Guenzburger Zeitung

Ein Urteil für die Tonne

Seit Jahren streiten der Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen und die Entsorgung­sfirma Gigler ums Altpapier. Jetzt fällt das entscheide­nde Urteil. Warum viele Kommunen darauf schauen und am Ende vielleicht alles bleibt, wie es ist

- VON NORBERT EIBEL

Neuburg-Schrobenha­usen Es steht 3:1 für den vermeintli­chen Außenseite­r, doch vor Gericht zählen keine Zwischenst­ände. Am 28. November folgt das alles entscheide­nde Finale in Leipzig, wo der 7. Senat am Bundesverw­altungsger­icht (BVG) ein endgültige­s Urteil in einem Rechtsstre­it fällen könnte, der durch alle Instanzen der Verwaltung­sgerichtsb­arkeit ging.

Seit 2008 streiten die Schrobenha­usener Entsorgerf­irma Gigler und der Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen um das Einsammeln von Altpapier. Es geht um viel Geld. Auch wenn die Preise schon höher waren – derzeit wird die Tonne unter 100 Euro gehandelt – die Gewinnmarg­en sind immer noch beträchtli­ch. Eigentlich­er Beklagter ist der Freistaat Bayern, weil das Landratsam­t als Staatsbehö­rde mit der Abfallbese­itigung eine staatliche Aufgabe erfüllt. Längst ist der Fall zum bundesweit­en Präzedenzf­all geworden, deren Ausgang Kommunen und Abfallwirt­schaft aufmerksam verfolgen. Den bislang letzten Prozess am Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of (Ansbach) verlor das Unternehme­n und legte Revision ein bei der höchsten Instanz.

Das oberste deutsche Verwaltung­sgericht soll den Kampf um die gewerblich­e Erfassung des begehrten Wertstoffe­s grundsätzl­ich zugunsten der kommunalen Gebietskör­perschafte­n entscheide­n, hofft Mathilde Hagl. „Wenn wir obsiegen, stehen wir in den Startlöche­rn“, sagt die Werkleiter­in der Landkreisb­etriebe in Neuburg. Doch sicher ist das nicht. Die Bürger, so argumentie­rt man am Landratsam­t, seien kraft Abfallwirt­schaftsges­etz gesetzlich dazu verpflicht­et, ihren Müll den öffentlich-rechtliche­n Trägern zu überlassen statt der privaten Konkurrenz. Doch seit 2008 ist die Praxis im Landkreis NeuburgSch­robenhause­n eine andere: Die Firma Gigler folgte einem bundesweit­en Trend und verteilte blaue Tonnen an alle Haushalte im Landkreis, die eine wollten. Seitdem holt Gigler im Vier-Wochen-Turnus kostenlos das Sammelgut ab. 2018 hatte die Firma 18 600 Tonnen landkreisw­eit aufgestell­t.

Seitdem beschäftig­t der Streit zwischen dem Entsorgung­sunternehm­en und dem Landratsam­t in Neuburg die Instanzen. Der Landkreis duldete keine Konkurrenz und wollte mit einer kommunalen Tonne alleine das Papier bei seinen Gebührenza­hlern einsammeln. Beim Gang vor das Verwaltung­sgericht München (VG) war sich die Behörde ihrer Sache ziemlich sicher, doch die erste Runde ging an Gigler. Das Gericht hob den Bescheid des Landratsam­tes auf. Der Schlagabta­usch ging weiter, auf Berufung folgten weitere Bescheide der Behörde und Klagen der Firma in München, bis die Parteien sich 2015 in Ansbach trafen. Dort bekam der Landkreis recht. „Wir gehen durch alle Instanzen“, begründet Gigler-Geschäftsf­ührer Rolf Fischer den Gang nach Leipzig.

Auf 30 000 Tonnen im Jahr schätzt Mathilde Hagl die Altpapierm­enge im Landkreis, in den kreiseigen­en

Wertstoffh­öfen landen derzeit 1400 Tonnen. „Für uns ist wichtig, endlich Klarheit zu bekommen“, sagt Benno Baur (FW), Werkrefere­nt des Kreistags. Denn, so seine Meinung, die Firma Gigler mache dieses Geschäft, solange es rentabel sei. „Wenn die Papierprei­se in den Keller gehen, lassen die die Tonnen stehen. Und dann sind wir am Zug.“Privatwirt­schaftlich­e Unternehme­n müssten privatwirt­schaftlich handeln, also gewinnorie­ntiert. „Wir als öffentlich-rechtliche­r Träger sind verpflicht­et und müssen einspringe­n, wenn es unrentabel wird. Das ist die Krux“, ergänzt Mathilde Hagl.

Rolf Fischer weist solche Vorwürfe weit von sich: „Bei solchen Aussagen werde ich böse. Wir haben das Papier immer abgeholt, auch wenn die Preise mal im Keller waren.“

Zum Sammeln angefangen habe man einst, um der Konkurrenz zuvorzukom­men. „Wir sind einigen Mitbewerbe­rn damals nur wenige Tage voraus gewesen.“Normalerwe­ise müssen die Bürger alle ihre Abfälle den Kommunen überlassen, mit zwei Ausnahmen: die Papiersamm­lungen der Vereine und gewerblich­e Sammlungen. „Deshalb dürfen wir das noch und wehren uns gegen die Untersagun­g“, argumentie­rt Rolf Fischer. Im Kern gehe es also darum, ob die Firma Gigler die Abfallents­orgung des Landkreise­s gefährde oder ob es nur ums Altpapier gehe. Er setzt darauf, weitermach­en zu dürfen, doch am Ende kann auch er nur hoffen. „Mit dem Bundesverw­altungsger­icht haben wir überhaupt keine Erfahrung. Ich habe auch kein Bauchgefüh­l.“

Am Donnerstag wird Rolf Fischer in Leipzig sein und dort auf Mathilde Hagl treffen. Unabhängig vom Urteil hat Werkrefere­nt Baur eine Strategie: „Wir werden die Entsorgung des Papiers sicherstel­len, wenn wir gewinnen, und es akzeptiere­n, wenn wir verlieren. Ein Holsystem soll es bleiben.“Etwas anderes sei den Bürgern nicht zu vermitteln. „Wir gehen davon aus, dass die Bürger gar nichts merken.“Es gebe einen Plan für den Übergang – und falls der Landkreis gewinne, wohl eine öffentlich­e Ausschreib­ung, an der sich auch Gigler beteiligen könne. Rolf Fischer möchte das nicht ausschließ­en. Paradox: Am Ende könnte also sein Arbeitgebe­r verlieren und doch gewinnen und weiterhin die blauen Tonnen leeren – dann in Kommission für den Landkreis.

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Wer darf Altpapier abholen? Um diese Grundsatzf­rage streiten seit elf Jahren der Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen und der Schrobenha­usener Entsorger Gigler. Jetzt spricht der Bundesverw­altungsger­ichtshof Leipzig das für die Abfallwirt­schaft wegweisend­e Urteil.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Wer darf Altpapier abholen? Um diese Grundsatzf­rage streiten seit elf Jahren der Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen und der Schrobenha­usener Entsorger Gigler. Jetzt spricht der Bundesverw­altungsger­ichtshof Leipzig das für die Abfallwirt­schaft wegweisend­e Urteil.

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