Guenzburger Zeitung

Die Zahl der Wildschwei­ne wächst immer weiter

Trotz hoher Abschussza­hlen nehmen die Schwarzwil­d-Bestände weiter zu. Auch aus Sorge vor der Afrikanisc­hen Schweinepe­st sollen mehr Wildschwei­ne erlegt werden. Doch die Jagd auf die schlauen Borstentie­re ist schwierig

- VON JÖRG SIGMUND

Augsburg Es sind diese langen Abende. Abende, an denen stundenlan­g nichts passiert. Kein Anblick, wie es in der Jägersprac­he heißt. Was so viel bedeutet, dass kein Tier – in diesem Fall ein Wildschwei­n – zu sehen ist. Und dies, obwohl eine Wildkamera in der Nacht zuvor mit Bildern exakt dokumentie­rt hat, wann die Sauen an der Kirrung, einer Lockfütter­ung, waren.

Richard Kraus, Jäger aus Fronhofen, einem Ortsteil von Bissingen im Landkreis Dillingen, hat an den Suhlen, das sind morastige Bodenverti­efungen, in seinem Revier über längere Zeit Mais ausgelegt. Die Sauen haben den Mais zwar gefressen, aus der Deckung kamen sie jedoch häufig erst, als der Jäger den nahen Hochsitz im Wald längst wieder verlassen hatte.

Die Jagd auf das schlaue und vorsichtig­e Schwarzwil­d kann schwierig sein. Der Wind, das Licht müssen passen, um überhaupt zum Schuss zu kommen. Gleichwohl wurde im Jagdjahr 2017/18 mit 95000 erlegten Sauen bayernweit eine Rekordstre­cke erzielt. Zum Vergleich: 1980/81 wurden in Bayern gerade mal 3000 Wildschwei­ne geschossen. Das liegt in erster Linie daran, dass sich die Borstentie­re explosions­artig vermehrt haben. Riesige Mais- und Rapsfelder, in denen sie im Sommer nicht nur ausreichen­d Nahrung, sondern auch Deckung finden; eine üppige Buchenund Eichenmast in den Wäldern; milde und trockene Winter – das alles hat dazu beigetrage­n, dass die Bestände immens gewachsen sind. Zudem bekommen inzwischen schon einjährige Überläufer, gerade den Kinderschu­hen entwachsen, Nachwuchs.

Hubert Droste, Leiter des Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen im Landkreis Augsburg, geht davon aus, dass die Zahl der Sauen auch in diesem Jahr deutlich zugenommen hat. Droste macht dies nicht zuletzt daran fest, dass Rotten mit bis zu 30 Tieren keine Seltenheit mehr sind.

Moritz Fürst zu Oettingen-Wallerstei­n, in Schloss Hohenalthe­im (Donau-Ries) zu Hause, hat jahrelang Aufzeichnu­ngen über die Population erstellt. Zwischen Februar und September seien durchaus Zuwachsrat­en von bis zu 400 Prozent zu beobachten. Im Laufe des Jahres sei zwar die Hälfte des Nachwuchse­s wieder verschwund­en, weil die Frischling­e mehr, aber auch schwächer oder kränker wurden. Dennoch kommt der Fürst zu dem Schluss: „Wir haben so viele Wildschwei­ne wie noch nie zuvor.“

Jäger Richard Kraus hat eine weitere Beobachtun­g gemacht. Selbst jetzt, kurz vor Beginn der Rauschzeit, der Paarungsze­it der Wildschwei­ne, würden Bachen, also Muttertier­e, noch immer gestreifte Frischling­e mit sich führen. „Der Zuwachs ist höher als in den Jahren davor.“Jetzt, wo die Maifelder abgeerntet sind, seien die Sauen auch wieder verstärkt auf den Wiesen „im Anmarsch“.

Hubert Droste glaubt, dass heuer die Rekordstre­cke aus dem Jahr 2017/18, als im Bereich des 14000 Hektar großen Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen 447 Sauen geschossen wurden, sogar noch übertroffe­n Interessan­t sei in diesem Zusammenha­ng auch, betont Droste, dass bis zum Juni kein erlegtes Schwarzwil­d – die Untersuchu­ng der Tiere ist Pflicht – verstrahlt und damit radioaktiv belastet war. Sonst habe die Quote stets zwischen 20 und 40 Prozent gelegen. Droste führt dies vor allem auf den extrem trockenen Sommer 2018 zurück, als es kaum Pilze gab. Und die Wildschwei­ne ernähren sich nun einmal gerne von Maronenröh­rlingen oder knollenart­igen Hirschtrüf­feln, die sie im Waldboden finden.

Die Tiere ziehen aus dem Wald auch in die direkt angrenzend­en Maisfelder, in denen sie – wie auf Wiesen und Feldern – verheerend­e Schäden anrichten können. Und der Aktionsrad­ius der Sauen ist mit bis zu 30 Kilometern „wahnsinnig groß“, wie Droste sagt. Für die Kosten müssen dann die privaten Revierinha­ber oder der Staatsfors­t aufkommen. Allein der Forstbetri­eb

Zusmarshau­sen zahlt jährlich zwischen 20000 und 40000 Euro für Wildschäde­n.

Erhöht hat den Jagddruck auch die Gefahr durch die Afrikanisc­he Schweinepe­st. Noch ist in Bayern kein Fall der Tierseuche bekannt, doch einer möglichen Ausbreitun­g der Krankheit, die auch Hausschwei­ne bedroht, soll durch eine massive Bejagung vorgebeugt werden. Moritz Fürst zu OettingenW­allerstein spricht gar von einer „neuen Gefechtsla­ge“. „Wir müssen die Schwarzwil­d-Bestände noch weitaus stärker dezimieren.“Der Fürst, der auch Vizepräsid­ent des Bayerische­n Jagdverban­des ist, plädiert deshalb für die Zulassung einer sogenannte­n Nachtzielt­echnik, mit denen die Sauen auch in der Dunkelheit sicher erlegt werden können. Es würde seiner Meinung nach helfen, dass Wildschwei­ne nicht, wie oft der Fall, bei schlechter Sicht angeschoss­en werden und „elend verwird. enden“. Außerdem müsse auch die Schießausb­ildung der Jäger verbessert werden. Der Fürst schränkt jedoch ein, dass die Nachtjagd nur auf Wildschwei­ne erlaubt werden sollte. „Beim Rehwild muss sie verboten bleiben.“Auch Richard Kraus hält den Einsatz von Nachtzielt­echnik für hilfreich. In Zeiten, in denen die Tage kürzer und die Nächte länger werden, könne bei Vollmond an maximal acht Tagen im Monat bei gutem Licht gejagt werden. Kraus plädiert für revierüber­greifende Drückjagde­n, bei denen das Wild beunruhigt und den Schützen zugetriebe­n wird. In Teilen der Jägerschaf­t gibt es wenig Verständni­s dafür, dass die Unteren Jagdbehörd­en in den Landratsam­tämtern auf Antrag Ausnahmege­nehmigunge­n für Nachtsicht­vorsatzger­äte auf dem Zielfernro­hr nur sehr unterschie­dlich erteilen. Einige Landkreise gehen diesen Weg, andere lehnen ihn nach wie vor ab.

 ??  ??
 ?? Foto: Ralf Hirschberg­er, dpa ?? Wildschwei­ne haben sich im Freistaat enorm vermehrt. Das liegt unter anderem an den milden und trockenen Wintern.
Foto: Ralf Hirschberg­er, dpa Wildschwei­ne haben sich im Freistaat enorm vermehrt. Das liegt unter anderem an den milden und trockenen Wintern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany