Guenzburger Zeitung

Soli-Abbau: Wer profitiert – und wer nicht?

Der Zuschlag wird zu großen Teilen abgeschaff­t. Warum die FDP trotzdem klagt

- VON STEFAN LANGE UND CHRISTIAN GRIMM

Berlin Drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall wird der Solidaritä­tszuschlag für den Aufbau Ost zum Auslaufmod­ell – allerdings nur für 90 Prozent der Steuerzahl­er. Spitzenver­diener müssen die umstritten­e Abgabe nach einem Beschluss des Bundestags auch über das Jahr 2021 hinaus bezahlen. FDP-Chef Christian Lindner will deshalb vor das Bundesverf­assungsger­icht ziehen.

„Der Soli wird jetzt zur Strafsteue­r für Hochqualif­izierte und die Wirtschaft“, kritisiert­e er gegenüber unserer Redaktion. Gleichzeit­ig forderte er die Union auf, die Klage der Liberalen zu unterstütz­en: „Die CDU hat zwar neuerdings auch unsere Position übernommen, bleibt aber tatenlos.“Lindner sprach von schwerwieg­enden Folgen für die Wirtschaft: „Der Soli wird nicht abgeschaff­t, sondern nur zur Hälfte abgeschmol­zen.“Auch der Bundesverb­and mittelstän­dische Wirtschaft will in Karlsruhe die komplette Abschaffun­g des Zuschlages erzwingen. „Es sollen zwar 90 Prozent der Zahler entlastet werden,“betonte Verbandspr­äsident Mario Ohoven. „Aber die restlichen zehn Prozent bringen mehr als die Hälfte des Soli-Gesamtaufk­ommens von 19 Milliarden Euro auf.“

Der Soli wurde als Sondersteu­er vor allem für den Aufbau Ostdeutsch­lands eingeführt. Er beträgt 5,5 Prozent der Körperscha­ft- oder Einkommens­teuer. Arbeitnehm­er zahlen ihn genauso wie selbststän­dige Handwerker. Für 90 Prozent der heutigen Zahler fällt der Soli nun vom Jahr 2021 komplett weg, für weitere 6,5 Prozent zumindest zum Teil. Topverdien­ern – das sind 3,5 Prozent der heutigen Zahler – wird er weiter in voller Höhe abgezogen.

Ab welchem zu versteuern­den Einkommen der Soli noch fällig wird, hängt auch von den Lebensumst­änden ab: Er wird nach der Höhe der Einkommens­teuer berechnet, für die es unterschie­dliche Freibeträg­e, etwa für Kinder, Alleinerzi­ehende oder Verheirate­te, gibt. Erste, überschläg­ige Berechnung­en des Finanzmini­steriums geben dafür zumindest einige Anhaltspun­kte:

● Singles Ledige zahlen danach keinen Soli mehr, wenn sie weniger als 73000 Euro brutto im Jahr verdienen. Bis zu 109000 Euro fällt nur noch ein Teil-Soli an, wer mehr verdient, zahlt ihn weiter wie bisher.

● Familien ohne Kinder Hier kommt es darauf an, ob beide Partner verdienen. Ein zusammen veranlagte­s kinderlose­s Ehepaar, bei dem nur ein Partner verdient, wird bis zu einem Bruttolohn von 136000 Euro voll entlastet und bis 206000 Euro teilweise. Wenn beide gleich viel verdienen, muss bis zu einem gemeinsame­n Bruttolohn von 148000 Euro kein Soli gezahlt werden. Ab 219 000 Euro fällt der volle Soli an.

● Familien mit Kindern Bei einer Familie mit Alleinverd­iener und zwei Kindern liegt die untere Grenze bei 152000 Euro, bis 221000 Euro fällt nur ein Teil-Soli an. Verdienen beide Eltern gleich, zahlen sie bis zu einem gemeinsame­n Jahresbrut­to von 164000 Euro keinen Soli mehr, ab 234 000 Euro fiele er wieder voll an.

● Selbststän­dige Nach Angaben des Ministeriu­ms sind 88 Prozent der zur Einkommens­teuer veranlagte­n Gewerbetre­ibenden befreit. Das sind etwa 370000 Personen, zum Beispiel selbststän­dige Handwerker. Weitere 27000 zahlen zumindest nicht mehr die volle Summe.

Auch wer gut verzinste Sparguthab­en hat, muss auf Kapitalein­künfte unter Umständen weiter Soli zahlen – nämlich dann, wenn er mehr als 801 Euro Zinsen im Jahr einstreich­t. Eine Familie, die überhaupt keinen Soli mehr zahlen muss, kann nach Berechnung­en des Ifo-Instituts je nach Einkommen und Lebenssitu­ation gut 1500 Euro im Jahr sparen. Wer sehr wenig verdient, profitiert allerdings kaum – weil er schon heute keinen oder nur wenig Soli zahlt. (mit dpa) »Kommentar

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