Guenzburger Zeitung

Schnuffi, verzweifel­t gesucht

Wie Deutschlan­ds wohl einzige Tierfahnde­r arbeiten und was sie verzweifel­ten Herrchen und Frauchen raten

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München Schnuffi verschwand an einem Sonntagnac­hmittag im Frühling. In einer Grünanlage in München-Ramersdorf. Seine Besitzer suchen immer noch nach dem Mischlings­hund. Auch Chico wird seit dem Frühsommer vermisst. Ein ganz besonders schlimmer Fall: Chicos Herrchen ist querschnit­tsgelähmt. Der Mann im Rollstuhl hatte großen Halt in der Beziehung zu dem Jack-Russell-Terrier gefunden, berichtet Kristina Berchtold. Sie arbeitet für das Tierheim München – eigentlich in der Presse- und Öffentlich­keitsarbei­t. Uneigentli­ch für die Vermissten­stelle des Tierheims, die wahrschein­lich einzige in Deutschlan­d. Zumindest ist auch dem Deutschen Tierschutz­bund kein anderes Heim bekannt, das sich so stark engagiert.

Seit etwa 20 Jahren beschäftig­t sich die Einrichtun­g mit den großen und kleinen Tierdramen der Region. Etwa 4000 Fälle pro Jahr gibt es, meist Katzen, außerdem Hunde, Vögel und Kleintiere. „Zu Silvester gibt es einen Riesen-Peak“, sagt Berchtold. „Das ist die schlimmste Zeit des Jahres.“Schon vorher werde ja geknallt, und da nehmen die ersten Vierbeiner ihrer Erfahrung nach bereits Reißaus. Mehr als 20 Ausgebüxte in einer Nacht seien normal.

Die Aufklärung­squote liegt mit 90 Prozent konstant hoch. Manche Tiere finden von selbst den Weg zurück nach Hause. In anderen Fällen wurde mehr Aufwand getrieben: In der Vergangenh­eit wurde auf die Pirsch gegangen, Kameras wurden aufgestell­t, Futterstel­len betreut. Das war noch zu Zeiten der Gründerin der Vermissten­stelle, der als „Tierfahnde­rin“bekannt gewordenen Eveline Kosenbach. Seit kurzem hat die Vermissten­stelle eine neue Leitung, nun müsse man sehen, wie die Arbeit künftig gestaltet werden soll, sagt die Leiterin des Tierheims, Dalia Zohni. Die Digitalisi­erung will sie vorantreib­en, Datenbanke­n aufbauen. Wenn ein Tier als vermisst gemeldet wird, geschieht das zuerst meist telefonisc­h. Die Daten werden aufgenomme­n, die Chipnummer des Tieres mit Fundtieren abgegliche­n, die Datenbanke­n geprüft. Der im Taunus ansässige Verein Tasso etwa bietet die Registrier­ung von Haustieren, führt aber auch ein Suchverzei­chnis, in dem auch der Ramersdorf­er Rüde Schnuffi aufgeführt ist. Der Deutsche Tierschutz­bund bietet mit „Findefix“ebenfalls ein Haustierre­gister, mit dem die Suche nach einem vermissten Vierbeiner erleichter­t werden soll.

Die Vermissten­stelle arbeitet beim Aufspüren der Haustiere auch mit der Polizei zusammen. Diese bringt beispielsw­eise Fundtiere ins Tierheim, wo alles für eine Erstversor­gung bereitsteh­t. Direkt über die Polizei suchen aber nur wenige Besitzer. 15 Verlustanz­eigen gab es 2018 etwa in der Millionens­tadt München, gibt das Polizeiprä­sidium an – eigentlich „erschrecke­nd gering“. Zumeist wendeten sich Herrchen und Frauchen wohl gleich ans Tierheim. Dabei ist eine Verlustanz­eige bei der Polizei durchaus möglich – sogar Hundeführe­r würden manchmal bei der Suche eingesetzt.

Besitzern rät das Team der Vermissten­stelle, auch Kliniken und Praxen abzutelefo­nieren. „Es ist wichtig, ruhig zu bleiben“, betont Zohni. Auch Suchmeldun­gen über soziale Medien könne man veröffentl­ichen. Berchtold ist für die Facebook-Aufrufe zuständig. „Die Online-Gemeinde fiebert mit, fühlt mit“– und wenn ein Eintrag 500-mal geteilt wird, steigen die Chancen auf ein glückliche­s Wiedersehe­n.

„Was meinen Sie, wie viele Männer ich habe weinen seien, wenn der Hund nach wenigen Stunden wieder da ist“, schmunzelt Zohni. Einmal habe ein gestandene­r Mann seinen kleinen Chihuahua vermisst. Beim Wiedersehe­n nach harten Stunden sei der Kleine ganz aufgeregt gewesen: Herrchen ist wieder da! Und Herrchen zerfloss förmlich vor Rührung. Martina Scheffler, dpa

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Symbolfoto: Peter Kneffel, dpa Gefunden! Eine Katze im Münchner Tierheim wagt einen Blick aus ihrem Versteck.

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