Beschäftigte der Unikliniken streiken
In Ulm demonstrieren rund 250 Frauen und Männer für bessere Bedingungen. Sie machen den Arbeitgebern einen schweren Vorwurf
Ulm Eine Zulage von 200 Euro für Pflegekräfte und fünf Prozent mehr Gehalt – gestaffelt über drei Jahre. Ein Angebot, das die Forderungen der Gewerkschaft weitgehend erfüllt, sagen die Arbeitgeber um den Ulmer Professor Udo X. Kaisers zu ihrem Vorschlag für den neuen Tarifvertrag mit den Beschäftigten an den baden-württembergischen Unikliniken. Die sehen das anders – und demonstrieren am Montagvormittag im Ulmer Weinhof sowie in Freiburg und Tübingen. Am heutigen Dienstag, wenn die Tarifverhandlungen fortgeführt werden, soll der Streik in Heidelberg weitergehen. Dass die Beschäftigten direkt vor dieser dritten Gesprächsrunde ihre Arbeit niederlegen, sei nicht nachvollziehbar, kritisiert Tanja Kotlorz, die Sprecherin der Ulmer Uniklinik. Die Arbeitsgemeinschaft der vier Universitätskliniken im Land betont vor den Verhandlungen zudem, ein weiteres Entgegenkommen sei nicht möglich. Die Finanzlage an den Unikliniken sei angespannt, das Defizit liege 2019 im zweistelligen Millionenbereich. Gleichzeitig sei die Vergütung schon Jahren spürbar höher als im öffentlichen Dienst.
Viele Beschäftigte des Ulmer Uniklinikums treffen sich am Montagmorgen vor der Kinderklinik am Michelsberg und ziehen dann durch die Stadt bis zum Weinhof. „Es kommt nicht auf die Verpackung an, sondern darauf, was drin ist“, ruft Martin Groß, der Landesbezirksleiter der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, bei der Kundgebung dort ins Mikrofon. Rund 250 Streikende antworten mit einem Pfeifkonzert. „Wir sind alle gleich viel wert“, steht auf dem größten Plakat, das die Ulmer Uni-Beschäftigten mitgebracht haben.
Um diese Botschaft dreht sich einer der wesentlichen Kritikpunkte von Verdi. Die Gewerkschaft wirft den Arbeitgebern vor, die Belegschaft spalten zu wollen. Denn die Gehälter sollen nach dem Entwurf der vier baden-württembergischen Unikliniken nicht bei allen Klinikmitarbeitern gleichermaßen steigen. Verdi-Mann Groß warnt in Ulm vor einer Drei-Klassen-Gesellschaft und vor internem Streit, wer das etwas größere Stück vom Kuchen bekommt. Dabei sei es doch gerade in Kliniken unverzichtbar, dass alle mit Hirn, Herz und Hand zusammenarbeiteten.
Franziska Aurich macht eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Sie würde vom Angebot der Arbeitgeber profitieren – andere Auszubildende, zum Beispiel zum medizinisch-technischen Assistenten (MTA) oder zur Logopädin, aber nicht. „Ich bin auch aus Solidarität hier“, sagt Aurich. Ein anderer Punkt betrifft sie selbst: Verdi fordert für die Lehrlinge fünf freie Lerntage zur Vorbereitung auf ihre Prüfungen. „Wenn man 100 Prozent auf Station arbeitet, setzt man sich nach dem Frühdienst nicht auch noch hin, um zu lernen“, sagt sie. Deswegen gehe der Urlaub fürs Lernen drauf. Aurich ärgert sich auch über die Arbeitgeber, die vier baden-württembergischen Universitätskliniken. Deren Mitteilungen, man erfülle die wesentlichen Forderungen der Gewerkschaft, seien schlicht falsch. Eine weitere Forderung, auf die die Unikliniken laut Verdi-Mann Martin Groß überseit haupt nicht eingegangen sind, sind Zuschläge für das Arbeiten zu unangenehmen Zeiten. Und die insgesamt fünf Prozent mehr Gehalt über drei Jahre seien ohnehin viel zu wenig – Verdi hatte acht Prozent in eineinhalb Jahren gefordert.
Ab dem heutigen Dienstag gehen die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und den vier badenwürttembergischen Unikliniken in Stuttgart weiter. Die Kundgebung am Montag ist Teil eines Warnstreiks: Teile der Beschäftigten und der Auszubildenden an der Uniklinik haben mit Beginn des Frühdiensts ihre Arbeit niedergelegt. An der Ulmer Uniklinik steht nur ein Notdienst für eventuelle Notfälle bereit und auf den Stationen kümmert sich eine Mindestbesetzung um die pflegerische Versorgung. Das haben Verdi und das Klinikum vereinbart. Am Oberen Eselsberg sind laut Kliniksprecherin Tanja Kotlorz drei Operationssäle geöffnet, neun bleiben geschlossen. Eine Situation ähnlich wie an einem Wochenendtag. Am Michelsberg sehe es ähnlich aus. Die medizinische Versorgung von Notfällen sei immer sichergestellt gewesen, betont Kotlorz.
Am Oberen Eselsberg bleiben neun OP-Säle geschlossen