Nichts für Mädchen?
Mit dem Mädchenfußball in Bayern geht es rasant bergab – das zeigt eine Studie der Uni Würzburg. Der Kampf gegen Vorurteile ist offenbar noch längst nicht beendet
Augsburg Fünf Jahre ist es her, dass beim TSV Straßberg (Landkreis Augsburg) eine Mädchenmannschaft auf dem Rasen stand. Das Interesse der Mädels, Fußball zu spielen, sei groß gewesen. „Doch allmählich ging die Lust am Spielen verloren“, sagt Jugendleiterin Sabine Uka. Immer mehr Mädchen hörten auf. Nach rund drei Jahren stand die Mannschaft vor dem Aus, weil nicht mehr genügend Spielerinnen vorhanden waren. Dieses Schicksal ist beispielhaft für viele Vereine in Bayern. Wie drastisch der Rückgang der Mädchen-Fußballmannschaften ist, zeigt eine aktuelle Studie der Uni Würzburg: 1305 Mädchenteams unter 17 Jahren waren 2010 in Bayern gemeldet. 2018 waren es 712 – 45,2 Prozent weniger.
„Eine Sportart, die jedes zweite Team verliert, ist in großer Not“, sagt Heinz Reinders. Er leitet das Nachwuchszentrum für Juniorinnen (NFZ) an der Hochschule Würzburg, das junge Fußball-Talente fördert. Die Sicherung der Sportart liegt ihm besonders am Herzen. Doch warum spielen weniger Mädchen als Jungen Fußball? Reinders zufolge machen Mädchen generell weniger Sport als Buben. Und das Image des Fußballs tue oft sein Übriges. Schweinsteiger, Ronaldo oder
Messi: Männliche Idole dominierten das Feld und die Medien. Eine Tatsache, die auch die deutsche FrauenNationalelf zur Weltmeisterschaft 2019 in einem Werbespot anprangerte. „Seit es uns gibt, treten wir nicht nur gegen Gegner an, sondern auch gegen Vorurteile“, kritisieren sie. Trotz der großen Erfolge und der festen Etablierung der FrauenNationalelf
müssen die Profis gegen Klischees ankämpfen. „Das zeigt, wie stark das Gender-Thema noch vertreten ist“, sagt Heinz Reinders. Er fordert eine flächendeckende und unbürokratische Förderung des Mädchenfußballs.
Etwas, das auch der Bayerische Fußball-Verband (BFV) umsetzen möchte, um Mädchen für den Sport zu begeistern. „Es reicht längst nicht mehr aus, abzuwarten, bis der Nachwuchs alleine den Weg zum Fußball findet“, sagt Sandra Hofmann, Vorsitzende des Mädchenausschusses beim BFV. „Wir müssen unsere Spielerinnen gezielt gewinnen.“Mit Sportunterricht und Freizeitangeboten sollen sie möglichst früh auf den Rasen geholt werden. „Es besteht vielerorts ein Ungleichgewicht, was das Angebot und die Nachfrage von Fußball-Angeboten betrifft“, sagt Hofmann. Hier seien die Politiker gefragt. In München werden aktuell 35 neue Plätze und Schulsportanlagen gebaut, auf denen insbesondere Mädchen und Frauen trainiert werden. Dass in der Landeshauptstadt der Frauenfußball gefördert wird, bestätigt auch Reinders. „Je näher man München kommt, desto mehr stehen Spielerinnen im Fokus“, sagt er. Doch andernorts sei die Förderung nicht so gut. „Ein Drittel der bayerischen Vereine ist unzufrieden“, sagt Reinders.
Ein Problem, dem der BFV versucht, entgegenzuwirken: unter anderem mit dem Projekt „Ballbina kickt“, das seit 2011 läuft. Es umfasst Schnuppertrainings für Mädchen mit erfahrenen Trainern. „Rund 3000 Mädchen haben seitdem bei 226 Vereinen teilgenommen“, sagt Hofmann. Über 800 hätten beim BFV einen Pass beantragt, um regelmäßig zu spielen. Das ist ein Anfang. „Doch das Angebot muss weiter verbessert werden“, sagt Reinders. Es sei nur Fußball auf Zeit. „Vereine, die sonst keinen Trainer haben, stehen nach Projektende wieder alleine da.“
Dieser Meinung ist auch Gabi Meißle, Abteilungsleiterin des Frauen- und Mädchenfußballs beim TSV Schwaben in Augsburg. „Statt der Aktion ’Ballbina kickt’ sollte man die Vereine unterstützen, die an der Basis Nachwuchsarbeit leisten“, sagt sie. 130 Mädchen spielen in ihrem Verein. Das kommt nicht von ungefähr. Der TSV tut viel dafür, um seine zehn Mädchenteams im Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. „Unser sportlicher Leiter Thomas Hockauf verteilt Flyer an Schulen und veranstaltet Fußballpausen“, sagt Meißle. So wie beim TSV Schwaben soll es auch in ganz Bayern aussehen. „Unser Ziel ist es, dass jedes Mädchen, das Fußball spielen will, das auch wohnortnah kann“, sagt Sandra Hofmann vom BFV.
Ein Ziel, das auch der 16-jährigen Johanna aus Straßberg entgegenkommt. Seit dem Aus der Mädchenmannschaft in ihrem Heimatverein, dem TSV Straßberg, spielt sie im Augsburger Stadtteil Pfersee. Zwei Mal die Woche geht es zum Training. Für die Auszubildende bedeutet das 20 Minuten Autofahrt oder eine Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln. „Ich habe Glück mit meinen Arbeitszeiten. Ansonsten wäre das nicht machbar“, sagt sie. Der Sport ist Johannas Leidenschaft. „Mit einem Fußballtrainer als Papa konnte es wohl nicht anders kommen.“Für die Zukunft wünscht sie sich nur eines: „Mehr Anerkennung für unsere Leistungen“.
Das „Gender-Thema“spielt eine große Rolle