Augsburgs Beitrag zur Erforschung des Alls
Schutz vor Asteroidenkollisionen, Betrieb der Internationalen Raumstation ISS, Mondmission – die Esa-Ministerratskonferenz stellt nun die Weichen für die Finanzierung der europäischen Raumfahrt in den kommenden Jahren. Das hat Folgen auch für die Region
Sevilla/Augsburg Mal angenommen, ein Asteroid steuert auf die Erde zu. Schnell und unmittelbar, mit vernichtender Einschlagskraft. Was dann? Bisher gibt es für dieses Szenario keine konkreten Lösungen, nur Ideen. Das aber soll sich ändern. So plant etwa die europäische Raumfahrtbehörde Esa gemeinsam mit ihrem US-amerikanischen Pendant Nasa Raumfahrtmissionen, die erstmals testen sollen, ob und wie sich ein solcher Kollisionskurs abwenden lässt. Ein Projekt, das Geld kostet, viel Geld. Um das Budget der europäischen Raumfahrt zu klären, kommt am Mittwoch und Donnerstag deshalb der Esa-Ministerrat in Sevilla zusammen. Es geht um 15 Milliarden Euro – und um ein Programm, das Arbeitsplätze in Augsburg sichern könnte.
Seit der Ministerratskonferenz 2016 bemüht sich die Raumfahrtagentur, das Bewusstsein der Politik für mögliche Gefahren aus dem All zu erhöhen. Aus diesem Grund wollen USA und Europa einen Praxistest zum Asteroiden-Einschlag durchführen. Dieser Plan sieht vor, dass die Nasa im Jahr 2021 die Raumsonde Dart oder „Double Asteroid Redirection Test“zu dem Doppel-Asteroiden Didymos schickt. Anschließend bricht die europäische Raumsonde Hera auf. Sie soll im Dezember 2026 die beiden Asteroiden erreichen und dort unter anderem den Krater untersuchen, der bei dem Aufprall der Dart-Sonde auf dem Himmelskörper entstanden ist. Sollte diese Mission tatsächlich bewilligt werden, hätte nicht zuletzt das Raumfahrtunternehmen OHB aus Bremen gute Chancen, die Sonde dafür zu bauen – OHB hatte für die Esa bereits eine Studie dazu angefertigt.
Asteroiden und Weltraumsicherheit sind nicht die einzigen Themen, mit denen sich die Esa-Minister in ihrer zweitägigen Konferenz beschäftigen. Im andalusischen Sevilla soll es auch um Aufgaben der Erdbeobachtung gehen. Raumschiffe stehen ebenso auf dem Plan wie die Internationale Raumstation ISS.
Außerdem widmen sich die Vertreter der 22 Esa-Mitgliedstaaten Routine-Angelegenheiten wie der Exploration des Alls. In deren Mittelpunkt steht derzeit der Mond. Neben Großkonzernen, Airbus etwa, könnten insbesondere auch Startups und kleinere Unternehmen von einer Mission zum Erdtrabanten profitieren. Potenzial sieht darin auch die Bundesregierung. „Der erste Schwerpunkt den wir hier setzen, ist nicht der Mond, der Mars oder was auch immer“, sagte Thomas Jarzombek, Koordinator für Luft- und Raumfahrt, dazu im Bundestag. Es sei der Mittelstand.
Ein gutes Beispiel dafür ist Augsburg. Auch hier wird die Konferenz in Sevilla mit Spannung beobachtet. Denn von ihrem Ergebnis hängt das Schicksal zahlreicher Arbeitsplätze in Schwaben ab. Das mittelständische Unternehmen MT Aerospace stellt hier Komponenten für die europäischen Weltraum-Raketen her – für die aktuelle Ariane5 und für das Nachfolgemodell Ariane6.
Da die Esa ihre geplanten Bestellungen für die Ariane 5 reduziert hat und auch mit weniger Ariane6-Starts rechnet, sollen bei MT Aerospace zwischen 70 bis 80 Arbeitsplätze wegfallen. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber macht dafür die EU-Praxis mitverantwortlich, Aufträge für den Transport von Satelliten ins All an andere Wettbewerber zu vergeben. „Europa hat mit der Ariane ein hervorragendes Trägersystem, gleichzeitig sind Aufträge für den Transport zum Beispiel der Galileo-Satelliten nach Russland vergeben worden“, kritisiert Ferber. „Ich bin enttäuscht, dass die EU nicht nur die Esa-Raketensysteme benutzt, sondern auf dem Weltmarkt ausschreibt.“Die USA kämen zum Beispiel nicht auf die Idee, den Transport wichtiger amerikanischer Satelliten auf dem Weltmarkt zu vergeben. „Stattdessen nutzen sie selbstverständlich die Raketen der Nasa“, argumentiert Ferber.
Bewegung scheint aber in eine andere Sache zu kommen – zugunsten der Beschäftigten in Augsburg: MT Aerospace-Chef Hans J. Steiniger bemüht sich, Aufträge für die Weiterentwicklung
der Ariane 6 nach den ersten geplanten Starts ab dem Jahr 2021 zu bekommen. Dabei geht es um die obere Stufe der Rakete. Sie soll in Leichtbau-Weise aus Karbon gefertigt werden. In Schwaben gibt es viel Know How rund um diesen modernen Verbundwerkstoff. Da die Esa den Umfang der Auftragsvergabe in einzelne Staaten an den Summen orientiert, welche die jeweiligen Länder zur Verfügung stellen, schien auch dieser Ingenieursauftrag in Gefahr. Damit wackeln nochmals rund 80 Stellen bei MT Aerospace.
Die Zukunft dieser Mitarbeiter ist also dadurch bedingt, ob es Deutschland in Sevilla gelingt, einen größeren Anteil an der Weiterentwicklung durchzusetzen. Ferber ist hier zuversichtlich: „Es sieht gut aus“, sagte er im Vorfeld. Die Bundesregierung ist bereit, die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen. Steininger hatte in einem Gespräch mit unserer Redaktion für die Oberstufe aus Kohlefaser von einem Aufwand von 100 bis 200 Millionen Euro gesprochen. (mit dpa)