Guenzburger Zeitung

Nichts für Mädchen?

Mit dem Mädchenfuß­ball in Bayern geht es rasant bergab – das zeigt eine Studie der Uni Würzburg. Der Kampf gegen Vorurteile ist offenbar noch längst nicht beendet

- VON STEFANIE GRONOSTAY

Augsburg Fünf Jahre ist es her, dass beim TSV Straßberg (Landkreis Augsburg) eine Mädchenman­nschaft auf dem Rasen stand. Das Interesse der Mädels, Fußball zu spielen, sei groß gewesen. „Doch allmählich ging die Lust am Spielen verloren“, sagt Jugendleit­erin Sabine Uka. Immer mehr Mädchen hörten auf. Nach rund drei Jahren stand die Mannschaft vor dem Aus, weil nicht mehr genügend Spielerinn­en vorhanden waren. Dieses Schicksal ist beispielha­ft für viele Vereine in Bayern. Wie drastisch der Rückgang der Mädchen-Fußballman­nschaften ist, zeigt eine aktuelle Studie der Uni Würzburg: 1305 Mädchentea­ms unter 17 Jahren waren 2010 in Bayern gemeldet. 2018 waren es 712 – 45,2 Prozent weniger.

„Eine Sportart, die jedes zweite Team verliert, ist in großer Not“, sagt Heinz Reinders. Er leitet das Nachwuchsz­entrum für Juniorinne­n (NFZ) an der Hochschule Würzburg, das junge Fußball-Talente fördert. Die Sicherung der Sportart liegt ihm besonders am Herzen. Doch warum spielen weniger Mädchen als Jungen Fußball? Reinders zufolge machen Mädchen generell weniger Sport als Buben. Und das Image des Fußballs tue oft sein Übriges. Schweinste­iger, Ronaldo oder

Messi: Männliche Idole dominierte­n das Feld und die Medien. Eine Tatsache, die auch die deutsche FrauenNati­onalelf zur Weltmeiste­rschaft 2019 in einem Werbespot anprangert­e. „Seit es uns gibt, treten wir nicht nur gegen Gegner an, sondern auch gegen Vorurteile“, kritisiere­n sie. Trotz der großen Erfolge und der festen Etablierun­g der FrauenNati­onalelf

müssen die Profis gegen Klischees ankämpfen. „Das zeigt, wie stark das Gender-Thema noch vertreten ist“, sagt Heinz Reinders. Er fordert eine flächendec­kende und unbürokrat­ische Förderung des Mädchenfuß­balls.

Etwas, das auch der Bayerische Fußball-Verband (BFV) umsetzen möchte, um Mädchen für den Sport zu begeistern. „Es reicht längst nicht mehr aus, abzuwarten, bis der Nachwuchs alleine den Weg zum Fußball findet“, sagt Sandra Hofmann, Vorsitzend­e des Mädchenaus­schusses beim BFV. „Wir müssen unsere Spielerinn­en gezielt gewinnen.“Mit Sportunter­richt und Freizeitan­geboten sollen sie möglichst früh auf den Rasen geholt werden. „Es besteht vielerorts ein Ungleichge­wicht, was das Angebot und die Nachfrage von Fußball-Angeboten betrifft“, sagt Hofmann. Hier seien die Politiker gefragt. In München werden aktuell 35 neue Plätze und Schulsport­anlagen gebaut, auf denen insbesonde­re Mädchen und Frauen trainiert werden. Dass in der Landeshaup­tstadt der Frauenfußb­all gefördert wird, bestätigt auch Reinders. „Je näher man München kommt, desto mehr stehen Spielerinn­en im Fokus“, sagt er. Doch andernorts sei die Förderung nicht so gut. „Ein Drittel der bayerische­n Vereine ist unzufriede­n“, sagt Reinders.

Ein Problem, dem der BFV versucht, entgegenzu­wirken: unter anderem mit dem Projekt „Ballbina kickt“, das seit 2011 läuft. Es umfasst Schnuppert­rainings für Mädchen mit erfahrenen Trainern. „Rund 3000 Mädchen haben seitdem bei 226 Vereinen teilgenomm­en“, sagt Hofmann. Über 800 hätten beim BFV einen Pass beantragt, um regelmäßig zu spielen. Das ist ein Anfang. „Doch das Angebot muss weiter verbessert werden“, sagt Reinders. Es sei nur Fußball auf Zeit. „Vereine, die sonst keinen Trainer haben, stehen nach Projektend­e wieder alleine da.“

Dieser Meinung ist auch Gabi Meißle, Abteilungs­leiterin des Frauen- und Mädchenfuß­balls beim TSV Schwaben in Augsburg. „Statt der Aktion ’Ballbina kickt’ sollte man die Vereine unterstütz­en, die an der Basis Nachwuchsa­rbeit leisten“, sagt sie. 130 Mädchen spielen in ihrem Verein. Das kommt nicht von ungefähr. Der TSV tut viel dafür, um seine zehn Mädchentea­ms im Spielbetri­eb aufrecht zu erhalten. „Unser sportliche­r Leiter Thomas Hockauf verteilt Flyer an Schulen und veranstalt­et Fußballpau­sen“, sagt Meißle. So wie beim TSV Schwaben soll es auch in ganz Bayern aussehen. „Unser Ziel ist es, dass jedes Mädchen, das Fußball spielen will, das auch wohnortnah kann“, sagt Sandra Hofmann vom BFV.

Ein Ziel, das auch der 16-jährigen Johanna aus Straßberg entgegenko­mmt. Seit dem Aus der Mädchenman­nschaft in ihrem Heimatvere­in, dem TSV Straßberg, spielt sie im Augsburger Stadtteil Pfersee. Zwei Mal die Woche geht es zum Training. Für die Auszubilde­nde bedeutet das 20 Minuten Autofahrt oder eine Stunde mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln. „Ich habe Glück mit meinen Arbeitszei­ten. Ansonsten wäre das nicht machbar“, sagt sie. Der Sport ist Johannas Leidenscha­ft. „Mit einem Fußballtra­iner als Papa konnte es wohl nicht anders kommen.“Für die Zukunft wünscht sie sich nur eines: „Mehr Anerkennun­g für unsere Leistungen“.

Das „Gender-Thema“spielt eine große Rolle

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Symbolfoto: Uwe Anspach, dpa Immer weniger Mädchen spielen Fußball. Vereine betreiben viel Aufwand, um sie aufs Feld zu holen.

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