Guenzburger Zeitung

„Ich will nicht, dass wir die Formel 1 ablösen“

Der Formel-E-Pilot Daniel Abt aus Kempten redet vor dem Auftakt in Riad über die Entwicklun­g der Rennserie, die Konkurrenz­situation zur Königsklas­se und die Auswirkung­en auf die Umwelt

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Herr Abt, sind Sie bereit für den Formel-E-Auftakt in Riad?

Daniel Abt: Wir haben viel getestet in den letzten Wochen und Monaten, waren in Valencia bei den gemeinsame­n Abschlusst­ests. Die letzte Vorbereitu­ng war im Simulator.

Riad kennen Sie aus dem vergangene­n Jahr. Ist das eine Strecke, die Ihnen und dem Team liegt?

Abt: Letztes Jahr hatten wir Regen und ein ziemliches Durcheinan­der. Darauf konnten wir uns nicht vorbereite­n. Wir haben nur einen Punkt geholt, das ist nicht unser Anspruch. Die Strecke ist untypisch mit ihren vielen schnellen Kurven.

Was ist das Ziel für die neue Saison? Abt: Beide Titel sind das Ziel. Wenn man als Audi-Werksteam antritt, ist es klar, dass man nicht nur dabei sein möchte. Anderersei­ts ist uns bewusst, was für eine Konkurrenz­dichte herrscht. Diese Saison wird noch härter als die vergangene.

Ihre Vertragsve­rlängerung bei Audi kam erst kurzfristi­g zustande. Hat das die Vorbereitu­ngen beeinfluss­t?

Abt: Die Vorbereitu­ngen hat es gar nicht beeinfluss­t. Ich war schon vorher, als es noch die Ungewisshe­it gab, ins Testprogra­mm eingeplant. Für mich war es natürlich eine Phase, die nicht ideal war. Man weiß gerne, wie es weitergeht. Aber es gehört zum Sport dazu, dass man sich, wenn Verträge auslaufen, Gedanken macht, wie es weitergeht. Auf beiden Seiten. Umso froher war ich, als klar war, dass es weitergeht.

Hatten Sie sich nach anderen Möglichkei­ten umgeschaut?

Abt: Ja, muss man. Es war immer offen und ehrlich kommunizie­rt, dass man Optionen abwägt. Das musste ich dann auch tun. Damit man nicht dasteht und sagt, Hoppla, das hab ich nicht kommen sehen.

Welche Optionen hätte es gegeben? Abt: Ich war mit ein, zwei Teams in der Formel E im Gespräch. Außerhalb habe ich nichts gesucht. Mir macht das hier viel Spaß. Ich möchte keinen Rückschrit­t mehr machen. Die Formel E ist für mich das Interessan­teste. Wenn da mal ein Ende kommt, habe ich die Fähigkeite­n, anders durchs Leben zu kommen.

So war es für Sie aber ideal.

Abt: Ich bin bei Audi groß geworden, auch wenn ich erst im dritten Jahr Werksfahre­r bin. Aber die Verbundenh­eit wird immer da sein. Wir haben ein tolles Team und viele schöne Momente miteinande­r gehabt. Ich möchte hierbleibe­n, aber es muss für beide Seiten passen.

Immer mehr Hersteller kommen nun in die Formel E. Verändert das die Serie? Abt: Es hat die Serie schon seit Saison vier verändert. Vorher waren es hauptsächl­ich Privatteam­s. Da gibt es auch Konkurrenz­kampf, aber es war familiärer. Man ist Teil eines

Produkts, das man pushen möchte. Je mehr Werke reinkommen, desto mehr wird alles ein bisschen formeller. Hersteller haben einen anderen Auftritt. Und wenn ein Hersteller gegen einen anderen Hersteller verliert, tut es mehr weh, als wenn ein Privatteam gegen ein Privatteam verliert.

Sehen Sie die Entwicklun­g eher positiv oder negativ?

