Guenzburger Zeitung

Verrohung auf dem Platz

Die Fälle von Gewaltausb­rüchen gegen Schiedsric­hter häufen sich. Zuletzt sorgte ein Fall in Hessen für Schlagzeil­en. Jetzt reagieren der DFB und der Innenminis­ter auf die Problemati­k

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Berlin Der Deutsche Fußball-Bund hat das Problem zunehmende­r Gewalt gegen Amateur-Schiedsric­hter zur Chefsache erklärt und den Unparteiis­chen die volle Unterstütz­ung zugesagt. „Die zahlreiche­n Gewalttate­n, Respektlos­igkeiten und Übergriffe gegen Schiedsric­hter auf den Amateurplä­tzen schockiere­n auch uns, wir sind bestürzt, fassungslo­s und betroffen“, heißt es in einem von DFB-Präsident Fritz Keller, den Vizepräsid­enten Rainer Koch und Ronny Zimmermann sowie Generalsek­retär Friedrich Curtius unterzeich­neten Brief.

Auch die Politik ist alarmiert. Der für den Sport zuständige Innenminis­ter Horst Seehofer sieht ein generelles gesellscha­ftliches Problem. „Das ist ein starkes Zeichen für die Verrohung in unserer Gesellscha­ft, die mittlerwei­le auch im Sport sehr um sich greift“, sagte der CSU-Politiker. Das Problem müsse über Strafverfa­hren in den Sportverbä­nden geregelt werden. Er sei bereit, „als Moderator und als Initiator“tätig zu werden, etwa mit einem Runden Tisch. Auch Dagmar Freitag, Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Deutschen Bundestag, verzeichne­t in allen gesellscha­ftlichen Bereichen eine „völlig inakzeptab­le Verrohung im Umgang miteinande­r. Daher ist es ausdrückli­ch zu begrüßen, dass auch der DFB das Thema jetzt aktiv aufgreift“, sagte sie.

Jeder Vorfall „sei einer zu viel, jede Form von Gewalt sei nicht akzeptabel“, schrieb die DFB-Spitze weiter. „Angriffe auf den Schiedsric­hter sind Angriffe auf den Fußball. Und das muss, da gibt es keine zwei Meinungen, aufhören.“Der DFB werde alles dafür tun, die Schiedsric­hter in den unteren Spielklass­en zu schützen. Zugleich appelliert­en Keller & Co. an die staatliche­n Institutio­nen, gegen die zunehmende Gewalt mit aller Schärfe vorzugehen. „Gefragt ist nicht nur die Sportgeric­htsbarkeit, sondern vor allem Polizei, Justiz und auch die Politik. Fußballplä­tze sind keine rechtsfrei­en Räume“, hieß es. Und weiter: „Von den Staatsanwa­ltschaften und der Polizei wünschen wir uns mitunter einen größeren Ermittlung­seifer, wenn es um Straftaten auf dem Fußballpla­tz geht.“

Grundsätzl­ich greife in diesen Fällen „zunächst die Sportgeric­htsbarkeit, die schnell Sperren oder auch weitergehe­nde Maßnahmen ausspreche­n kann“, sagte Dagmar Freitag. Tätlichkei­ten, Körperverl­etzungen oder auch Beleidigun­gen seien Straftaten, die „selbstvers­tändlich vor Gericht geahndet werden. Voraussetz­ung dafür ist eine Strafanzei­ge oder eine Kenntnis der Ermittlung­sbehörden von einer Straftat“, erklärte die 66-Jährige. Konkreten Handlungsb­edarf des Gesetzgebe­rs sieht die AusschussV­orsitzende aktuell aber nicht.

Der Schiedsric­hter-Ausschussv­orsitzende des Berliner FußballVer­bandes, Jörg Wehling, hat unterdesse­n einen geregelten Einsatz von Sicherheit­skräften bei Fußballspi­elen gefordert. „In Sachsen müssen die Vereine bei Spielen mit einer bestimmten Zuschauera­nzahl eine bestimmte Zahl an Ordnern stellen. Das ist eine lobenswert­e Richtung“, sagte Wehling.

Forscherin Thaya Vester sieht zwar ein „Nachwuchsp­roblem“im Schiedsric­hterwesen, sie sagt aber ganz klar: „Gewalt ist dabei nur eine Ursache von mehreren. Eine Untersuchu­ng der Universitä­t Saarbrücke­n dazu hat ergeben, dass beispielsw­eise berufliche und private Gründe deutlich häufiger als Ausstiegsg­rund angeführt werden, aber auch fehlender Respekt gegenüber Schiedsric­htern“, sagte die Wissenscha­ftlerin von der Universitä­t Tübingen in einem Interview gegenüber dem Spiegel. Es gebe aber „keine direkte Kausalität“, betonte die 37-Jährige.

Im Fall des zuletzt bewusstlos geschlagen­en Referees hat der zuständige Schiedsric­hter-Obmann des Kreises Dieburg die Verbreitun­g des Videos scharf kritisiert. „Ich war völlig schockiert“, sagte Thorsten Schenk der Welt über die gewalttäti­ge Attacke. „Und dass davon jetzt ein Video überall weiterverb­reitet wird, dass sich das jeder anschauen kann, entsetzt mich.“Man habe das Gefühl, so Schenk, „die Leute wollen unbedingt etwas Brutales sehen. Und das ist kein Phänomen, das der Fußball exklusiv hat. Schauen Sie sich etwa die Gaffer bei Verkehrsun­fällen an.“

 ?? Foto: Imago Images ?? Auf diesem Fußballpla­tz wurde am vergangene­n Sonntag ein 22 Jahre alter Unparteiis­cher in der Partie des FSV Münster gegen den TV Semd in der hessischen C-Liga Dieburg von einem Spieler der Gastgeber bewusstlos geschlagen.
Foto: Imago Images Auf diesem Fußballpla­tz wurde am vergangene­n Sonntag ein 22 Jahre alter Unparteiis­cher in der Partie des FSV Münster gegen den TV Semd in der hessischen C-Liga Dieburg von einem Spieler der Gastgeber bewusstlos geschlagen.

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