt, heißt: „Ka ma trink.“Qualität ohne Endung eben. Mit seiner weißen Cuvée
„Flint“hat er den erfolgreichsten Wein seines Gutes geschaffen. Riesling, Silvaner, Müller-Thurgau bilden die Basis. Den Kick liefert eine Rebsorte, deren Ruf keinen Donnerhall auslöst: Vom Bacchus gibt er nur zwischen fünf und zehn Prozent je nach Jahrgang zu, um diese plakative Aromatik zu erreichen, die an Sauvignon blanc erinnert. Als er anfangs alle Weine aus den beteiligten Rebsorten zu gleichen Teilen vermählt hatte, zahlte er Lehrgeld, denn die Aromarebsorte Bacchus dominierte den Wein über die Maßen. Jetzt glänzt dieser Tropfen mit Frische, Saftigkeit. „Ist trotzdem nicht so ein leichtes Persönchen“, sagt Hofmann und ergänzt seine Beschreibung mit dem Dogma der Winzer, die sich dem Verschnitt widmen: „Wenn man eine Cuvée richtig macht, dann ergibt sie einen komplexeren Wein als im reinsortigen Ausbau.“
Cuvée. Lässig französisch klingt
Wort. Aber dann schleicht schon die Vorstellung beim ungeübten Weintrinker daher, dass der Winzer unter dieser Überschrift alles an Wein zusammenschüttet, was er übrig hatte. Ohne Zweifel – solche Weine gibt es im untersten Qualitäts-Segment. Aber auch einige der größten Tropfen der Welt sind Cuvées. Man denke nur an die Bordeaux, die zumeist nichts anderes sind als perfekte Verschnitte aus Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot und Petit Verdot. Auch die sogenannten „Super Toskaner“Tignanello und Sassicaia entstammen nicht einer einzigen Traube.
Überhaupt die Rebsorte: Nur im deutschsprachigen Raum taucht sie durchgehend auf dem Etikett auf. Auf einem Chianti, einem weißen oder roten Wein aus dem Burgund oder der Rhône findet man stattdessen eine Lage, einen Wein-Namen oder den Namen des Winzers.
Die Cuvée, deren Ausdruck aus dem Französischen kommt („Cuve“= Gärbehälter), bietet dem Winzer einige Vorteile bei der Weinbereitung: Er kann mit dem Zusammenführen von Weinen Jahrgangsunterschiede bei den verschiedenen Rebsorten nivellieren, Charaktereigenschaften einer Sorte ausgleichen oder betonen und damit eine Balance stiften, die den Wein interessant und wieder erkennbar macht.
Die Mitspieler dabei sind Frucht, Säure, Extrakt, Gerbstoff, Alkohol und Restsüße. In den meisten Fällen baut der Winzer vorher die Weine getrennt im Stahltank oder im Holzfass aus. Bei der „Assemblage“werden dann die Grundweine nach vielen Vorversuchen im Kollegen- oder Familienkreis endgültig zusammengebracht. Die Vermählung von mehreren Rebsorten kann auch in anderen Stadien der Weinbereitung passieren. Möglich ist nach der getrennten Lese der einzelnen Rebsorten eine gemeinsame Gärung. Werdieses den die Trauben zusammen gelesen, gepresst und vinifiziert, dann spricht man von einem „gemischten Satz“. Früher war das die gängige Art, einen Wein zu erzeugen. Heutzutage erlebt der „gemischte Satz“eine kleine Renaissance in Franken und große Anerkennung im Anbaugebiet Wien, wo er eine eigene DAC, also eine geschützte Ursprungsbezeichnung, erworben hat.
Cuvées gibt es in nahezu allen Weinregionen der Welt: Württemberg ist das deutsche Dorado für Weine aus verschiedenen Rebsorten. Vor allem im roten Bereich beeindrucken die Weine der Schwaben. Ob es nun Rainer Schnaitmann mit seinem „Simonroth“aus Merlot, Cabernet und Lemberger ist oder Albrecht Schweglers „Granat“aus Zweigelt, Cabernet Franc und Cabertin . Gleich vier verschiedene Cuvées (darunter den gerühmten roten „C“und den Schaumwein „Brut Nature“aus den original Champagner-Rebsorten) findet man in Fellbach beim Weingut Aldinger. Beim „Bentz Rosé“darf sogar der verrufene Trollinger mitspielen. „Der hat eine wichtige Rolle“,
Feine Bordeaux-Weine sind meist perfekte Verschnitte
sagt Matthias Aldinger. „Mit seiner Leichtigkeit und seinem geringen Alkoholgehalt bildet er das Gegengewicht zu den kräftigen Rotweinsorten.“
Die Diskussion, ob nun ein reinsortiger Wein oder eine Cuvée als höherwertiger anzusehen ist, ist im besten Sinne des Genusses unsinnig. Das EU-Recht liefert dazu ein süffiges Detail: Mit sehr wenigen Ausnahmen darf dem „reinsortigen“Wein nämlich bis zu 15 Prozent eines Weines aus einer anderen Rebsorte zugegeben werden. Ohne Deklaration, versteht sich. Heißt dann „bezeichnungsunschädlich“. Unsere Empfehlungen
2018 Bentz Roséwein Cuvée (Spätburgunder, Lemberger, Trollinger, Merlot, div. Cabernet-Sorten) VDP Weingut Aldinger/Württemberg,weingut-aldinger.de, 6,90 Euro
2018 Flint Weingut Jürgen Hofmann/ Franken.geiselsweingalerie.de, 9 Euro 2016 TO (Welschriesling, Chardonnay, Sauvignon blanc) Weingut Heinz Velich/Neusiedlersee, www.dallmayr-versand.de, 17,50 Euro
2000 Chateau Haut-Marbuzet Cru Bourgeois (Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot, Petit Verdot) alpinawein.de, 55 Euro
Premier Temps, Champagner (Chardonnay, Pinot Noir), Jean Velut, champagne-characters.com, 29,90 Euro