Die CDU erschrickt über sich selbst
Nach dem offenen Konflikt infolge der verlorenen Thüringen-Wahl mehren sich die Appelle, den innerparteilichen Schlagabtausch zu beenden. Das ist allerdings gar nicht so einfach
Berlin In der CDU werden die Rufe nach einem Ende der Personaldebatte lauter. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte, Personaldiskussionen im luftleeren Raum seien keine Lösung. „Die können wir führen, wenn die Entscheidungen tatsächlich anstehen“, sagte das CDU-Präsidiumsmitglied. Auch der frühere CDU-Umweltminister Norbert Röttgen kritisierte die innerparteiliche Auseinandersetzung der vergangenen Tage. „Der Stil war maßlos – aber vor allem kann es ja auch nicht so weitergehen“, mahnte Röttgen am Freitag im ARD-Morgenmagazin.
Die schwere Niederlage der Christdemokraten bei der Landtagswahl in Thüringen hatte den Machtkampf in der Partei neu entfacht. Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz bezeichnete das Erscheinungsbild der Bundesregierung als „grottenschlecht“und machte dafür vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verantwortlich. Durch diese Aussagen zog Merz aber auch viel Kritik auf sich: „Ich halte überhaupt nichts davon, persönliche Differenzen öffentlich auszutragen“, sagte etwa Brandenburgs kommissarischer
CDU-Chef Michael Stübgen. „Das schadet am Ende allen.“Der hessische CDU-Generalsekretär Manfred Pentz warb dafür, „respektvoll miteinander umzugehen und nicht öffentlich irgendwen anzupinkeln“.
Zuvor hatte bereits SchleswigHolsteins Ministerpräsident Daniel Günther deutliche Kritik an Merz und an ähnlichen Äußerungen des früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch geübt. „Ich glaube, dass hier ein paar ältere Männer, die vielleicht nicht das in ihrem Leben erreicht haben, was sie erreichen wollten, die Chancen nutzen möchten, alte Rechnungen zu begleichen“, sagte Günther dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Doch der Unmut über den aktuellen Kurs der CDU richtet sich auch gegen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. So klagte die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann im Spiegel: „Die Handschrift der CDU ist nicht klar erkennbar. Da muss mehr Führung und Linie rein.“Der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster erklärte: „Meine Hoffnung war, das Doppel KrampKarrenbauer mit Merkel würde uns als Partei stark nach vorne bringen.“
Dies habe jedoch „gar nicht funktioniert“. Selbst von der politischen Konkurrenz kommen bereits personelle Ratschläge.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki empfahl der Union, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten zu machen, „Annegret Kramp-Karrenbauer wäre klug beraten, von sich aus den
Vorschlag zu machen, dass Laschet die Kanzlerkandidatur übernimmt“, sagte Kubicki. KrampKarrenbauer zeige immer häufiger, „dass sie nicht in der Lage ist, eine Partei zu führen“.
Doch mit Blick auf Thüringen könnte die gute Laune bei den Liberalen schnell wieder verfliegen. Der Einzug der FDP in den Thüringer Landtag hängt weiter am seidenen Faden. Der Wahlausschuss in Jena hat nach einer neuen Bewertung das Stimmergebnis der Partei um zwei Stimmen nach unten korrigiert. Drei vorher für die FDP gezählten Stimmen hätten geändert werden müssen, eine Stimme habe die Partei hinzugewonnen, sagte Vize-Stadtsprecher Kristian Philler am Freitag. Zuvor hatte die Thüringer Allgemeine berichtet, dass auch der Kreiswahlausschuss Weimar das FDPErgebnis um vier Stimmen nach unten korrigiert habe. Sollte sich der Abzug in Weimar bestätigen, könnte die FDP den Einzug in den Landtag knapp verpassen. Nach dem vorläufigen Ergebnis vom Sonntag hatte die FDP landesweit die 5-Prozent-Hürde nur um fünf Stimmen übersprungen. Derzeit läuft die Prüfung der Wahlergebnisse in den Kreiswahlausschüssen, der Landeswahlleiter will das amtliche Endergebnis am 7. November vorlegen. Völlig unklar ist weiterhin, wer künftig in Thüringen regiert. CDUChef Mike Mohring hat nach seiner Absage an jegliche Kooperation mit der Linken ein Minderheitsbündnis seiner Partei mit SPD, Grünen und FDP ins Spiel gebracht – obwohl dieses noch weniger Sitze hätte als Rot-Rot-Grün. „Es geht offensichtlich in Thüringen jetzt nur noch mit einer Minderheitsregierung weiter“, sagte Mohring in der ZDFSendung „Markus Lanz“am Mittwochabend.
Fünf-Prozent-Hürde: Für die FDP geht das Zittern weiter