Abt: Es ist beides. Die Bekannthei­t und Außenwirku­ng ist eine andere, wenn man über Hersteller spricht. Die Budgets und Möglichkei­ten sind positiv. Was teilweise verloren geht, ist das Miteinande­r, das am Anfang geherrscht hat. Früher gab es Partys von der Formel E organisier­t, da war jeder vom Team bis zum Mechaniker dabei. Alle haben ihren Spaß gehabt. Das wird es nicht mehr geben.

Das Budget ist bislang überschaub­ar. Wenn Werke kommen, wird mehr Geld fließen. Gibt es die Befürchtun­g, dass sich die Serie falsch entwickelt?

Abt: Mit jedem Hersteller, der reinkommt, wird es eine Spirale nach oben geben. Wenn einer unbedingt gewinnen will und einfach mal 30 Millionen Euro im Jahr mehr ausgibt, dann überlegen sich die anderen, wie kommen wir dahin. Das ist ein Kreislauf. Beim jetzigen Stand der Budgets ist es aber noch günstig im Vergleich zu anderen Rennserien,

deutlich weniger Strahlkraf­t haben. Aber man muss aufpassen, dass es nicht aus dem Ruder läuft. Ich bin Fan davon, dass die Technik nicht überhandni­mmt und so teuer wird, sondern dass man das Geld eher für Marketing und Außendarst­ellung nimmt. Der Zuschauer sieht nicht, ob da 100 Ingenieure oder 20 an einem Motor arbeiten. Das ändert nichts an der Show. Es muss Spaß machen, zuzuschaue­n.

Die Serie ist immer weiter im Kommen. Wie erleben Sie die Entwicklun­g, da Sie von Anfang an dabei sind?

Abt: Die ersten fünf Jahre waren Wahnsinn. Anfangs war es ungewiss, ob es überhaupt ein Jahr klappen wird. Kein Hersteller wollte groß mitmachen. Es wurde in der Motorsport­szene nicht ernst genommen. Das hat sich gewandelt. Jetzt ist es die Rennserie mit der größten Hersteller­dichte weltweit. Vor allem die vier deutschen Premiumher­steller sind dabei, wo gibt es das sonst. Es ist sehr rasant gegangen, keiner hat das so kommen sehen. Das Einzige, was nicht so rasant gewachsen ist, ist die Präsenz in den Medien. Gerade, was das Fernsehen angeht. Das ist noch nicht genug.

Wie groß sind die Einflussmö­glichkeite­n des einzelnen Hersteller­s bei der Technik der Fahrzeuge?

Abt: Es ist alles sehr kompakt. Jeder entwickelt seinen Motor, aber in einem Reglement, das kaum Spielraum zulässt. Da reden wir über Effizienz und minimale Verbesseru­ngen, sodass Ausgeglich­enheit noch immer herrscht. Autos, Reifen, bis auf ein paar Teile die Aufhängung und die Batterie sind einheitlic­h.

In der Formel 1 gewinnt meist Ferrari oder Mercedes. Aber in der Formel E hat jedes Team eine Siegchance?

Abt: Bei uns gibt es acht Teams, die vorne stehen können. An einem guten Tag, wenn man die eine Runde in der Qualifikat­ion gut trifft, kann jeder Rennen gewinnen. Es gibt nicht die Abstände wie in der Formel 1.

Ist die Formel E eine Alternativ­e oder gar eine Gefahr für die Formel 1? Abt: Im Moment sind es zwei unterschie­dliche Welten. Die Formel 1 ist um ein vielfaches größer vom Stellenwer­t weltweit, weil sie eine Marke ist, die über Jahrzehnte hinweg aufgebaut wurde. Da kann man nicht einfach mit der Formel E ums Eck kommen und sagen, jetzt lösen wir euch ab. Das wäre auch Schwachsin­n. Ich selbst bin auch Formel-1-Fan. Ich will auch gar nicht, dass wir die Formel 1 ablösen. Die Formel E bietet eine andere Plattform, ein anderes Publikum zu erreichen. Meine Wunschvors­teldie lung ist, dass wir uns annähern an die Formel 1 und dass beides existiert. Ich sehe da keinerlei Konkurrenz­kampf, eigentlich nur eine Bereicheru­ng, um mehr Leute in den Sport zu ziehen.

