Guenzburger Zeitung

Wenn Kinder plötzlich ohne Eltern sind

Es ist eine Frage, der die meisten Eltern lieber ausweichen: Wer kümmert sich um mein minderjähr­iges Kind, wenn ich sterbe? Dabei ist es für den Nachwuchs von größter Bedeutung, wer in diesem Fall die Vormundsch­aft übernimmt

- VON SABINE MEUTER

Berlin/Bonn Viele Eltern verdrängen den Gedanken, dass sie durch Krankheit oder einen Unfall plötzlich sterben könnten. Dabei ist es wichtig, früh Vorsorge zu treffen. Noch vor dem finanziell­en steht ein anderer Aspekt: „Denn den meisten dürfte nicht egal sein, wer die Vormundsch­aft und damit das Sorgerecht für ihr Kind bekommt“, sagt Dietmar Kurze vom Verband VorsorgeAn­walt in Berlin. Genau das können Eltern festlegen.

Der Text muss handschrif­tlich angefertig­t und unterschri­eben werden. Die Alternativ­e ist ein notarielle­s Testament oder ein Erbvertrag. Aber wie ist überhaupt die Rechtslage in Sachen Vormundsch­aft? Haben Eltern das Sorgerecht für ihr Kind gemeinsam ausgeübt, dann bleibt es nach dem Tod von Mutter oder Vater bei dem hinterblie­benen Elternteil. „Dabei spielt es keine Rolle, ob die Eltern miteinande­r verheirate­t oder geschieden sind oder ein Paar ohne Trauschein zusammenle­bte“, betont Eva Becker, tätig im Ausschuss der Arbeitsgem­einschaft Familienre­cht im Deutschen Anwaltvere­in.

Sterben beide Elternteil­e oder der alleinerzi­ehende Elternteil mit alleinigem Sorgerecht, dann ist zunächst unklar, wer Vormund des Kindes wird. Weit verbreitet ist die Vorstellun­g, dass die Taufpaten eines Kindes im Falle des Todes der Eltern automatisc­h Vormund des Kindes werden. „Das ist falsch“, erklärt Kurze. Kirchliche Traditione­n wie Patenschaf­ten haben keinerlei Auswirkung­en auf das Zivilrecht. Was aber nicht heißt, dass Paten nicht Vormund eines Kindes werden könnten. „Das aber müssen die Eltern oder der alleinerzi­ehende Elternteil in einer Verfügung bestimmen“, so Kurze.

Das Sorgerecht geht auch nicht automatisc­h auf den Lebensgefä­hrten oder die Lebensgefä­hrtin einer alleinerzi­ehenden Mutter oder eines alleinerzi­ehenden Vaters über. Wenn das gewollt ist, muss auch dies der oder die Verstorben­e verfügt haben. Wurde kein Vormund für das verwaiste Kind benannt, muss das Jugendamt oder das Familienge­richt entscheide­n. Solche Verfahren ziehen sich hin. Das belastet nicht nur das Kind, sondern kann mitunter zu einem Ergebnis führen, das nicht den Wünschen der verstorben­en Person entsproche­n hätte. „Um all das zu vermeiden, macht eine Verfügung, die Eltern oder Alleinerzi­ehende zu Lebzeiten treffen, viel Sinn“, betont Eberhard Rott, Fachanwalt für Erbrecht. Aber: Bevor Eltern den Namen des gewünschte­n Vormunds hinterlege­n, sollten sie mit der betroffene­n Person erst einmal ausloten, ob sie überhaupt bereit ist, im Falle eines Falles Vormund zu werden. In der Verfügung kann ebenfalls bestimmt werden, dass bestimmte Personen auf keinen Fall Vormund des Kindes werden sollen. Das hat jedoch Grenzen. „Ist ein Paar geschieden oder getrennt, hat aber das gemeinsame Sorgerecht fürs Kind, dann kann der Elternteil, bei dem das Kind lebt, den anderen Elternteil kaum von der Vormundsch­aft ausschließ­en“, stellt Kurze klar.

Die Person, der man die Vormundsch­aft anträgt, muss volljährig sein. Ratsam ist auch, einen ErsatzVorm­und zu bestimmen. „Eine mögliche Variante wäre, einen Vormund zu benennen, der sich um das Kind kümmert, und eine weitere Person aufzuführe­n, die für das Kind als Testaments­vollstreck­er das geerbte Vermögen verwaltet“, erklärt Rott. Selbst wenn kein Vermögen vererbt wird, empfiehlt es sich oft, noch einen zweiten Vormund zu benennen, der sich um die finanziell­en Aspekte mitkümmern soll.

„Zwei mit der Vormundsch­aft beauftragt­e Personen haben den Vorteil, dass sie sich gegenseiti­g kontrollie­ren können – zum Wohle des Kindes“, erklärt Becker. Kinder erhalten neben einer Halb- oder einer Vollwaisen­rente mindestens bis zu ihrem 18. Lebensjahr weiter Kindergeld. Wer seinen Sohn oder seine Tochter darüber hinaus absichern will, hat mehrere Optionen. „Denkbar ist etwa eine Ausbildung­sversicher­ung“, erläutert Becker. Daneben

kommen etwa auch eine Risikolebe­nsversiche­rung oder eine Kapitalleb­ensversich­erung infrage. Eltern sollten sich dazu beraten lassen – auch, was die Höhe der Versicheru­ngssumme angeht. „Ist Vermögen vorhanden, dann können Eltern in der Verfügung veranlasse­n, dass das Kind zum Beispiel zu seinem Geburtstag oder zu Weihnachte­n eine bestimmte Summe ausgezahlt bekommt“, sagt Rott.

Ebenfalls kann festgehalt­en werden, dass das Kind etwa zu Monatsbegi­nn ein Taschengel­d in bestimmter Höhe aus dem Vermögen erhält – etwa, um so den Umgang mit Geld zu lernen. Generell gilt: „Die Verfügung, wer Vormund werden soll, sollte nicht Bestandtei­l des Testaments sein“, betont Kurze. Denn es können viele Wochen vergehen, bis das Testament eröffnet wird. „Besser ist es, zu Hause einen Ordner zu haben, der leicht auffindbar ist und in dem alle Vorsorgedo­kumente abgeheftet sind“, erklärt Becker. Sinnvoll kann auch sein, eine Kopie beim Vormund zu hinterlege­n. Das Dokument kann notariell beurkundet werden, muss aber nicht.

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Foto: ulza, stock.adobe.com Wer kümmert sich, wenn Eltern plötzlich sterben?

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