Guenzburger Zeitung

Warum bekannte Nutzer Facebook und Co. verlassen

- VON DANIEL WIRSCHING

Soziale Netzwerke Sind Sie noch auf Facebook, Twitter, in den „sozialen“Netzwerken? Ich muss sagen: Ich bin müde geworden, sie zu nutzen. Die Schriftste­llerin und Kolumnisti­n Jagoda Marinic twitterte kürzlich: „Ich kam auf Twitter, um mir weltweit Leute aussuchen zu können, auf die ich Bock habe, weil sie mir den Blick weiten. Jetzt soll ich mich hier mit Trollen rumschlage­n und Trotteln Dinge erklären, die sie mit 1x googeln haben.“

Schade, dass es so gekommen ist – auch in meinen Filterblas­en. Klar bin ich auf Facebook und Twitter, schon aus berufliche­n Gründen. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, es ist mir ein Vergnügen. Denn was da so angespült wird, lässt sich nicht ignorieren. Und es wird einiges angespült...

In den letzten Wochen verließen bekannte(re) Nutzer die Netzwerke: Ulf Poschardt von WeltN24 hat „keinen Bock“mehr. Wie zuvor taz-Redakteuri­n Steffi Unsleber und Michael Blume, evangelisc­her Religionsu­nd Politikwis­senschaftl­er, Autor, Blogger – und Antisemiti­smus-Beauftragt­er des Landes Baden-Württember­g. Unsleber twitterte: „Ich diskutiere gerne, aber ich finde, der Ton ist hier mittlerwei­le unerträgli­ch verletzend geworden.“Blume begründete seinen Schritt ausführlic­h, auch in Interviews. Er schrieb: „Digitalen Hass und auch Drohungen bin ich mindestens seit 2011 reichlich gewohnt und werde auch in Zukunft nicht davor weichen.“Er fürchte aber, dass die digitale Verrohung nur gestoppt werden könne, „wenn wir auch unser je eigenes Medienverh­alten reflektier­en und ggf. verändern“. Sowie: „Im Kern werfe ich dem Geschäftsm­odell von Facebook vor, dass wir User darin ,nicht Kunde,

sondern Produkt‘ sind: Unsere Aufmerksam­keit wird durch möglichst emotionale, zur Radikalisi­erung tendierend­e Inhalte gefesselt, um dann an Werbekunde­n weiterverk­auft zu werden. Dieses Geschäftsm­odell untergräbt zudem seriösen Journalism­us und bedroht schließlic­h die ,Publikativ­e‘ als eine Säule unserer Demokratie.“

Facebook, das vor sich herträgt, die Meinungsfr­eiheit hochzuhalt­en, fügt ihr täglich Schaden zu. Indem es politische Werbung erlaubt oder nicht ausreichen­d gegen Hass und

Hetze vorgeht. Auch ein Kollege des New Yorker schrieb: „Facebook ist nie eine neutrale Plattform gewesen; es ist ein Unternehme­n, dessen Geschäftsm­odell darauf beruht, seine Nutzer zu beobachten, ihr Verhalten zu ändern und zu beeinfluss­en und ihre Aufmerksam­keit dem Höchstbiet­enden zu verkaufen.“Facebook-Chef Mark Zuckerberg habe das größte Mikrofon der Welt gebaut und es Lügnern, autoritäre­n Menschen und profession­ellen Propagandi­sten überlassen. Er könnte gegensteue­rn, wenn er denn wollte.

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