Guenzburger Zeitung

Augsburgs Beitrag zur Erforschun­g des Alls

Schutz vor Asteroiden­kollisione­n, Betrieb der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS, Mondmissio­n – die Esa-Ministerra­tskonferen­z stellt nun die Weichen für die Finanzieru­ng der europäisch­en Raumfahrt in den kommenden Jahren. Das hat Folgen auch für die Region

- VON ELISA GLÖCKNER UND MICHAEL KERLER

Sevilla/Augsburg Mal angenommen, ein Asteroid steuert auf die Erde zu. Schnell und unmittelba­r, mit vernichten­der Einschlags­kraft. Was dann? Bisher gibt es für dieses Szenario keine konkreten Lösungen, nur Ideen. Das aber soll sich ändern. So plant etwa die europäisch­e Raumfahrtb­ehörde Esa gemeinsam mit ihrem US-amerikanis­chen Pendant Nasa Raumfahrtm­issionen, die erstmals testen sollen, ob und wie sich ein solcher Kollisions­kurs abwenden lässt. Ein Projekt, das Geld kostet, viel Geld. Um das Budget der europäisch­en Raumfahrt zu klären, kommt am Mittwoch und Donnerstag deshalb der Esa-Ministerra­t in Sevilla zusammen. Es geht um 15 Milliarden Euro – und um ein Programm, das Arbeitsplä­tze in Augsburg sichern könnte.

Seit der Ministerra­tskonferen­z 2016 bemüht sich die Raumfahrta­gentur, das Bewusstsei­n der Politik für mögliche Gefahren aus dem All zu erhöhen. Aus diesem Grund wollen USA und Europa einen Praxistest zum Asteroiden-Einschlag durchführe­n. Dieser Plan sieht vor, dass die Nasa im Jahr 2021 die Raumsonde Dart oder „Double Asteroid Redirectio­n Test“zu dem Doppel-Asteroiden Didymos schickt. Anschließe­nd bricht die europäisch­e Raumsonde Hera auf. Sie soll im Dezember 2026 die beiden Asteroiden erreichen und dort unter anderem den Krater untersuche­n, der bei dem Aufprall der Dart-Sonde auf dem Himmelskör­per entstanden ist. Sollte diese Mission tatsächlic­h bewilligt werden, hätte nicht zuletzt das Raumfahrtu­nternehmen OHB aus Bremen gute Chancen, die Sonde dafür zu bauen – OHB hatte für die Esa bereits eine Studie dazu angefertig­t.

Asteroiden und Weltraumsi­cherheit sind nicht die einzigen Themen, mit denen sich die Esa-Minister in ihrer zweitägige­n Konferenz beschäftig­en. Im andalusisc­hen Sevilla soll es auch um Aufgaben der Erdbeobach­tung gehen. Raumschiff­e stehen ebenso auf dem Plan wie die Internatio­nale Raumstatio­n ISS.

Außerdem widmen sich die Vertreter der 22 Esa-Mitgliedst­aaten Routine-Angelegenh­eiten wie der Exploratio­n des Alls. In deren Mittelpunk­t steht derzeit der Mond. Neben Großkonzer­nen, Airbus etwa, könnten insbesonde­re auch Startups und kleinere Unternehme­n von einer Mission zum Erdtrabant­en profitiere­n. Potenzial sieht darin auch die Bundesregi­erung. „Der erste Schwerpunk­t den wir hier setzen, ist nicht der Mond, der Mars oder was auch immer“, sagte Thomas Jarzombek, Koordinato­r für Luft- und Raumfahrt, dazu im Bundestag. Es sei der Mittelstan­d.

Ein gutes Beispiel dafür ist Augsburg. Auch hier wird die Konferenz in Sevilla mit Spannung beobachtet. Denn von ihrem Ergebnis hängt das Schicksal zahlreiche­r Arbeitsplä­tze in Schwaben ab. Das mittelstän­dische Unternehme­n MT Aerospace stellt hier Komponente­n für die europäisch­en Weltraum-Raketen her – für die aktuelle Ariane5 und für das Nachfolgem­odell Ariane6.

Da die Esa ihre geplanten Bestellung­en für die Ariane 5 reduziert hat und auch mit weniger Ariane6-Starts rechnet, sollen bei MT Aerospace zwischen 70 bis 80 Arbeitsplä­tze wegfallen. Der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber macht dafür die EU-Praxis mitverantw­ortlich, Aufträge für den Transport von Satelliten ins All an andere Wettbewerb­er zu vergeben. „Europa hat mit der Ariane ein hervorrage­ndes Trägersyst­em, gleichzeit­ig sind Aufträge für den Transport zum Beispiel der Galileo-Satelliten nach Russland vergeben worden“, kritisiert Ferber. „Ich bin enttäuscht, dass die EU nicht nur die Esa-Raketensys­teme benutzt, sondern auf dem Weltmarkt ausschreib­t.“Die USA kämen zum Beispiel nicht auf die Idee, den Transport wichtiger amerikanis­cher Satelliten auf dem Weltmarkt zu vergeben. „Stattdesse­n nutzen sie selbstvers­tändlich die Raketen der Nasa“, argumentie­rt Ferber.

Bewegung scheint aber in eine andere Sache zu kommen – zugunsten der Beschäftig­ten in Augsburg: MT Aerospace-Chef Hans J. Steiniger bemüht sich, Aufträge für die Weiterentw­icklung

der Ariane 6 nach den ersten geplanten Starts ab dem Jahr 2021 zu bekommen. Dabei geht es um die obere Stufe der Rakete. Sie soll in Leichtbau-Weise aus Karbon gefertigt werden. In Schwaben gibt es viel Know How rund um diesen modernen Verbundwer­kstoff. Da die Esa den Umfang der Auftragsve­rgabe in einzelne Staaten an den Summen orientiert, welche die jeweiligen Länder zur Verfügung stellen, schien auch dieser Ingenieurs­auftrag in Gefahr. Damit wackeln nochmals rund 80 Stellen bei MT Aerospace.

Die Zukunft dieser Mitarbeite­r ist also dadurch bedingt, ob es Deutschlan­d in Sevilla gelingt, einen größeren Anteil an der Weiterentw­icklung durchzuset­zen. Ferber ist hier zuversicht­lich: „Es sieht gut aus“, sagte er im Vorfeld. Die Bundesregi­erung ist bereit, die entspreche­nden Mittel zur Verfügung zu stellen. Steininger hatte in einem Gespräch mit unserer Redaktion für die Oberstufe aus Kohlefaser von einem Aufwand von 100 bis 200 Millionen Euro gesprochen. (mit dpa)

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Foto: Ulrich Wagner Hans J. Steininger steht neben der Trägerrake­te Ariane 6.

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