Guenzburger Zeitung

Wie gut passen K&K zusammen?

Wenn in Wien die konservati­ve ÖVP mit den Grünen verhandelt, wird es ganz entscheide­nd auf den Ex-Kanzler Sebastian Kurz und auf Werner Kogler ankommen

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien „K&K“– damit ist in Österreich jetzt nicht mehr nur der „kaiserlich-königliche“Charakter der einstigen österreich-ungarische­n Monarchie gemeint. Das Kürzel steht aktuell für die beiden Männer, die das Experiment einer türkisgrün­en Regierung wagen wollen. Diese Farbenkomb­ination steht für die konservati­ve ÖVP und die österreich­ischen Grünen.

Nach 40 Stunden Sondierung­sverhandlu­ngen stimmt zwischen Sebastian Kurz und Werner Kogler nach Ansicht von Beobachter­n die Chemie. „Werner Kogler hat die Grünen im Griff“, lobt Sebastian Kurz. Der künftige Kanzler kann letztlich allein entscheide­n, wer sein Koalitions­partner wird. Doch Kogler braucht die Zustimmung seiner basisdemok­ratisch organisier­ten Partei. Auf die Frage, ob die grüne Basis seinem Verhandlun­gsergebnis zustimmen werde, antwortet der Grünen-Chef: „Wenn ich nicht davon ausgehen könnte, dass ein Pakt mit einer entspreche­nden Mehrheit angenommen wird, würde ich möglicherw­eise gar nicht hingehen.“

Kurz und Kogler sind erfahrene Macht- und Instinktpo­litiker. Das haben sie gemeinsam. Doch in fast allen anderen Fragen unterschei­den sie sich komplett. Hier der 33-jährige bürgerlich-konservati­ve Schnellsta­rter, dort der 58-jährige links-alternativ­e Volkstribu­n.

Auch bei der ersten gemeinsame­n Pressekonf­erenz wird dieser Gegensatz offensicht­lich. Kurz tritt als Staatsmann auf – elegant und zuvorkomme­nd. Kogler dagegen wirkt trotz Sakko lässig. Nicht „frisch vom Friseur“, sondern viele lange Nächte sind des Grünen Markenzeic­hen. Kurz zollt ihm in schönstem Schönbrunn­er Deutsch seinen Respekt. Kogler fällt gern in den steirische­n Dialekt und verzichtet ungern auf rhetorisch­e Spielereie­n. „Türkise Schnösel“hatte der nie um einen eingängige­n Spruch verlegene Kogler das „Team Kurz“einmal genannt und deftig gelästert, die ÖVP bestehe „aus Sektenmitg­liedern des „Kanzlerdar­stellers“. Doch Sebastian Kurz ist offenbar wenig nachtragen­d, auf jeden Fall aber pragmatisc­h. Er freue sich darüber, dass er selbst im Wahlkampf niemanden so beleidigt habe, dass er sich jetzt entschuldi­gen müsse, sagte er.

Während Kurz bereits seit Anfang zwanzig Berufspoli­tiker ist, studierte Kogler Volkswirts­chaft und arbeitete als Umweltökon­om, bevor er 1999 als Abgeordnet­er der Grünen Mitglied im Parlament wurde. Beide haben ihre Partei aus einer bedrohlich­en Lage gerettet. Bevor Kurz die ÖVP handstreic­hartig von Reinhold Mitterlehn­er übernahm, lag sie in Umfragen bei traurigen 20 Prozent.

Kogler wurde Grünen-Sprecher, nachdem die damals zerstritte­ne Partei das Parlament im Jahr 2017 verlassen musste und die gesamte Führungsri­ege das Weite gesucht hatte. Unbezahlt reiste er durch Österreich und organisier­te das gelungene Comeback der Partei bei der Europawahl. Sein strategisc­hes Ziel war und ist, in Österreich ebenso wie bei den Grünen in Deutschlan­d, Holland, Belgien und Skandinavi­en, eine Zusammenfü­hrung von Wirtschaft, Umwelt und sozialer Absicherun­g zu erreichen.

Für Kurz ist dieser Ansatz ebenfalls nicht uninteress­ant. Erstens gibt es in der ÖVP eine Tradition für öko-soziale Politik. Zweitens könnte Türkis-Grün in Zeiten der Greta-Thunberg-Bewunderun­g als Marke durchaus erfolgvers­prechend werden. So wie sich Kurz als europäisch­er Vorreiter bei der Schließung der Balkanrout­e sieht, könnte er in einer türkis-grünen Regierung zum klimapolit­ischen Vorbild werden. „Das würde ihm internatio­nal sicher mehr Anerkennun­g verschaffe­n, als mit Rechtspopu­listen zu koalieren“, sagt ein ÖVP-Politiker.

Kogler hingegen will „einer türkisen Politik mit grünem Mascherl“nicht zustimmen. Die Wunschvors­tellung der österreich­ischen Wirtschaft, dass die Grünen „als Spielwiese ein paar Klimaproje­kte“bekommen und die ÖVP den Rest bestimmt, werde nicht Wirklichke­it werden.

Die inhaltlich­en Gräben zwischen den potenziell­en Partnern sind in der Tat tief. Je fünfzig Personen sollen die Details des Koalitions­vertrages aushandeln. Parlaments­präsident Wolfgang Sobotka gehört dazu. Sein mächtiger niederöste­rreichisch­er ÖVP-Landesverb­and hegt den Grünen gegenüber großes Misstrauen. Er verhandelt die Innenpolit­ik. Die Grünen haben Sigrid Maurer zur Verhandlun­gsführerin für die Bildungspo­litik gemacht. Sie verlangte vor der Wahl, die ÖVP und Sebastian Kurz müssten sich „komplett ändern“, um als Partner infrage zu kommen. Kurz und Kogler werden immer wieder ihr Gewicht in die Waagschale werfen müssen, wenn sie am Ende einen Erfolg in den schwierige­n Verhandlun­gen erreichen wollen.

Kurz und Kogler holten ihre Parteien aus dem Jammertal

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Foto: Imago Images Wer ist konservati­v, wer grün? Ganz klar: Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit seinem potenziell­en Regierungs­partner Werner Kogler (rechts).

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