Was ist der Seehofer-Plan wert?
Noch immer hakt es bei der Aufnahme von Migranten
Berlin/Brüssel Horst Seehofer scheut sich nicht vor großen Worten. Nachdem er sich im September mit seinen Kollegen aus Frankreich, Italien und Malta auf ein Verfahren bei der Seenotrettung geeinigt hatte, rief er nicht weniger als eine „Bewährungsprobe für die Europäische Union“aus. Und weil bei dem Thema zuvor monatelang nichts vorangegangen war, befand der deutsche Innenminister (CSU), die Bewährungsprobe sei zumindest fürs Erste bestanden. „Jetzt müssen wir schauen, dass wir das in den nächsten Monaten bestätigen.“
Sechs Wochen ist das am Montag her – ist seitdem tatsächlich etwas vorangegangen? Die jüngsten Fälle der Seenotrettung lassen daran zumindest Zweifel aufkommen. Dabei war die Malta-Einigung vom 23. September ohnehin nicht mehr als der kleinste gemeinsame Nenner von vier Staaten mit disparaten Interessen. Malta, Italien und Frankreich waren nicht bereit, feste Quoten zuzusagen, aus dem Kreis der EU schloss sich bislang kein weiteres Land öffentlich der Vereinbarung an. Staaten wie Irland, Portugal und Luxemburg hatten sich zuvor allerdings immer wieder an der Aufnahme von Bootsmigranten beteiligt – nur eben von Fall zu Fall und nicht nach fester Quote.
Denn politisch ist das Thema für fast jede Regierung brisant. Auch Seehofer hat die Malta-Vereinbarung heftigen Ärger in der Heimat eingebracht, vor allem in der Union. Dabei geht es nur um einen sehr kleinen Teil der Migranten, die nach Europa gelangen – nämlich jene, die auf dem zentralen Mittelmeer gerettet werden. Seehofer verweist stets auf die sehr überschaubaren Zahlen: Von Juni 2018 bis Mitte Oktober 2019 kamen nicht einmal 230 Bootsmigranten nach Deutschland.
Der große Gewinn der Malta-Einigung sollte sein, dass Rettungsschiffe mit Migranten an Bord nicht mehr tage- und wochenlang warten müssen, bis Malta und Italien ihnen einen sicheren Hafen zuweisen. Doch dann rettete die „Ocean Viking“am 18. Oktober 104 Menschen vor der libyschen Küste – und wartete und wartete und wartete. Erst nach zwölf Tagen wiesen die italienischen Behörden dem Schiff am Dienstag einen sicheren Hafen zu. Ähnlich erging es der deutschen „Alan Kurdi“, die am 26. Oktober 88 Migranten gerettet hatte. Erst gut eine Woche später durfte das Schiff am Sonntag in Tarent (Süditalien) anlegen. Deutschland und Frankreich wollen offenbar 60 Migranten der „Alan Kurdi“aufnehmen, Portugal fünf und Irland zwei. Die restlichen 21 blieben in Italien, hieß es. In Sizilien gingen am Sonntag zudem rund 150 Migranten an Land, die vor Libyen vom italienischen Frachter „Asso Trenta“aufgenommen worden waren.