Guenzburger Zeitung

Golf ist wie Wellness nach Feierabend

Unser Sportredak­teur hat sich für einen Schnupperk­urs auf die Anlage des GC Schloss Klingenbur­g gewagt und dort Erstaunlic­hes über sich sowie eine ebenso komplizier­te wie spaßmachen­de Sportart erfahren

- VON JAN KUBICA

Jettingen-Scheppach Golf? Nie im Leben. Nicht meine Welt. Das ist ausschließ­lich etwas für gestresste Privilegie­rte, die in merkwürdig­er Kleidung mittels sündhaft teurer Utensilien Bonsai-Bälle durch die Botanik ballern und so eine Art postpubert­äres Wer hat den Längeren spielen. Und ausgerechn­et ich stehe jetzt inmitten dieser Botanik, blicke in gut gelaunte Gesichter und fühle mich fast gegen meinen Willen (das ist eines dieser verflixten Probleme mit Vorurteile­n: man will sie gar nicht ernsthaft loswerden) so richtig willkommen. Tom Ruess hat mich erwartet, Spieler der Oberligama­nnschaft im GC Schloss Klingenbur­g. Bei ihm ist Paavo J. Schaefer, einer von zwei profession­ellen Golflehrer­n auf der Anlage. Die beiden werden mich auf meinen ersten Schritten begleiten.

● Lektion eins: Beginne mit einem Erfolgserl­ebnis Wir starten mit dem Putten und ich kann sagen: Es ist ein wunderbare­s, höchst beglückend­es Geräusch, mit dem der Ball ins Loch plumpst. Nicht, dass ich das bei meinem ersten Besuch allzu häufig erleben darf. Anderersei­ts: Ein bisschen stolz bin ich schon auf mich, als ich auf seitlich abschüssig­em Grün und über eine nicht gerade kurze Distanz sauber einloche. Der Versuch einer Wiederholu­ng von gleicher Stelle missglückt immerhin so knapp, dass ich mir einen ersten Euphoriesc­hub abhole.

● Lektion zwei: Sei demütig Ich bin durchaus selbstbewu­sst, aber wenn ich in Sachfragen ahnungslos bin, lasse ich mir gerne etwas erklären. Und die Art, wie Schaefer das anpackt, gefällt mir: Da gibt’s kein Blabla, keine blumigen Ausschweif­ungen. Er spricht Klartext, moniert sofort, wenn ihm etwas nicht gefällt, und lobt nur dann, wenn er einen Anlass dazu findet.

Nach ein paar Trockenübu­ngen in Sachen Schlägerha­ltung, Auf-AbBewegung und Links-Rechts-Rotation geht’s vom präzisen Spiel zum weiten Schlag. Zwischen Start und Ziel liegen in diesem Sport ja schnell mehrere Hundert Meter. Die mit möglichst wenigen Versuchen zu überbrücke­n, ist nicht so leicht, wie es beim Beobachten aussehen mag – und es wird geradezu unmöglich, wenn man den Ball jetzt auf der Stelle und ganz unbedingt perfekt treffen will. Tatsächlic­h überfällt mich zügig die Erkenntnis, dass sich der Ball fataler Weise nicht immer an jener Stelle befindet, an der mein Schläger gerade durch die Luft saust (oder gar ein Stück gepflegten Rasen aus dem hübschen Grün rupft, was mir auch noch widerfahre­n wird).

Angesichts meiner sich rasant entwickeln­den Anfänger-Depression ist es gut, dass Schaefer die Qualität besitzt, Dinge zu verbildlic­hen. Mit kräftiger Überzeichn­ung mimt die verschiede­nsten Charaktere, die sich auf dem Golfplatz tummeln, und ihre Art zu spielen. Was als Kern davon bei mir hängen bleibt: Ich entscheide, wie viel Spaß ich am Golfspiele­n habe – gleichgült­ig, wie ich den Ball treffe, ob er weit fliegt oder nicht, ob ich es sportlich oder lässig angehen lasse. Und wenn ich mich ärgere, wird der nächste Schlag gewiss nicht besser. Wenn ich dagegen ruhig bleibe, abschalte, alles Negative vergesse, klappt’s vielleicht. Und ja: Es bereitet geradezu kindliche Freude, wenn der Ball (für meine Verhältnis­se) zum ersten Mal so richtig weit fliegt.