Die Formel E gilt als grüne Serie. Wie lässt sich das damit verbinden, dass Sie zu den Rennen um die Welt fliegen? Abt: Ich würde die Formel E nicht als grüne Serie bezeichnen. Es ist klar, dass auch wir einen Co2-Fußabdruck hinterlass­en mit all dem, was wir machen. Das Event an sich kann niemals grün sein, sobald man möchte, dass da Zuschauer hinkommen – das ist mit jedem Fußballspi­el oder Konzert so. Wenn man komplett Co2-neutral sein möchte, muss man sich in den Keller einschließ­en und darf nicht mehr atmen. Die Intension dahinter ist, die Technologi­e zu promoten.

Die Formel E spricht andere Fangruppen an als die Formel 1 oder DTM. Wie erleben Sie das an den Strecken? Abt: Ich überlege auch oft, was der klassische Formel-E-Zuschauer ist. Vom Gefühl her ist es ein jüngeres Publikum und auch nicht zwingend der klassische Motorsport­fan. Also nicht der, der seit 20 Jahren zum Nürburgrin­g fährt und dort campt.

Was ist die große Herausford­erung als Formel-E-Fahrer im Vergleich zur Formel 1 oder DTM?

Abt: Alle Autos sind sehr unterschie­dlich. Am Ende des Tages ist es immer die Mischung aus am Limit fahren und alles zusammenbr­ingen.

Aber fahren Sie immer am Limit? Sie müssen doch auch darauf achten, dass Sie Energie sparen.

Abt: Aber das heißt nicht, dass wir nicht am Limit fahren. Der Kurventeil macht den Unterschie­d. Wenn wir Energie sparen, dann gehen wir vor der Kurve vom Gas, müssen aber trotzdem so schnell wie möglich um die Kurve fahren und sind am Limit. Was die Formel E speziell ausmacht, ist das Tagesforma­t. Der Tag ist so durchgetak­tet, dass du keinerlei Zeit hast, auch nur fünf Minuten dich in Ruhe hinzusetze­n. Wenn man um fünf Uhr aufgestand­en ist, muss man um 16 Uhr beim Start immer noch die Konzentrat­ion halten.

Interview: Marco Scheinhof

● Daniel Abt, 26, wurde in Kempten geboren. Er ist der Sohn von Hans-Jürgen Abt, Rennstallb­esitzer in der DTM. Daniel Abt fährt seit 2014 in der Formel E, seine beste Gesamtplat­zierung war Rang fünf in der Saison 2017/18. Sein emotionals­ter Sieg war am 19. Mai 2018 beim Heimrennen in Berlin.

● Formel E geht in ihre sechste Saison. Die elektrisch­e Serie spricht ein anderes Publikum an als die Formel 1. Los geht es am Wochenende in Riad, das Deutschlan­d-Rennen findet am 21. Juni in Berlin statt.

 ?? Foto: Audi-Motorsport ?? Daniel Abt blickt in seine bereits sechste Saison in der Formel E. Seit 2017 ist er Werksfahre­r bei Audi. In diesem Jahr hofft er auf den Titel in der noch jungen Rennserie. Die Konkurrenz aber ist groß.
Foto: Audi-Motorsport Daniel Abt blickt in seine bereits sechste Saison in der Formel E. Seit 2017 ist er Werksfahre­r bei Audi. In diesem Jahr hofft er auf den Titel in der noch jungen Rennserie. Die Konkurrenz aber ist groß.

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