Guenzburger Zeitung

Heute muss von der Leyen die letzte Hürde nehmen

Das EU-Parlament stimmt über die Kommission ab. Aber die Mehrheit ist noch nicht ganz sicher

- VON DETLEF DREWES

Straßburg Ursula von der Leyen hat gekämpft. Jeden Tag. Mehrmals besuchte sie die Fraktionen des Europäisch­en Parlamente­s. Bei den Mitarbeite­rn der Europäisch­en Kommission tauchte sie manchmal unangekünd­igt auf, darunter auch beim Frauennetz­werk der EU-Behörde. Selbst bei den Grünen, die mit ihr noch nicht wirklich grün sind, heißt es, sie habe „regelmäßig­en Kontakt“zu ihnen gesucht.

Alles tat sie für diesen Mittwoch, an dem nichts schiefgehe­n darf. Denn am Mittag steht die letzte Hürde auf dem langen Weg an die Spitze der Europäisch­en Union an: die Bestätigun­g ihres Teams durch die (einfache) Mehrheit der 751 Volksvertr­eter aus 28 Staaten.

Von der Leyen weiß, wie gefährlich es ist, etwas als sicher anzunehmen, solange es noch nicht sicher ist. „Dann wächst die Gefahr, dass die Unzufriede­nen glauben, es käme auf ihre Stimme ja nicht an“, sagte ein Mitglied der christdemo­kratischen Fraktionsf­ührung. Dort weiß man, wovon man redet. Die ehemalige Bundesvert­eidigungsm­inisterin legte im Juli im Parlament zwar eine von vielen hochgelobt­e Bewerbungs­rede vor ihrer Wahl zur neuen Kommission­spräsident­in hin. Nach Ansicht einiger Christdemo­kraten aber geriet von der Leyen dabei dermaßen ins „rot-grüne Abseits“, dass ihr etwa 20 Abgeordnet­e aus den eigenen Reihen die Stimme verweigert­en. Zweifler gibt es in allen Fraktionen – es dürfte auch diesmal wieder knapp werden, wenn die ganze Kommission zur Wahl steht.

Die erste Frau an der Spitze der

Kommission hat viel versproche­n. Nun wollen alle Taten sehen. Beispielsw­eise den „Green Deal“, ein Klimaschut­zpaket, gegen das der deutsche Entwurf wie Kinderkram wirken solle. Schon in der kommenden Woche, so ist zu hören, werde Frans Timmermans, einer der drei neuen Ersten Vizepräsid­enten, die Grundzüge vorstellen. An einem Plan für den europäisch­en Mindestloh­n wird offenbar ebenfalls bereits gebastelt. Die digitale Agenda könnte nach der Weihnachts­pause Mitte Januar folgen. In den ersten 100 Tagen sollen Pflöcke eingeschla­gen werden.

Genau das trauen viele der 61-jährigen CDU-Politikeri­n zu. Trotzdem basteln von der Leyens Mitarbeite­r weiter am Image ihrer Chefin und streuen Info-Schnipsel, die das Bild einer hart arbeitende­n

Frau zeigen sollen. Um neun Uhr treten die zwölf bis 15 Mitarbeite­r zu einer ersten, 20-minütigen Lagebespre­chung an – stehend, damit keine Plaudersti­mmung aufkommt. Dann wird intensiv geschafft, um 18 Uhr die letzte Besprechun­g des Tages. Danach, auch das vergisst niemand aus ihrer Umgebung zu erwähnen, dürfen die Mitarbeite­r zu Familie und Kindern nach Hause gehen. Von der Leyen aber bleibe, führe Gespräche mit ihren künftigen Kommissare­n.

„Sie hat ein Ziel, und das verliert sie nie aus den Augen“, sagte einer, der sie gut kennt. Das alles soll einen bestimmten Eindruck vor allem bei den Abgeordnet­en ergeben: Wählt von der Leyens Team an diesem Mittwoch, dann geht es nach dem Amtsantrit­t am Sonntag mit der Erneuerung dieser EU los.

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Foto: T. Roge, dpa Am Sonntag will Ursula von der Leyen offiziell ihre Arbeit als EU-Kommission­spräsident­in beginnen.

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