So schmeckte der Osten
Statt Pizza kam Krusta auf den Tisch. Und der Hamburger war eine Grilletta. Auch in kulinarischer Hinsicht hat sich die DDR abgeschottet. Was davon geblieben ist
Potsdam Vorurteile gegen Essen in der DDR gibt es auch 30 Jahre nach dem Mauerfall noch. Soljanka, Broiler oder Würzfleisch – noch immer sorgt die eine oder andere Speise für Naserümpfen. Doch war das Essen in der DDR tatsächlich so schlecht und einfallslos wie sein Ruf? Und was heißt schon typisch ostdeutsch?
„Eine wirklich eigene DDR-Küche hat es nicht gegeben“, sagt Stefan Wolle, wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums in Berlin. Es sei zu wenig Obst und frisches Gemüse im Angebot gewesen. Das sei mit viel Kartoffeln, Nudeln und fetten Soßen ausgeglichen worden. „Es herrschte keine Not, aber Mangel an verschiedenen Dingen.“
Sternekoch Robin Pietsch aus Wernigerode in Sachsen-Anhalt muss lachen, wenn er heute ans OstEssen denkt. „Als erstes fällt mir die Banane ein, die es eigentlich nicht gab“, sagt er. Pietsch ist zwar Jahrgang 1988. Aber die Kochgewohnheiten hielten sich über den Mauerfall hinaus. Sparsam, saisonal und regional sei in seiner Familie gekocht worden, sagt er. „Ich erzähle immer gerne von der Möhrensuppe meiner Oma. Die ist total köstlich, reichhaltig und preiswert.“Auf jeden Fall war diese Prägung nicht von Nachteil: Der Gault-Millau kürte Pietsch 2018 zum Aufsteiger des Jahres in Sachsen-Anhalt.
Kochen vor dem Mauerfall bedeutete im Osten oft Improvisation, viel Organisationstalent und langes Anstehen in Geschäften angesichts von Versorgungsengpässen bei bestimmten Lebensmitteln, berichtet der Thüringer Kochbuchautor und Inhaber einer Kochschule, Herbert Frauenberger („Ostdeutsche Gerichte mit Geschichte(n)“). Es habe aber natürlich niemand hungern müssen.
Zubereitet wurden meist Produkte, die in der DDR erzeugt wurden oder in den eigenen Gärten wuchsen, berichtet Frauenberger, Jahrgang 1952. Er freue sich, dass heute wieder mehr einfache und dennoch schmackhafte Speisen im Blick stünden. Heimische Produkte kämen ohne viel Schnickschnack aus.
„Meine Mutter hat den geilsten Käsekuchen gebacken“, erzählt die Erfurter Spitzenköchin Maria Groß. Das sei ein ganz billiges Rezept, mit Magermark und ganz viel Speiseöl. „Das schmeckt aber so, wie Quarkkuchen schmecken soll. Nicht mit viel Eischnee und solchem Plunder, es musste ja auch schnell gehen.“2013 erhielt Groß den ersten Michelin-Stern und wurde Deutschlands jüngste Sterne-Köchin. Inzwischen ist sie auch im Fernsehen präsent.
Auch der Teammanager der Deutschen Köche-Nationalmanschaft, Ronny Pietzner aus Brandenburg, lobt die Künste seiner Großmutter: „Für mich war die Oma die größte Köchin aller Zeiten. Warum? Sie hat aus wenig viel gemacht, aus begrenzten Möglichkeiten unheimlich viel herausgeholt.“Von ihr habe er gelernt, die einfachsten Dinge so zu kochen, dass sie wahnsinnig lecker schmeckten, erzählt er. Ein Schmorkohl könne etwas sehr Feines sein – wie auch Grüne Klöße mit Speckstippe.
Rezepte lieferte das Buch „Wir kochen gut“des Verlags für die Frau, das in fast jedem DDR-Haushalt zu finden war. Erstmals 1979 erschienen, aktuell in der 41. Auflage bereits mehrere Millionen Mal gedruckt. Lieblingsrezepte waren Eierkuchen, Rouladen oder Soljanka. „Wir wagen zu behaupten, dass diese Gerichte in ostdeutschen Haushalten heute fast alle noch so wie im Buch zubereitet werden“, sagt Sprecherin Susann Jaensch.
„Die Rezepte funktionierten, waren meist sehr kostensparend und effizient“, erinnert sich Sterneköchin Groß, die noch ein Exemplar im Schrank hat. Aber eher aus Nostalgiegründen, sagt sie. Verklären mag die Erfurterin die DDR-Gerichte nicht. Denkt sie an ein Gericht in DDR-Gaststätten, graust es sie: Paniertes Kotelett, dazu Mischgemüse aus dem Glas. „Echt teuflisch und ein typisches Zonen-Essen.“Gudrun Janicke, dpa