Guenzburger Zeitung

Beschäftig­te der Uniklinike­n streiken

In Ulm demonstrie­ren rund 250 Frauen und Männer für bessere Bedingunge­n. Sie machen den Arbeitgebe­rn einen schweren Vorwurf

- VON SEBASTIAN MAYR

Ulm Eine Zulage von 200 Euro für Pflegekräf­te und fünf Prozent mehr Gehalt – gestaffelt über drei Jahre. Ein Angebot, das die Forderunge­n der Gewerkscha­ft weitgehend erfüllt, sagen die Arbeitgebe­r um den Ulmer Professor Udo X. Kaisers zu ihrem Vorschlag für den neuen Tarifvertr­ag mit den Beschäftig­ten an den baden-württember­gischen Uniklinike­n. Die sehen das anders – und demonstrie­ren am Montagvorm­ittag im Ulmer Weinhof sowie in Freiburg und Tübingen. Am heutigen Dienstag, wenn die Tarifverha­ndlungen fortgeführ­t werden, soll der Streik in Heidelberg weitergehe­n. Dass die Beschäftig­ten direkt vor dieser dritten Gesprächsr­unde ihre Arbeit niederlege­n, sei nicht nachvollzi­ehbar, kritisiert Tanja Kotlorz, die Sprecherin der Ulmer Uniklinik. Die Arbeitsgem­einschaft der vier Universitä­tskliniken im Land betont vor den Verhandlun­gen zudem, ein weiteres Entgegenko­mmen sei nicht möglich. Die Finanzlage an den Uniklinike­n sei angespannt, das Defizit liege 2019 im zweistelli­gen Millionenb­ereich. Gleichzeit­ig sei die Vergütung schon Jahren spürbar höher als im öffentlich­en Dienst.

Viele Beschäftig­te des Ulmer Unikliniku­ms treffen sich am Montagmorg­en vor der Kinderklin­ik am Michelsber­g und ziehen dann durch die Stadt bis zum Weinhof. „Es kommt nicht auf die Verpackung an, sondern darauf, was drin ist“, ruft Martin Groß, der Landesbezi­rksleiter der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi, bei der Kundgebung dort ins Mikrofon. Rund 250 Streikende antworten mit einem Pfeifkonze­rt. „Wir sind alle gleich viel wert“, steht auf dem größten Plakat, das die Ulmer Uni-Beschäftig­ten mitgebrach­t haben.

Um diese Botschaft dreht sich einer der wesentlich­en Kritikpunk­te von Verdi. Die Gewerkscha­ft wirft den Arbeitgebe­rn vor, die Belegschaf­t spalten zu wollen. Denn die Gehälter sollen nach dem Entwurf der vier baden-württember­gischen Uniklinike­n nicht bei allen Klinikmita­rbeitern gleicherma­ßen steigen. Verdi-Mann Groß warnt in Ulm vor einer Drei-Klassen-Gesellscha­ft und vor internem Streit, wer das etwas größere Stück vom Kuchen bekommt. Dabei sei es doch gerade in Kliniken unverzicht­bar, dass alle mit Hirn, Herz und Hand zusammenar­beiteten.

Franziska Aurich macht eine Ausbildung zur Gesundheit­s- und Krankenpfl­egerin. Sie würde vom Angebot der Arbeitgebe­r profitiere­n – andere Auszubilde­nde, zum Beispiel zum medizinisc­h-technische­n Assistente­n (MTA) oder zur Logopädin, aber nicht. „Ich bin auch aus Solidaritä­t hier“, sagt Aurich. Ein anderer Punkt betrifft sie selbst: Verdi fordert für die Lehrlinge fünf freie Lerntage zur Vorbereitu­ng auf ihre Prüfungen. „Wenn man 100 Prozent auf Station arbeitet, setzt man sich nach dem Frühdienst nicht auch noch hin, um zu lernen“, sagt sie. Deswegen gehe der Urlaub fürs Lernen drauf. Aurich ärgert sich auch über die Arbeitgebe­r, die vier baden-württember­gischen Universitä­tskliniken. Deren Mitteilung­en, man erfülle die wesentlich­en Forderunge­n der Gewerkscha­ft, seien schlicht falsch. Eine weitere Forderung, auf die die Uniklinike­n laut Verdi-Mann Martin Groß überseit haupt nicht eingegange­n sind, sind Zuschläge für das Arbeiten zu unangenehm­en Zeiten. Und die insgesamt fünf Prozent mehr Gehalt über drei Jahre seien ohnehin viel zu wenig – Verdi hatte acht Prozent in eineinhalb Jahren gefordert.

Ab dem heutigen Dienstag gehen die Verhandlun­gen zwischen der Gewerkscha­ft und den vier badenwürtt­embergisch­en Uniklinike­n in Stuttgart weiter. Die Kundgebung am Montag ist Teil eines Warnstreik­s: Teile der Beschäftig­ten und der Auszubilde­nden an der Uniklinik haben mit Beginn des Frühdienst­s ihre Arbeit niedergele­gt. An der Ulmer Uniklinik steht nur ein Notdienst für eventuelle Notfälle bereit und auf den Stationen kümmert sich eine Mindestbes­etzung um die pflegerisc­he Versorgung. Das haben Verdi und das Klinikum vereinbart. Am Oberen Eselsberg sind laut Klinikspre­cherin Tanja Kotlorz drei Operations­säle geöffnet, neun bleiben geschlosse­n. Eine Situation ähnlich wie an einem Wochenendt­ag. Am Michelsber­g sehe es ähnlich aus. Die medizinisc­he Versorgung von Notfällen sei immer sichergest­ellt gewesen, betont Kotlorz.

Am Oberen Eselsberg bleiben neun OP-Säle geschlosse­n

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