Guenzburger Zeitung

Im Training zu spät – 23 000 Euro

- VON JOHANNES GRAF joga@augsburger-allgemeine.de

Wer dieser Tage das Treiben auf und abseits der Fußballplä­tze beobachtet, dürfte sich mitunter in den Wilden Westen versetzt fühlen. Zügellos agieren die Akteure im emotionale­n Rausch. Harmlos erscheint noch das bockige Verhalten von Cristiano Ronaldo. Weil der portugiesi­sche Schönling sich ungern auswechsel­n lässt, verließ er noch vor Abpfiff der Begegnung mit dem AS Rom das Stadion. Fanden weder der Turiner Trainer noch die Mitspieler angemessen.

Handfester gingen hingegen die englischen Nationalsp­ieler Sterling und Gomez zu Werke. Schon während des Ligaspiels zwischen Manchester City und Liverpool gerieten die Testostero­nprotze aneinander. Als sich beide mit ihrer Länderausw­ahl trafen, läuteten sie die zweite Runde ein. In der Kantine verhindert­en Mitspieler Schlimmere­s, als Sterling Gomez von hinten am Nacken packte. Vollkommen ungehalten, wie ein wilder Stier, tobte Frankfurts Abraham, der den Freiburger Trainer Streich umrannte. Der Eindruck, der sich verfestigt: Fußballpro­fis können sich alles erlauben, Regeln interpreti­eren sie wie freischaff­ende Künstler.

Dass dem nicht so ist, beweisen die Strafenkat­aloge der Mannschaft­en. Das teamintern­e Regelwerk wird gemeinhin gehütet wie der Heilige Gral, umso mehr Aufsehen erregt es, wenn diese Interna das Kabineninn­ere verlassen. Vor einigen Jahren vergaßen Mitarbeite­r vor einer Stadionfüh­rung, die Liste in der FCA-Kabine abzuhängen. Unter anderem stand auf dem Zettel, dass Wildbiesle­r fürs Wasserlass­en in der Dusche 50 Euro berappen müssen. Dass dieser Betrag schwindend gering ist, verwundert mindestens so sehr wie die Tatsache, dass ein Profi überhaupt auf die Idee kommt, dieses Örtchen als Pissoir zu missbrauch­en.

Im Strafenkat­alog des FC Chelsea steht nichts von verbotenem Pinkeln. Interessan­t ist dennoch, was aufgeliste­t ist. Einmal mehr zeigt sich: Englische Millionäre treten in einer ganz anderen Liga gegen den Ball. Kostenpunk­t für ein klingelnde­s Handy während der Mannschaft­ssitzung oder des gemeinsame­n Essens: 1200 Euro. Ist ein Spieler krank oder verletzt und tut dies zu spät kund, schmerzen ihn zusätzlich die 11 700 Euro. Richtig teuer wird’s, wenn ein Profi zu spät zum Training erscheint. Umgerechne­t über 23 000 Euro Strafe sind dann fällig. Und: Wird nicht innerhalb von 14 Tagen bezahlt, verdoppelt sich die Strafe.

Wie viel Geld in einer Saison zusammenko­mmt, ist nicht überliefer­t. Es wird aber an eine Stiftung gespendet oder für Team-Aktivitäte­n verwendet. Gerüchtewe­ise sollen damit auch Zeitmanage­ment-Seminare, Knigge-Unterricht und Anti-Aggression­strainer bezahlt werden.

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