● Lektion drei: Jeder spielt für sich und doch spielen alle gemeinsam Eine wunderbare Einrichtun­g beim Golfspiel ist das Handicap, lasse ich mir erklären. Simpel formuliert, werden damit konkrete Ergebnisse von Spielern verschiede­nster Qualifikat­ion vergleichb­ar. Was zur Folge hat, dass sich richtig gute Golfer zusammen mit blutigen Anfängern auf eine Runde machen können und damit noch lange nicht ausgemacht ist, wer am Ende das Sieger-Bier bezahlen muss. Das gefällt mir: Basisdemok­ratie statt Standesdün­kel.

Das ist einer der Gründe, warum Ruess Golf als „perfekten Sport“bezeichnet. Der Könner, der von seinen Eltern bereits im Kinderwage­n liegend über den Platz gezogen wurde, genießt das Gemeinsame und das Alleinsein auf dem Platz gleicherma­ßen. Er berichtet auch, Gemeinscha­ft sei auf der Klingenbur­g nicht nur ein Wort. „Durch dieses Vereinsgef­üge heben wir uns auf jeden Fall von anderen Golfclubs ab“, sagt Ruess.

● Lektion vier: Wichtig ist, dass am Ende der Ball im Loch liegt Golf ist technisch eine der schwierigs­ten Sportarten überhaupt, habe ich gelesen. Ich vermag es nicht zu entscheide­n, da mir eigene sportliche Betätigung, nun ja, eher fremd ist. Aber ich glaube sofort, dass auf wenige andere Beschäftig­ungen die Phrase „Jeder fängt mal klein an“dermaßen knallhart zutrifft. Es macht also keinen Sinn für den Lernenden, sich in philosophi­schem Wissensdur­st in Details zu verrennen. Interessan­t ist allein, wie man mit diesem Spiel umgeht.

Auch zu diesem Thema hat Schaefer eine Geschichte parat: „Sieben Prozent aller Schläge sind perfekt. Bei allen Spielern“, behauptet er und fügt, meine hochgezoge­nen Augenbraue­n missachten­d, hinzu: „Der Unterschie­d ist, dass die 93 Prozent Fehlschläg­e eines Könners immer noch verdammt gut sind. Und was machst Du mit den anderen 93 Prozent? Dir rutscht dann ganz schnell das F-Wort raus.“Die Richtigkei­t dieser These bestäer tige ich an diesem frühen Abend gleich mehrfach.

● Lektion fünf: Golf ist Yoga fürs Hirn Die Frage, ob Golfspiele­n etwas von Dauer für mich sein könnte, vermag ich nicht abschließe­nd zu beantworte­n. Aber ich nehme positive Eindrücke mit von meinem kurzen Ausflug auf die wirklich idyllische Anlage des GC Schloss Klingenbur­g. Zum Beispiel die Erkenntnis, dass Golfspiele­n einen vollkommen anderen Effekt hat als ein ganz normaler Spaziergan­g, der Stress und unschöne Gedanken häufig genug nur mit ins Freie trägt.

Natürlich ist Golf Konzentrat­ionssache. Und es ist zweifellos Sport; es strengt an. Nebenbei sorgt es wie alles, das schwer zu lernen ist, auch für frustriere­nde Momente. Doch der Golfer findet Ruhe, weil er in diesem Wimpernsch­lag zwischen Konzentrat­ion und Ballkontak­t ins Reich der Tiefenents­pannung gleitet und in der langen Zeit dazwischen die Schönheit der Natur genießen kann. Anders formuliert: Die Stunden, die der Golfer im Grünen unterwegs ist, bieten Wellness nach Feierabend. Jubiläum 2020 feiert der GC Schloss Klingenbur­g seinen 40. Geburtstag. Ende Juni steigt die große Festwoche und bereits am 3. Mai gibt’s einen Golf-Erlebnista­g – die ideale Gelegenhei­t, einmal zum Schnuppern nach Schönenber­g zu kommen.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Das Stück Wiese, das weiter flog als der Ball: Unser Sportredak­teur hat trotz Tee-Unterstütz­ung mächtig daneben gehauen. Das Grün fügte er nach seinem Fehlschlag wieder in die Botanik ein.
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Genau so geht’s: Golflehrer Paavo J. Schaefer beglückwün­scht Golfschüle­r Jan Kubica zum Treffer.
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Vorfreudig bereitet sich Jan Kubica aufs Putten vor. Hier feierte er Erfolge.

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