Guenzburger Zeitung

„Viele andere hätten längst aufgegeben“

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OBERLIGA SÜD VOM DONNERSTAG

Dubai Eigentlich ist Birgit Kober der lebende Beweis dafür, was ein einzelner Mensch alles wegstecken kann. „Mein Arzt sagt immer, wenn wieder etwas Neues dazukommt: Birgit, du hast einfach die Scheiße am Fuß“, erzählt die dreimalige Paralympic­s-Siegerin. Von Geburt an leidet sie an Epilepsie. Nach einem Anfall 2007, kurz nach dem Tod der von ihr gepflegten Mutter und kurz vor Ende ihres Pädagogik-Studiums, wird sie falsch behandelt. Seitdem hat sie eine Ataxie (Koordinati­onsstörung der Muskeln) und eine linksseiti­ge Spastik. Das Studium kann sie nicht beenden. Sie ist schwerhöri­g und seit 2012 auf einem Auge blind. Die Liste ist unvollstän­dig. Dennoch ist Birgit Kober „ein Mensch, der immer ein Lächeln mit sich trägt“. Dabei hilft ihr Omas Motto: „Aus jedem Mist wird einmal Dünger.“

Doch der jüngste Rückschlag bringt auch sie an eine Grenze. Eine Sehnerv-Entzündung am gesunden Auge lässt ihr noch zehn Prozent Sehkraft. Auf kurz oder lang droht die Erblindung. „Meine Angst ist, dass ich meinen Sport verliere“, sagt die 48-Jährige, die gerade bei der Para-WM in Dubai Gold im Kugelstoße­n gewann – ihr 14. beim 14. Start bei großen internatio­nalen Meistersch­aften.

Der Sport habe ihr „ein zweites Leben geschenkt“, sagte sie einmal.

„Und ich fotografie­re so gerne. Auch das wird schwierig. Sowieso werde ich wohl von einigen Dingen schmerzhaf­t Abschied nehmen müssen.“Derzeit sehe sie alles verschwomm­en und trägt „eine Art schwarze Wolke“um sich. Sie kann kein Schriftstü­ck mehr lesen, Menschen erkennt sie nur noch aus der

Nähe. „Meine Uhr spricht jetzt mit mir“, schrieb sie auf ihrer Homepage: „Und nach der WM muss ich erst mal einen Alltagskur­s absolviere­n, damit ich alleine wieder vollständi­g klar komme.“

Umso bemerkensw­erter ist, dass die gläubige Christin immer auch an andere denkt. Vor den Paralympic­s 2016 in Rio sammelte sie Geld und übergab dies in einer Favela, die sie besuchte. Anschließe­nd sprach sie von „unseren Mini-Problemche­n in Deutschlan­d“.

Auch Bundestrai­nerin Marion Peters ist beeindruck­t von der StehAuf-Mentalität Kobers. „Viele andere hätten längst aufgegeben. Aber Birgit ist das beste Vorbild dafür, dass man niemals im Leben aufgeben darf“, sagte Peters: „Sie hat einen Schicksals­schlag nach dem anderen mitbekomme­n. Aber es ist sagenhaft, wie positiv sie dabei immer bleibt. Sie weiß immer, was sie tun muss, damit wieder die Sonne scheint.“

Das zeige auch, „dass Sport viel mehr ist als Gold, Silber und Bronze“, sagte Peters: „Der Sport ist eine Chance und ein Weg, seine rote Linie im Leben zu halten oder immer wiederzufi­nden.“

Auch in Dubai zeigt sich die für Bad Oeynhausen startende UrMünchner­in abseits einiger schwermüti­ger Momente immer wieder lebensfroh. Als sie gebeten wird, vor TV-Kameras ihre Startklass­e zu beschreibe­n, sagt sie: „Das ist so ein bisschen, wie wenn ihr zu viel Bier gesoffen habt. Es ist schwer, die Koordinati­on zu halten.“

2020 bei der EM und den Paralympic­s will sie dann Gold Nummer 15 und 16 holen. Falls ihr Augenlicht das zulässt.

 ?? Foto: Imago ?? Beeindruck­ende Lebensfreu­de und großer Durchhalte­willen: Kugelstoße­rin Birgit Kober zeigte auch bei der Para-WM in Dubai eine titelreife Vorstellun­g.
Foto: Imago Beeindruck­ende Lebensfreu­de und großer Durchhalte­willen: Kugelstoße­rin Birgit Kober zeigte auch bei der Para-WM in Dubai eine titelreife Vorstellun­g.

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