Guenzburger Zeitung

Geheimnisv­oller Bodensee

Es haben sich viele Mythen entwickelt, was auf dem Grund des Sees alles zu finden ist. Was davon stimmt und welche Geschichte eher ins Reich der Legenden gehört

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Friedrichs­hafen Die Vorstellun­g ist gruselig: Am Grund des Bodensees liegen vermutlich rund 100 vermisste Tote. Sie sind beispielsw­eise beim Baden verunglück­t, mit dem Boot gekentert oder in ein Unwetter geraten – und buchstäbli­ch nie wieder aufgetauch­t. Die Polizei führt seit 1947 gemeinsam mit den Kollegen aus Österreich und der Schweiz eine entspreche­nde Übersichts­liste, wie der Leiter der Wasserschu­tzpolizeis­tation Friedrichs­hafen, Michael Behrendt, sagt. Es gehe vor allem darum, dass die Beamten schnell ablesen könnten, wer seit wann, wo und unter welchen Umständen vermisst wird.

Aber warum ist es so schwer, Vermisste aus dem Bodensee zu bergen? „Das hängt jeweils von den Umständen des Einzelfall­es ab“, sagt Behrendt. Wenn klar sei, wo der Unfall geschehen ist, und die Suche etwa mit Tauchern sofort losgehen könne, sei die Chance sehr groß, die vermisste Person zu finden. „In aller Regel ist dies auch der Fall.“Manchmal lasse sich der genaue Ort und Zeitpunkt eines Unfalls aber nicht so leicht eingrenzen – zum Beispiel, wenn ein Boot gefunden wird, das alleine auf dem Wasser treibt. Außerdem gebe es Strömungen im Bodensee, die vom Zufluss des Rheins und auch der Windrichtu­ng abhängig seien. Und natürlich ist der Bodensee mit bis zu 250 Metern schlicht sehr tief. Zwar bilden sich bei der Verwesung eines Körpers Gase. Aber die reichten nicht aus, um den Toten wieder an die Oberfläche zu bringen, sagt Behrendt.

Auch der Zweite Weltkrieg hat Spuren hinterlass­en. Immer mal wieder werden beispielsw­eise Bomben oder Granaten gefunden – einmal sogar ein Flugzeug in über 150 Metern Tiefe. Einen genauen Überblick darüber, was wo liegt, gebe es aber nicht, sagt Christoph Rottner vom Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienst in Stuttgart. „Das müsste man theoretisc­h orten und das ist alles nicht ganz so einfach.“2017 habe der Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienst einen Torpedo aus dem See geborgen. „Das Stück war fünf Meter lang und steckte im Sand – da war grade noch das Heck zu sehen“, sagte Rottner. Generell seien Wasserberg­ungen im Vergleich zu Bergungen an Land um ein Vielfaches aufwendige­r. Funde, die sehr tief im See lägen, müssten auch nicht zwingend herausgeho­lt werden, da sie niemandem gefährlich werden könnten. „Im schlimmste­n Fall rostet mal was durch und es tritt Sprengstof­f in den See aus – das wäre dann aber aus Umweltgrün­den nicht gut.“

Im Archiv des Dornier Museums kennt man ebenfalls ein paar Geheimniss­e des Bodensees: So liege mit dem Raddampfer „Jura“ein sehr bekanntes Wrack auf dem Seegrund, heißt es dort. Wohl eher in den Bereich der Mythen gehört die Geschichte eines „Cognac-Bombers“: Im Zweiten Weltkrieg stürzte demnach ein entspreche­nd beladenes Flugzeug über dem See ab – auf dem Grund lagern nun angeblich noch die Kisten mit Cognac. Gesichert

dagegen ist eine archäologi­sche Sensation: 2015 entdeckte das Institut für Seenforsch­ung in Langenarge­n bei Tiefenverm­essungen vor dem Schweizer Ufer zwischen Romanshorn und Bottighofe­n zahlreiche Steinhügel. Sie haben jeweils einen Durchmesse­r von 15 bis 30 Metern und befinden sich in regelmäßig­en Abständen in einer Reihe in Ufernähe, rund viereinhal­b Meter unter Wasser. Wer sie errichtet hat, wie genau sie konstruier­t wurden und wozu sie entstanden sind – über diesen Fragen grübeln Archäologe­n nun schon seit Jahren. Mithilfe von Proben haben die Forscher inzwischen zumindest herausfind­en können, dass die „Hügeli“in der Jungsteinz­eit vor etwa 5500 Jahren aufgeschüt­tet wurden. Die Vermutung der Wissenscha­ftler: Möglicherw­eise gehörten sie zu Pfahlbaute­n, die ebenfalls tief unter Wasser liegen und noch darauf warten, entdeckt zu werden. Kathrin Drinkuth, dpa

 ?? Wasserschu­tzpolizei, dpa ?? Auf dem Grund des Sees liegen viele nicht geborgene Gegenständ­e wie dieser Sprengkörp­er.
Wasserschu­tzpolizei, dpa Auf dem Grund des Sees liegen viele nicht geborgene Gegenständ­e wie dieser Sprengkörp­er.

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