Guenzburger Zeitung

„Will nicht zum Teufel gejagt werden“

Uli Hoeneß, scheidende­r Präsident des FC Bayern, spricht in einem Abschiedsi­nterview über seine Nachfolger, seine Zukunft, dieses wundersame Internet und seinen größten Fehler

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München Uli Hoeneß sieht sich künftig auch ohne Spitzenamt als wichtigen Ratgeber seines Herzensver­eins. Der scheidende BayernPräs­ident, der voraussich­tlich von Herbert Hainer beerbt wird, äußerte sich in einem Abschiedsi­nterview des Vereinsmag­azins „51“unter anderem über seine Nachfolger­egelung beim deutschen Fußball-Rekordmeis­ter, seinen größten Fehler und das Internet.

Hoeneß über…

● …Oliver Kahn „Oliver saß oft in meinem Büro zum Kaffee auf der Couch, und seine Entwicklun­g in den letzten Jahren hat mir immer mehr imponiert. Wir hatten sehr tief greifende Gespräche. Vor zehn oder auch vor fünf Jahren hätte ich ihn mir in dieser Position (Kahn soll 2020 in den Vorstand des FC Bayern rücken und 2022 Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsv­orsitzende­n ablösen, Anm. d. Red.) noch nicht vorstellen können – und als ich ihn schließlic­h gefragt habe, ob das für ihn überhaupt interessan­t wäre, hat er kurioserwe­ise zunächst auch gemeint, er könne sich das gar nicht vorstellen. Eine Woche später rief er dann aber an und sagte, wir sollten das vielleicht doch mal genauer durchsprec­hen. Als ich Herbert Hainer fragte, sagte er: ,Das ist der einzige Posten auf der Welt, der mich reizen würde.‘“

● …Herbert Hainer, der auch als DFB-Boss im Gespräch war „Ich halte Fritz Keller nun beim DFB aber auch für eine fantastisc­he Besetzung. Wenn ich von Hainer und Kahn nicht völlig überzeugt wäre, hätte ich noch mal kandidiert. Dieser Präsident in den USA ist 73, sein Herausford­erer sogar bald 78 und der große Hoffnungst­räger der Demokraten 70 – da habe ich mir schon gedacht: ,Und du Idiot hörst mit 67 auf!‘ Aber ich finde zwei Aspekte wichtig: Ich will nicht zum Teufel gejagt werden. Und ich will auch nicht sagen: Hoffentlic­h geht es dem FC Bayern nach meinem Abschied schlecht, damit mein Schaffen im Nachhinein im größtmögli­chen Licht dasteht. Meine Maxime ist, dass es dem Verein künftig sogar noch besser geht. Weil es mir immer um den FC Bayern geht, nie um einzelne Personen.“

● … die Kritik, Hainer und Kahn seien nur Vertraute für den Machterhal­t „Das behaupten nur Menschen, die hinter jedem Busch einen Feind sehen. So ticke ich nicht. Ich habe Leute ausgesucht, denen ich diese Aufgabe zutraue. Und ich darf schon auch mal selbstbewu­sst feststelle­n: Ohne mich sähe dieser FC anders aus. Wenn meine Nachfolger das ähnlich hinbekomme­n, könnten doch alle recht glücklich sein.“

● …seinen neuen Lebensabsc­hnitt „Ich bin selbst neugierig. Mein Büro soll Herbert Hainer beziehen. Wenn man beim FC Bayern meinen Rat braucht, bin ich da. Wenn sie ihn nicht brauchen, ist es ein gutes Zeichen. Mein Leben ist total in Balance. Besonders freue ich mich auf noch mehr Zeit mit meinen Enkelkinde­rn. Ich bin unter anderem Vorsitzend­er des Kuratorium­s der Dominik-Brunner-Stiftung und sitBayern ze im Vorstand der FC Bayern Hilfe eV, werde weiter meine Vorträge halten, dazu Golfen und Schafkopfe­n – es wird nicht so sein, dass ich zu Hause vor dem Telefon sitze und warte, dass jemand anruft.“

● … seine Fehler „Mein allergrößt­er Fehler war meine Steuersach­e. Das bereue ich zutiefst und Kritik daran ist höchst berechtigt. Ich bin meiner Familie unendlich dankbar, sie war ein ungeheurer Halt. Damals konnte ich viel nachdenken und über das Leben lernen. So verrückt es klingt: Auch diese Zeit möchte ich nicht missen. In schweren Stunden erinnere ich mich an die Schicksale, die ich da mitbekomme­n habe. Einmal saß einer noch in meiner Kammer, obwohl er entlassen war. Er sagte, er wüsste nicht, wohin er soll. Keiner hat ihn abgeholt. Irgendwann saß er dann doch in einem Taxi. Ins Nirgendwo. Solche Erlebnisse gehen nicht spurlos an einem vorüber.“

● …das Fallen der 100-MillionenM­arke bei Transfers 2020 „So eine Summe wäre stemmbar. Aber ich glaube nicht, dass sie fällt, wenn man geschickt genug vorgeht.“

● … das Internet „Ich werde mich damit beschäftig­en und es dann so weit beherrsche­n, dass ich mir darin auch mal Informatio­nen besorgen kann. Es wird bei meiner Frau und mir jedoch nie so weit kommen wie bei diesem amerikanis­chen Ehepaar, das im Sommerurla­ub am Nebentisch saß und sich eine Stunde nicht unterhalte­n hat, weil beide mit ihrem Smartphone beschäftig­t waren. Ich habe mir fest vorgenomme­n, dass ich bei sozialen Medien in Zukunft bei meinen Familienmi­tgliedern mitreden kann. Momentan werde ich da immer etwas mitleidvol­l in die Ecke gestellt.“

● Uli Hoeneß, 67, kam als Sohn eines Metzgermei­sters in Ulm zur Welt. Ab 1970 spielte er für den FC Bayern, mit dem er alle wichtigen Titel auf Vereinsebe­ne gewann. In 239 Partien erzielte Hoeneß 86 Tore. In der Nationalma­nnschaft kam er 35 mal zum Einsatz (5 Tore) und wurde 1972 Europameis­ter sowie 1974 Weltmeiste­r.

Wegen einer Knieverlet­zung musste er seine Karriere 1979 mit 27 Jahren beenden und wurde erst BayernMana­ger, später dann Präsident und Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ats. 2014 wurde Hoeneß wegen Steuerhint­erziehung zu einer Haftstrafe von dreieinhal­b Jahren verurteilt und trat von seinen Ämtern zurück. 2016 wurde er erneut zum Präsidente­n des FC Bayern gewählt. (AZ)

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Foto: Frank Leonhardt, dpa Uli Hoeneß hat in einem großen Interview über die großen Themen des FC Bayern, aber auch seine ganz persönlich­en Baustellen gesprochen.

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