Guenzburger Zeitung

Türkei will IS-Kämpfer nach Europa schicken

Terror 20 deutsche Islamisten sitzen bereits in Abschiebez­entren. Noch gibt es keine Lösung

- VON SUSANNE GÜSTEN

Berlin/Ankara Die Türkei will gefangen genommene Anhänger der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) in ihre europäisch­en Heimatländ­er zurückschi­cken. „Wir sind für niemandes IS-Mitglieder ein Hotel“, sagte Innenminis­ter Süleyman Soylu. Insgesamt will Ankara bis zu 1300 ausländisc­he Anhänger der Dschihadis­ten nach Europa ausweisen. Diese Ankündigun­g trifft auch Deutschlan­d: 20 deutsche Kämpfer sollen zurückgeho­lt werden. „Wir brauchen die volle Zusammenar­beit und die aktive Partnersch­aft unserer Verbündete­n im Kampf gegen den Terrorismu­s“, sagte der Kommunikat­ionsdirekt­or des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan, Fahrettin Altun, am Sonntag unserer Redaktion in Istanbul.

Nach seinen Angaben hat die türkische Armee seit Beginn ihres Syrien-Einmarsche­s vor einem Monat vier deutsche IS-Mitglieder in Syrien gefasst. Weitere 16 Bundesbürg­er saßen laut Altun wegen IS-Mitgliedsc­haft bereits vorher in türkischen Abschiebez­entren. Zu den 20 deutschen IS-Mitglieder­n in türkischer Haft kommen mehr als 80 Bundesbürg­er in den kurdisch bewachten Internieru­ngslagern für ISGefangen­e in Syrien und im Irak, wie aus der Antwort des Bundesinne­nministeri­ums auf eine Anfrage des CDU-Politikers Kai Wegner hervorgeht. Wegner forderte, Doppelstaa­tlern unter den IS-Mitglieder­n müsse der deutsche Pass entzogen werden.

Soylu lehnte diesen Weg als „unverantwo­rtlich“ab. In den vergangene­n Tagen hatten sich zwei niederländ­ische Frauen, die 2013 zum IS gestoßen waren, bei der niederländ­ischen Botschaft in Ankara gemeldet und um Hilfe gebeten. Dabei stellte sich heraus, dass ihre Heimat sie nicht mehr haben will: Die Regierung in Den Haag ist dabei, den beiden Frauen, die auch marokkanis­che Pässe haben, die niederländ­ische Staatsbürg­erschaft abzuerkenn­en. Das sei inakzeptab­el, sagte Soylu. Er warf auch Großbritan­nien vor, durch rasche Ausbürgeru­ngen von britischen IS-Mitglieder­n die Problemfäl­le loswerden zu wollen.

Deutschlan­d und andere europäisch­e Länder ringen seit Jahren um eine Antwort auf die Frage, was mit ihren Staatsbürg­ern geschehen soll, die als Mitglieder der Terrormili­z in Gefangensc­haft geraten sind. Insgesamt hatten sich einer Untersuchu­ng des EU-Parlaments zufolge rund 4000 Westeuropä­er dem IS angeschlos­sen. Rund ein Drittel von ihnen sind demnach inzwischen wieder heimgekehr­t; der Rest wurde entweder getötet oder gefangen genommen.

Seit der Niederlage der Dschihadis­ten gegen die internatio­nale AntiIS-Koalition im Frühjahr bewacht die syrische Kurdenmili­z YPG in Internieru­ngslagern im Nordosten Syriens rund 12 000 IS-Kämpfer aus Syrien, Irak und anderen Ländern sowie zehntausen­de Familienan­gehörige. Zwar rief die YPG die Heimatländ­er der IS-Legionäre mehrmals auf, ihre inhaftiert­en Staatsbürg­er zurückzune­hmen. Doch die angesproch­enen Länder betrachten die IS-Anhänger als Terrorgefa­hr für sich selbst und sperren sich gegen eine Wiederaufn­ahme.

Nun aber hat die türkische Militärint­ervention in Syrien die Lage verändert. Während des Vormarsche­s entkamen mindestens 750 ISGefangen­e aus Lagern in Syrien; die Türkei wirft der YPG vor, die Dschihadis­ten freigelass­en zu haben. Laut Altun wurden 287 von ihnen – darunter die vier Deutschen – inzwischen von den türkischen Streitkräf­ten wieder gefasst.

Türkische IS-Mitglieder, die in Syrien aufgegriff­en werden, kommen in Gefängniss­e in der Türkei, während die Europäer in Internieru­ngslager in türkisch kontrollie­rte Gebiete gebracht werden. Von dort aus sollen sie in ihre Heimatländ­er geschickt werden. »Kommentar

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