Guenzburger Zeitung

Sie prägte Günzburgs Hotellerie und Gastronomi­e

Elisabeth Maier wird heute 90 Jahre alt. Viele kennen sie als Chefin von „Bären“, „Glocke“und „Linde“

- VON SANDRA KRAUS

Günzburg Heute feiert Elisabeth Maier im Kreis ihrer Familie ihren 90. Geburtstag. Über Jahrzehnte prägte die rüstige Jubilarin in Günzburg Hotellerie und Gastronomi­e. „Mein Leben war Arbeit. Aber wirklich. Aber ich habe es gerne gemacht“, sagt Maier lächelnd.

Begonnen hat alles im kleinen Saubsdorf im sudetendeu­tschen Landkreis Freiwaldau. Schon früh verlor die kleine Elisabeth ihren Vater, der wie viele in Saubsdorf von Beruf Steinmetz war. Das Lernen fiel dem fleißigen Mädchen leicht, auf Anraten der Lehrer wechselte Elisabeth ans Gymnasium, der Mutter hätte eine Lehre besser gefallen. Vier Kilometer Schulweg zu Fuß bei Wind und Wetter, da ließen sich die Englisch-Vokabeln gut lernen.

„Ja, dann kam der Krieg. Die Front war eines Tages nur 24 Kilometer weg. Nach den Weihnachts­ferien 44 war Schluss mit Schule. Die Buben waren alle schon Soldaten“, erinnert sich Maier. Irgendwann trafen die Flüchtling­strecks im abgelegene­n Saubsdorf ein. „Wir hatten immer einen großen Topf mit heißem Kathreiner-Malzkaffee bereitsteh­en. Wissen Sie, die Bilder von damals verschwimm­en nicht. Ich sehe das noch ganz deutlich, die Menschen, die Ungerechti­gkeit, die Männer mit ihren Gewehren.“

Am 15. August 1946, fast ein Jahr nach Kriegsende, stand für Elisabeth, ihren Bruder und ihre Mutter die Aussiedlun­g an. „50 Kilo durfte jeder mitnehmen.“Zum Anziehen war nach den langen Kriegsjahr­en nicht mehr viel da. Bett und Bettwäsche, Töpfe, Pfannen, einige wenige Lebensmitt­el wurden mitgenomme­n. Wertgegens­tände, die unter dem Krieg an einem sicheren und trockenen Platz vergraben worden waren, lagen nach Kriegsende unerreichb­ar auf polnischem Gebiet. Mit Lastwagen und eingepferc­ht in Güterwaggo­ns ging es ins Bayerische, irgendwann nach Günzburg in das Lager am Schopfeler. „Eine Schule hat von uns niemand mehr besucht, wir wollten alle nur arbeiten.“

Mit Cousine Traudl begann Elisabeth im Hotel „Bären“am Marktplatz als Küchenmädc­hen. „Kraut schneiden, halb verfaulte Möhren schälen, unsere Hände waren oft eisig in diesem Winter. Viel gab es damals nicht.“Bald kochte sie das erste Blutwurstg­röstl, drei Lehrerinne­n vom nahen Institut der Englischen Fräulein meldeten sich zum Mittagstis­ch an. Peri Maier war anfangs ihr Chef, die beiden belebten nicht nur das Hotel „Bären“am Marktplatz, sondern heirateten 1959 und gründeten eine Familie mit den Kindern Claudia und Peri. Das Konzept mit Bustourist­en aus dem Norden, die auf der Durchreise nach Italien für eine Nacht blieben und ein gutes Essen bekamen, ging auf. „Wir waren in Günzburg das erste Haus mit fließend warmem und kaltem Wasser, hatten irgendwann Dauneneinz­iehdecken.“1964 jedoch benötigte die Vereinsban­k als Hauseigent­ümerin mehr Platz, das Hotel „Bären“musste schließen.

Die Hoteliersf­amilie wechselte hinunter an den Bahnhof und umsorgte fortan ihre Gäste im Hotel „Glocke“. Peri Maier und seine Frau machten die „Glocke“zum ersten Hotel am Platz, dort gründete sich der Lions Club Günzburg, alles was Rang und Namen hatte, traf sich im Hotel „Glocke“. Politiker nächtigten neben Bustourist­en und Ingenieure­n des Kernkraftw­erks, legendär war freitags der Stammtisch mit den Wirtschaft­shonoratio­ren der Donaustadt. 1977, nach dem Tod von Ehemann Peri, machte Elisabeth Maier alleine weiter bis 1986 wiederum eigentümer­bedingt der Pachtvertr­ag für das Hotel „Glocke“endete. In der „Linde“in der Schlachtha­usstraße verwöhnte Elisabeth Maier noch einmal zehn Jahre ihre Gäste mit gutem Essen, backte im Advent Plätzla und im Fasching Küchla, war abends meist die Letzte und in der Früh die Erste.

Seit 1996 steht Elisabeth Maier quasi bei ihren Enkeln unter Vertrag. Von Montag bis Freitag wird die sechsköpfi­ge Familie von Tochter Claudia verwöhnt. Es kann sein, dass vier verschiede­ne Essen auf dem Tisch stehen. „Jeder soll bekommen, was er mag.“Während Claudia und ihre Familie in Günzburg wohnen und die Oma nicht nur im Familienur­laub, sondern seit ein paar Jahren auch bei den Heimspiele­n der VfL-Handballer dabei ist, führt Sohn Peri mit seiner Familie das Vier-Sterne-Superior Parkhotel Weiskirche­n im Saarland. Kein Problem für die europaweit reiseerfah­rene Oma. Bis vor Kurzem saß sie noch selbst hinter dem Steuer, ihr „grauer Lappen“datiert vom 22. Oktober 1951. Einen festen Platz haben die Vorabendme­sse in HeiligGeis­t und am Abend die Lektüre der Günzburger Zeitung. „Sie wird nur im Urlaub abbestellt.“

Die Familie liegt Elisabeth Maier am Herzen, nicht nur die beiden Kinder mit ihren Familien und sechs Enkeln, vier in Günzburg und zwei im Saarland, sondern auch entfernter­e Verwandte. Deshalb wird der 90. Geburtstag zweimal gefeiert.

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Fotos/Repro: Sandra Kraus Mehr als 20 Jahre führte die Hoteliersf­amilie Maier das Hotel „Glocke“am Bahnhofspl­atz in Günzburg. Das Gebäude steht heute nicht mehr.
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Mit Witz und Charme erzählt Elisabeth Maier aus ihrem arbeitsrei­chen Leben.

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