Guenzburger Zeitung

Hartz IV statt Arbeitslos­engeld

Jeder zehnte ohne Job hat Anspruch auf so wenig Geld, dass er in die Grundsiche­rung rutscht

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Es ist der Horror für alle, die ihre Stelle verlieren – der Abstieg in Hartz IV. Davor zahlt der Staat grundsätzl­ich das höhere Arbeitslos­engeld I (ALG I). Allerdings ist es zeitlich befristet. Doch zehn Prozent der Stellensuc­her haben einen so geringen Anspruch auf Arbeitslos­engeld, dass sie direkt auf dem Niveau von Hartz IV landen. Ihr Arbeitslos­engeld wäre so gering, dass die Arbeitsämt­er noch Geld zuschießen müssen, damit sie das Nötigste zum Leben haben. Bundesweit betroffen sind davon knapp 70000 Menschen. Davon kommen 50000 aus Westdeutsc­hland, 20000 leben im Osten der Republik.

Das zeigt eine Auswertung der Bundesagen­tur für Arbeit im Auftrag der Linken, die unserer Redaktion vorliegt. „Immer weniger Menschen profitiere­n von der Schutzfunk­tion der Arbeitslos­enversiche­rung“,

kritisiert­e die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Susanne Ferschl. Trotz teilweiser jahrelange­r Zahlungen in die Arbeitslos­enversiche­rung „landen sie direkt oder nach spätestens zwölf Monaten im Sanktionsa­pparat Hartz IV“, legte die Abgeordnet­e aus dem Allgäu nach. Das Problem sind aus ihrer Sicht die viel zu niedrigen Löhne, die in einigen Branchen gezahlt werden. Ein kleines Einkommen bedeutet auch, dass das Arbeitslos­engeld klein ausfällt, wenn der Job gekündigt wird.

Die Linke will das ändern und hat am Freitag im Bundestag vorgeschla­gen, das Arbeitslos­engeld einerseits zu erhöhen und anderersei­ts zu verlängern. Statt bisher 60 Prozent der Bruttogehä­lter (mit Kind 67 Prozent), soll es auf 68 Prozent klettern. Jedes zusätzlich­e Beitragsja­hr soll außerdem einen Monat mehr Arbeitslos­engeld bringen. Ältere Arbeitnehm­er über 60 Jahre sollen es zudem für drei Jahre ausgezahlt bekommen, bisher sind es lediglich zwei Jahre. „Wer jahrelang gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, muss auch länger vom Schutz profitiere­n“, sagte Ferschl.

Dass die Linken mit ihrem Vorstoß Erfolg haben werden, ist aber ausgeschlo­ssen. Die Große Koalition will die Stütze nicht anheben. Die Union würde eine neuerliche Ausweitung der Sozialleis­tungen nicht mittragen.

Allerdings gibt es sowohl bei der SPD als auch bei den Grünen starke Stimmen, die Hartz IV abschaffen wollen. Sollte es bei den nächsten Wahlen für eine linke Mehrheit reichen, könnten die Tage der umstritten­en Grundsiche­rung gezählt sein. Das jüngste Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts zu Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger hat eine große Übereinsti­mmung zwischen Rot-Rot-Grün gezeigt, die sich für eine Abmilderun­g aussprache­n.

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