Mutter oder Beamtin?
Der Freistaat entfristet hunderte angestellte Lehrer. Eine 31-Jährige bleibt wegen ihres Kindes außen vor. Jetzt wehrt sie sich
München Knapp 7800 junge Lehrer in Bayern arbeiten in befristeten Arbeitsverhältnissen, zum Teil über Jahre hinweg und ohne zu wissen, ob sie irgendwann in ein Beamtenverhältnis übernommen werden. Mit einem Sonderprogramm wollte die neue Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern nun wenigstens den Lehrkräften entgegenkommen, die schon besonders lange im Unklaren über ihre berufliche Zukunft gelassen wurden – aber offenbar ohne zu bedenken, dass dadurch andere sich ungerecht behandelt fühlen.
Anna F. (Name geändert) steht auf der Warteliste des Kultusministeriums ganz weit oben. Die 31-Jährige hatte ihr Referendariat im Jahr 2015 mit herausragend guten Noten abgeschlossen, arbeitete danach zwei Jahre als Realschullehrerin für Mathe und Chemie und wurde schwanger. Mit dem Mutterschutz endete ihr befristetes Arbeitsverhältnis. Jetzt würde sie, wie sie sagt, „sehr, sehr gerne“wieder arbeiten. „Ich bin mit Herzblut dabei“, versichert sie.
Bei dem Sonderprogramm zur Entfristung von Lehrkräften, für das in diesem Schuljahr insgesamt rund 800 neue Stellen geschaffen wurden, aber fiel sie durch alle Raster. Hier nämlich galten andere Kriterien als auf der Warteliste. Statt der Noten stand die Dauer der Dienstzeit als Aushilfe – zunächst waren es mindestens 60 Monate, in einer zweiten Einstellungsrunde dann mindestens 48 – im Vordergrund. Das sei ungerecht, sagt die 31-Jährige und wehrt sich mit einer Petition an den Landtag. Darin argumentiert sie: „Durch das Sonderprogramm haben schlechter platzierte Lehrkräfte auf der Warteliste eine Verbeamtung erhalten und besser platzierte sind leer ausgegangen. Dies widerspricht dem Leistungsprinzip bei der Verbeamtung und macht das System unberechenbar.“
Im Ausschuss für den Öffentlichen Dienst des Landtags hat sie dafür am Dienstag viel Unterstützung erhalten. Anna Toman und Thomas Gehring (beide Grüne) sowie Arif Tasdelen (SPD) kritisierten das Verfahren des Ministeriums scharf. Die Idee für das Sonderprogramm sei gut gewesen, aber die Umsetzung mangelhaft, sagte Toman. Es habe an Transparenz gefehlt und viele Bewerber „total frustriert“. Gehring hielt CSU und Freien Wählern vor, dass sie sich einerseits rühmen, eine „Familienkoalition“zu sein, andererseits aber Frauen benachteiligen, nur weil sie Kinder bekommen.
Ein leitender Beamter des Ministeriums konnte zwar einzelne Kritikpunkte an dem Verfahren entkräften, musste aber bei den entscheidenden Fragen darauf verweisen, dass die Behörde nur das umgesetzt hat, was CSU und Freie Wähler im Koalitionsvertrag ausgehandelt hatten und dann vom Landtag beschlossen worden war. Daher hielten auch Abgeordnete der Regierungsparteien dagegen. Max Gibis (CSU) stellte nach dem Bericht des Ministeriums jedenfalls fest, „dass es fast nichts zu kritisieren gibt an dem Programm“.
Der Fall der Realschullehrerin aber gibt offenkundig auch CSU und Freien Wählern zu denken. Eine Entscheidung über die Petition der Frau wurde zurückgestellt. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Fackler (CSU) gab den Ministerialbeamten mit auf den Weg, nicht nur eine Stellungnahme zu dem Fall abzugeben, sondern auch einen „Alternativweg“für die Realschullehrerin vorzuschlagen.
Der Fall gibt CSU und Freien Wählern zu denken