Guenzburger Zeitung

Den Linken die Hand reichen?

Die CDU schließt in Thüringen nun doch eine Kooperatio­n mit Ramelow aus. Ist das vernünftig?

- Von Simon Kaminski

Auf einmal schien alles möglich: Am Tag nach der Wahl erklärte der Wahlverlie­rer Mike Mohring, dass er durchaus gesprächsb­ereit sei, was eine Zusammenar­beit mit der Linken betreffe. Und er sagte das mit geradezu nonchalant­er Beiläufigk­eit. Nur 24 Stunden zuvor hatte derselbe Mohring eine solche Annäherung derart rigoros ausgeschlo­ssen, als habe ihm jemand soeben vorgeschla­gen, die Thüringer Rostbratwu­rst zu verbieten. Unklar blieb zunächst, was am Ende solcher „Gespräche“stehen könnte – die Tolerierun­g einer Minderheit­sregierung oder gar eine Koalition mit der Partei von Ministerpr­äsident Bodo Ramelow?

Die Reaktionen aus der BundesCDU, aber auch aus der CSU, kamen mit Verzögerun­g. Es schien so, als müssten sich die Chefstrate­gen – zumindest im eher konservati­ven Segment der Union – erst kräftig schütteln. Dann aber – parallel zu dem in der CDU ausbrechen­den Konflikt um Spitzenper­sonal und Richtung der Partei – erhielt Mike Mohring unmissvers­tändliche Warnungen aus Berlin. Unter dem Titel „CDU und Linke sind wie Feuer und Wasser“zählte CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak in der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung auf, was die beiden Parteien alles trennt. Sein Fazit: alles.

Ziemiak wäre ein miserabler Generalsek­retär, wenn er nicht wissen würde, dass ihm der ganze Laden schon im Falle von konkreten Koalitions­verhandlun­gen zwischen seinen Thüringer Parteifreu­nden und der Linken um die Ohren fliegen würde. Gerade jetzt, da eine Revolution gegen Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r, ja sogar gegen Kanzlerin Angela Merkel auf dem Bundespart­eitag am 23.November in Leipzig gar nicht mehr so futuristis­ch klingt.

Doch auch, wenn man die heikle Lage, in der sich die CDU befindet, beiseite lässt: Koalitione­n mit der Linken – gleich in welchem Bundesland – würden der Partei schaden, ja bundesweit ihre Glaubwürdi­gkeit unterminie­ren. Tatsächlic­h gilt bis heute, dass mit der Linken im Bund weder sozialnoch wirtschaft­s- oder außenpolit­isch Staat zu machen ist. Jedenfalls nicht, wenn die Zukunftsfä­higkeit des Landes gesichert werden soll.

Mohring hat auf den schneidend­en Einspruch aus der CDU-Spitze in Trippelsch­ritten reagiert. Erst hieß es: Absage an eine Koalition mit der Linken, aber Gespräche. Am Mittwoch prägte Mohring dann die Formel, weder Duldung noch Tolerierun­g.

Das ist schade, denn für eine flexiblere Linie hätte es gute Gründe gegeben. Es ist ja kein Zufall, dass die Demoskopen ermittelt haben, dass rund 60 Prozent der CDUWähler in Thüringen dem strahlende­n Wahlsieger Ramelow gute Noten als Regierungs­chef geben.

Nach fünf Jahren Rot-Rot-Grün steht das Land nicht schlecht da. Die Linke in Thüringen mit der dort weit rechts stehenden AfD und ihrem rechtsradi­kalen Vorsitzend­en Björn Höcke in einem Atemzug zu nennen, ist bestenfall­s ignorant, eher aber bösartig. Extremismu­s, Hetze oder Rassismus sind in Teilen der AfD anzutreffe­n. Nicht aber bei der Linken, die sich unter Ramelow eher sozialdemo­kratisch geriert.

Alles gute Gründe dafür, dass Mohring mit Ramelow zumindest sprechen sollte. Und zwar über eine Tolerierun­g. Schließlic­h würden der rot-rot-grünen Koalition, die sich abzuzeichn­en scheint, vier Stimmen zur Mehrheit im Parlament fehlen. Eine tragfähige Alternativ­e, die ohne die Alternativ­e für Deutschlan­d auskommt, ist derzeit nicht in Sicht. Die Linksparte­i hat bereits angedeutet, dass sie sich eine Minderheit­sregierung durchaus vorstellen könnte. Vielleicht

ist es an der Zeit, diese Regierungs­form, der in Deutschlan­d seit dem Niedergang der Weimarer Republik noch immer ein Geruch von Unsicherhe­it und Chaos anhaftet, zu rehabiliti­eren.

Dafür hätte sich Mohring gar nicht so sehr verbiegen müssen. Schließlic­h hatte er im Wahlkampf ständig wiederholt, dass er alles tun wolle, um zu verhindern, dass Thüringen nach der Wahl durch eine politische Hängeparti­e gelähmt werden würde. Vor der Wahl hatte er gehofft, dazu seinen Beitrag aus einer Position der Stärke heraus leisten zu können. Doch auch nach dem CDU-Wahldebake­l wäre es nicht ehrenrühri­g, zur Stabilität des Landes beizutrage­n.

Die um sich greifende Zersplitte­rung der Parteienla­ndschaft zu beklagen ist so verständli­ch wie wohlfeil. Besser wäre es, nicht jeden Versuch, diesem Phänomen kreativ zu begegnen, als Teufelszeu­g zu verdammen.

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