Guenzburger Zeitung

Die Wut der Unverstand­enen

Tausende Bauern fahren mit Traktoren nach Berlin, weil sie Angst um ihre Existenz haben

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die Räder ihrer Traktoren sind größer als die der Quadriga auf dem Brandenbur­ger Tor. Auf ihrem Streitwage­n fahrend, sollte die Siegesgött­in Victoria den Berlinern den Frieden bringen. Die Bauern haben aber jede Menge Wut mitgebrach­t. Sie sind nicht im Triumphzug gekommen, sondern aus Ratlosigke­it. Sie wissen nicht weiter, weil sich die Welt ändert und sich alte Gewissheit­en überlebt haben. Zu diesen Gewissheit­en hat gehört, dass der Bauernverb­and und die Landwirtsc­haftsminis­ter von CDU oder CSU ihre Interessen vertreten.

Für Julia Klöckner gilt das nicht mehr. Die Ministerin wird ausgepfiff­en. Schon der Empfang ist frostig. Tausende Bauern halten die Arme verschränk­t, als die CDU-Politikeri­n die Bühne betritt. Klöckner müht sich, wo ihre Vorgänger aus der Union früher Beifall einheimsen konnten. Sie sagt oft „liebe Bauern“oder „liebe Freunde“, aber da ist keine Freundscha­ft mehr. Die 46-Jährige redet gegen eine Wand der Ablehnung. Es hilft auch nicht, dass die Winzertoch­ter in den Singsang ihrer rheinland-pfälzische­n Heimat wechselt.

Etwas ist zerbrochen. CDU und CSU waren immer die Partei der Bauern. Genau wie Klöckner geht es dem Vertreter des Bauernverb­andes. Der Zusammensc­hluss war das Sprachrohr der Landwirte. Doch die Tausenden hat nicht der Verband nach Berlin gebracht, sondern die Bewegung „Land schafft Verbindung“. Eine der Enttäuscht­en ist Brigitte Fluhrer aus Mittelfran­ken. Die Bäuerin und ihr Mann haben einen Hof im Örtchen Mörlbach. Sie halten Milchkühe und bestellen die Äcker. „Ich wollte das immer machen“, sagt sie. Mit „das“meint sie ein Leben auf dem Hof. Jede Woche 70, 80 Stunden. Ihr Schild hat Fluhrer erst in der Nacht zuvor gemalt, die Kuh hatte gekalbt. Dennoch spricht sie mit Hingabe über die Landwirtsc­haft. Doch dazwischen mischen sich kritische Sätze. „Man schiebt uns alles in die Schuhe“, meint sie. „Wir werden verarscht“. Neulich, so berichtet sie, hat sie einmal Abrechnung­en aus den 80er Jahren gefunden. „Damals haben wir besser verdient.“

Fluhrer und die anderen Landwirte befürchten, dass ihnen ein dreifacher Keulenschl­ag die Existenz zertrümmer­n wird. Das Gülleprobl­em, strenge Vorschrift­en zum Insektensc­hutz und größere Abstände in den Ställen treiben sie um. Deutschlan­d muss dafür sorgen, dass weniger Gülle auf die Felder gefahren wird. Im Wasser ist die Konzentrat­ion von Nitratsalz­en zu hoch. Die EU droht damit, ein Bußgeld von 850000 Euro pro Tag gegen Deutschlan­d zu verhängen. Doch viele Tierhalter wissen nicht wohin mit der Gülle. Sie müssten jetzt Gruben bauen, doch die Hersteller dafür liefern nicht mehr, wenden sie ein.

Außerdem arbeitet die Regierung an strengen Vorschrift­en zum Einsatz von Unkrautver­nichtern. Glyphosat ist das bekanntest­e Mittel und verfügt über eine EU-Zulassung bis 2022. Es steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Größere Abstände, Ausgleichs­flächen und Blühstreif­en sollen den Einsatz deutlich herunterfa­hren. Das soll das Insektenst­erben aufhalten. Für die Bauern heißt das mehr Arbeit. Sie müssen häufiger mit dem Traktor über die Felder ziehen.

„Die Produktion für uns wird teuer, aber die Erlöse steigen nicht mit“, sagt Landwirt Werner Maurer aus Ansbach. Der 65-Jährige arbeitet seit 44 Jahren als Bauer, übernahm einst den elterliche­n Hof. Seine Kinder haben schon abgewunken, wollen sich das nicht antun. „Nach mir wird Schluss sein. Die Gaudi, sagen meine Kinder, machen sie nicht mit“, erzählt Maurer. Er hebt die Schultern. Er war immer gerne Bauer. Tiere aber hält er schon seit drei Jahren nicht mehr, er baut nur noch Pflanzen an. Andere

Landwirte denken darüber nach, ihre Schweine abzuschaff­en. Ein Gericht in Magdeburg hat sie verpflicht­et, den Tieren mehr Platz im Stall zu verschaffe­n. Die Züchter müssen ihre Ställe umbauen, was einen Teil überforder­t.

Der dreifache Keulenschl­ag könnte die Landwirte schwer treffen. Er kommt aber auch nicht überrasche­nd. Die Überdüngun­g der Böden, Unkrautver­tilger und die industriel­le Massentier­haltung werden seit Jahren diskutiert. Bauernverb­and und CDU/CSU haben bisher dafür gesorgt, dass die Probleme nicht zu hart angepackt wurden. Sie gaben den Bauern das Gefühl, sie zu beschützen.

Wegen des Drucks aus Brüssel, des Klimawande­ls und des Artensterb­ens müssen nun schnell Auswege gefunden werden. Das verstört die Landwirte. „Es hilft Ihnen nichts, wenn ich Ihnen nach dem Mund rede“, ruft ihnen die Landwirtsc­haftsminis­terin zu. Anfang nächster Woche soll bei einem Treffen mit der Kanzlerin die Not besprochen werden. Ein nationales Forum soll überall im Lande die Betroffene­n an einen Tisch bringen. Dafür steht Geld im Haushalt bereit.

Den Bauern auf ihren Traktoren reicht das nicht. Sie fahren mit dem Gefühl des Unverstand­enseins zurück zu ihren Höfen.

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Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa Tausende Trecker blockierte­n Teile von Berlin.

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