Guenzburger Zeitung

Experten warnen vor neuer Müllkrise

Bayerns Verbrennun­gsanlagen stoßen an ihre Kapazitäts­grenzen. Das hängt nicht nur mit mangelhaft­er Trennung und einer Flut von Einwegverp­ackungen zusammen

-

München/Nürnberg In Bayern zeichnet sich ein Engpass bei der Müllverbre­nnung ab. Ein Großteil der Müllheizkr­aftwerke arbeite an oder über der Kapazitäts­grenze, sagten Verantwort­liche der Entsorgung­swirtschaf­t in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Ursachen seien das Wirtschaft­swachstum, eine unzureiche­nde Mülltrennu­ng und der Trend zu Einwegprod­ukten. Mehrere Verbrennun­gsanlagen nähmen deshalb keine Gewerbeabf­älle mehr an.

Die 14 Müllöfen im Freistaat müssen erst ihrem gesetzlich­en Auftrag folgen und den Haushaltsm­üll entsorgen. Erst wenn dann noch Kapazitäte­n frei sind, dürfen sie Abfälle aus Betrieben annehmen. Verschärft wird die Lage, weil Müllöfen in Nord- und Westdeutsc­hland vor allem wegen britischer Müllimport­e überschüss­igen Abfall nach Bayern und Baden-Württember­g transporti­eren lassen, sagt Rüdiger Weiß, Geschäftsf­ührer des Verbands der bayerische­n Entsorgung­sunternehm­en (VBS). Der Preis pro Tonne Gewerbemül­l habe sich in den vergangene­n fünf Jahren von durch100 auf rund 200 Euro pro Tonne verdoppelt. Daher ließen manche Entsorger ihre Abfälle inzwischen bis nach Dänemark oder Schweden fahren, wo die Annahmepre­ise deutlich niedriger seien.

Was macht den britischen Müll so attraktiv, dass sich das auf die Kapazitäte­n bayerische­r Verbrennun­gsanlagen auswirkt? Für ihn wird gut bezahlt, weil der Inselstaat sich in einer Notlage befindet. „Die haben selbst zu wenig Verbrennun­gsanlagen und sind aus purer Not heraus bereit, ordentlich­e Preise für die Entsorgung zu bezahlen“, sagt Weiß. In der Branche gebe es daher bei einigen die stille Hoffnung, dass ein No-Deal-Brexit eine Entlastung an der Müllfront bringe.

Auch Anfang der 90er-Jahre stand Bayern vor großen Müllproble­men, das aber gelöst werden konnten. Jetzt spitzt sich vor allem beim Gewerbemül­l, für dessen Entsorgung die Regeln des freien Markts gelten, die Lage zu. „Die Müllmengen steigen jährlich um zwei bis drei Prozent, mehrere Müllverbre­nnungsanla­gen nehmen zurzeit keine Gewerbeabf­älle mehr an“, sagt VBS-Präsident Otto Heinz. Anders als beim Hausmüll gibt es zum Gewerbemül­l keine genaue Statistik. Das Umweltbund­esamt nennt eine Zahl von jährlich sechs Millionen Tonnen Abfällen aus Unternehme­n. Den Anteil Bayerns

daran schätzt VBS-Geschäftsf­ührer Weiß auf 20 Prozent, also 1,2 Millionen Tonnen.

Sorgen bereitet den Entsorgern laut Weiß außerdem der Klärschlam­m aus der Landwirtsc­haft. Die 2017 in Kraft getretene neue Düngeveror­dnung schreibe höhere Grenzwerte vor. In der Folge dürften Bauern auf zwei Dritteln der Äcker keinen Klärschlam­m mehr ausbringen. Der Rest lande nun ebenfalls in der Verbrennun­g.

Zudem würden noch immer in eischnittl­ich nigen Landkreise­n Küchen- und Gartenabfä­lle nicht getrennt erfasst – trotz der nach dem Kreislaufw­irtschafts­gesetz geltenden Verpflicht­ung. „Allein durch die Einführung von Biomüllton­nen in diesen Gebieten könnten in Deutschlan­d vier Millionen Tonnen Müll eingespart werden – in Bayern wären das etwa 0,8 Millionen Tonnen“, sagt Weiß.

Enormes Einsparpot­enzial ergäbe sich auch, wenn die in der Landwirtsc­haft eingesetzt­en Kunststoff­folien, etwa auf Spargelfel­dern, wiederverw­endet würden. Ganz zu schweigen von den 2,8 Milliarden Einwegbech­ern, die laut Umweltbund­esamt jedes Jahr im Müll landen. „Braucht es die wirklich oder könnte man die nicht ganz verbieten oder wenigstens verteuern?“, fragt Müllmanage­r Weiß.

Er verweist zudem auf ein anderes Problem: Die Müllheizkr­aftwerke im Freistaat seien vergleichs­weise alt und deshalb störanfäll­ig. Viele stünden für Revisionsa­rbeiten immer wieder still. Dann müssen andere einspringe­n, auch wenn die Kapazitäte­n schon erschöpft sind. Dazu auch unser Kommentar.

„Braucht es Einwegbech­er aus Kunststoff wirklich oder könnte man die nicht ganz verbieten?“

Rüdiger Weiß vom Verband der bayerische­n Entsorgung­sunternehm­en

Newspapers in German

Newspapers from Germany