Das sind die Sorgen der Betroffenen
Wertschätzung und Sicherheit fehlen
Im Vergleich zu 1995 hat sich die Zahl der Menschen in Zeitarbeit nach Zahlen der Arbeitsagentur auf aktuell über 900000 Personen fast verzehnfacht. Kein Wunder also, dass auch Klagen über Probleme in Zusammenhang mit der Zeitarbeit zunehmen. Erwin Helmer, Betriebsseelsorger der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) in Augsburg, berichtet aus seiner Arbeit mit Betroffenen vor allem über ein häufig vorherrschendes Gefühl mangelnder Wertschätzung: „Ich fühle mich wie ein Mensch zweiter Klasse“, sei eine oft geäußerte Klage von Menschen in Zeitarbeit.
Gegenüber Festangestellten hätten sie in der Regel weniger Mitspracherechte, weniger Lohn, weniger Sicherheit. Dies habe Folgen für alle anderen Lebensbereiche. Viele Menschen in Leiharbeit sagten etwa, sie könnten wegen der fehlenden Planbarkeit keine Familie gründen. Auch die Integration in den Freundeskreis nehme ab, da Menschen in Zeitarbeit häufig keine Zeit für gemeinsame Aktivitäten mehr hätten. Dies bestätigt auch der Zeitarbeitsreport der gesetzlichen Unfallversicherung VBG. Demnach arbeiten Menschen in Zeitarbeit häufiger am Wochenende und zu untypischen Tageszeiten, also vor 7 und nach 19 Uhr. Sie fühlen sich durch kurzfristige Änderungen der Arbeitszeit stärker belastet, haben eher starre Arbeitszeiten und weniger Einfluss auf Beginn und Ende der Arbeits- und Pausenzeiten. Aber Helmer sieht noch größere Probleme: „Leiharbeit auf Dauer ist für viele einfach krank machend.“Menschen in Zeitarbeit seien häufig in ihrem Selbstbewusstsein geschädigt und darum bereit, für relativ niedrige Löhne oder zu schlechten Bedingungen zu arbeiten. Dazu trage auch das Fehlen einer Interessenvertretung bei. Leiharbeiter hätten oft keinen Betriebsrat.
Laut VBG-Report schätzen Menschen in Zeitarbeit ihren Gesundheitszustand und ihre Arbeitsbedingungen tatsächlich weniger gut ein als Menschen in regulären Beschäftigungsverhältnissen. In einem Fragebogen zur Erhebung spezifischer psychischer Belastungen der Zeitarbeit identifizierten die Experten als wesentliche Einflussfaktoren unter anderem die Einsatzplanung, die Gleichbehandlung und die soziale Unterstützung in Zeitarbeits- und Einsatzunternehmen. Hinzu kommen Leistungsdruck und mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. (maz-)