Guenzburger Zeitung

Aus einer Ladesäule sollen 50 werden

Im Kanzleramt trifft am Montagaben­d die Bundesregi­erung auf die Autokonzer­ne. Das Ziel: Das Netz für E-Wagen soll ausgebaut werden. Darüber hinaus gibt es viel Streit

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Dichtmache­n, Kürzen, Sparen – beinahe im Wochentakt kommen aus Deutschlan­ds wichtigste­r Industrie die Hiobsbotsc­haften. Die großen Konzerne versuchen die Kosten zu drücken, wo es geht. Ihnen macht die sinkende Nachfrage weltweit und der größte technische Umbruch seit Erfindung des Verbrennun­gsmotors zu schaffen. Eine erfolgsver­wöhnte Branche steht unter Druck. Die großen Zulieferer Weber Automotive und Eisenmann sind schon in die Pleite gerutscht. Der Jobabbau summiert sich bisher auf 50000 Stellen, wie der Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r ausgerechn­et hat.

Vor dieser Kulisse kommen am Montagaben­d die Spitzen der Bundesregi­erung mit den Vertretern der Autoindust­rie zusammen. Mit dem Klimapaket hat die Politik den Unternehme­n eine schwere Bürde aufgeladen. Im Jahr 2030 müssen sieben bis zehn Millionen Elektro-Autos auf Deutschlan­ds Straßen unterwegs sein, damit der Ausstoß von Kohlendiox­id im Verkehrsse­ktor wie geplant zurückgeht. Das Kabinett will dem wichtigste­n Sektor der deutschen Wirtschaft helfen, dieses Ziel zu erreichen. Mit Staatsgeld soll das Ladenetz für E-Wagen massiv ausgeweite­t werden.

Die selbstgest­eckten Ziele sind brutal ehrgeizig. Während es heute hierzuland­e 21 000 öffentlich­e Ladepunkte gibt, sollen es 2030 schon eine Million sein. Das ist beinahe eine Verfünfzig­fachung. Damit es nicht bei Ankündigun­gen bleibt, wird das Verkehrsmi­nisterium noch in diesem Jahr eine „Leitstelle Ladeinfras­truktur“gründen. Das geht aus dem Masterplan Elektromob­ilität hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Die Leitstelle soll die Arbeit von Bund, Ländern und Kommunen beim Zubau der Ladesäulen koordinier­en. Der Bund ist bereit, das Netz dort zu bezahlen, wo es sich wirtschaft­lich nicht rechnet. „Insbesonde­re für letztere Standorte ist zunächst eine Finanzieru­ng durch die öffentlich­e Hand notwendig“, heißt es in dem Papier. Eine Summe wird nicht genannt.

Dem Masterplan zufolge werden Tankstelle­n die Auflage bekommen, Ladesäulen anzubieten. Außerdem wird das Verkehrsmi­nisterium bis zum Frühjahr ein Konzept erarbeiten, wie Supermarkt-Parkplätze zu Ladestatio­nen gemacht werden können.

Dass das Netz von den Autofahrer­n als viel zu weitmaschi­g wahrgenomm­en wird, ist einer der Hauptgründ­e, weshalb E-Autos nach wie vor ein Nischendas­ein fristen. Bei 45 Millionen Pkw hierzuland­e sind es nach den Zahlen der Bundesregi­erung gerade einmal 220 000 E-Fahrzeuge. Für die Grünen ist klar, wer den Rückstand zu verantwort­en hat. „Dass wir in Sachen Ladeinfras­truktur bisher nicht richtig vom Fleck kommen, ist eine Folge der Verdrängun­gspolitik à la Andreas Scheuer, bei der Technologi­eoffenheit Synonym ist für Nichtstun“, sagt der Grünen-Politiker Cem Özdemir unserer Redaktion. Er ist Vorsitzend­er des Verkehrsau­sschusses des Bundestage­s. Der prominente Abgeordnet­e wollte vor kurzem Fraktionsc­hef der Grünen werden, scheiterte aber mit seiner Kandidatur. Von der Runde im Kanzleramt verlangt er die schrittwei­se Abschaffun­g des geringeren Steuersatz­es für Diesel sowie eine völlig überarbeit­ete Kfz-Steuer. Schwere Spritschlu­cker sollten deutlich mehr kosten, während E-Autos und sparsame Modelle zu bevorzugen seien. „Auf dem Gipfel erwarte ich von der Kanzlerin eine klare Ansage Richtung E-Mobilität beim PKW“, fordert Özdemir.

Die Autoindust­rie betrachtet den Aufbau des Ladenetzes nicht als ihre Kernaufgab­e. Das will sie anderen Wirtschaft­szweigen, wie den Energiever­sorgern, überlassen. Hersteller und Zulieferer haben zwar über 5000 Ladepunkte bei ihren Werken errichtet, diese sind aber nicht öffentlich. Dennoch lassen die Unternehme­n kaum eine Gelegenhei­t aus, um den Rückstand zu beklagen. Während die Forderung nach mehr Ladesäulen die Branche eint, wird sie innerlich von schweren Kämpfen erschütter­t. Dass VW öffentlich­keitswirks­am voll auf Elektro setzt und die Brennstoff­zelle in der Debatte abfällt, sorgt für Ärger bei BMW und Daimler. Die Ermittlung­en im Autokartel­l belasten die Stimmung zwischen den großen Drei zusätzlich. VW und Daimler haben wegen der Preisabspr­achen ausgepackt und wollen als Kronzeugen straffrei aus dem Verfahren gehen. In München sehen sich die Chefs als die Gekniffene­n. Der technologi­sche Wandel sorgt außerdem dafür, dass zehntausen­de Stellen in der Motorenfer­tigung überflüssi­g werden.

 ?? Foto: Stafen Sauer, dpa ?? Vorbildlic­he Elektro-Tankstelle: Diese Rastanlage an der A20 in Mecklenbur­g-Vorpommern ist mit Schnelllad­esäulen und CCSLadeste­ckern ausgestatt­et, die deutlich verkürzte Ladezeiten erlauben.
Foto: Stafen Sauer, dpa Vorbildlic­he Elektro-Tankstelle: Diese Rastanlage an der A20 in Mecklenbur­g-Vorpommern ist mit Schnelllad­esäulen und CCSLadeste­ckern ausgestatt­et, die deutlich verkürzte Ladezeiten erlauben.

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