Guenzburger Zeitung

Als Flavio Briatore ins Lenkrad griff

Der damalige Renault-Teamchef soll beim Formel-1-Rennen in Singapur einen Unfall angeordnet haben. Auch sonst ist das Leben des Italieners nicht skandalfre­i. Irgendwie aber kommt er immer glimpflich davon (Serie, Teil 4)

- VON MARCO SCHEINHOF

Augsburg Überall, wo es um viel Geld geht, sind Schummelei­en nicht weit. Und dass in der Formel 1 richtig viel Geld umgesetzt wird, ist unbestritt­en. Deshalb zieht der schnellste Kreisverke­hr der Welt so manch zweifelhaf­ten Typen an. Auch einen wie Flavio Briatore, der einen großen Anteil an einem der größten Skandale der Motorsport­Königsklas­se hatte. Er soll im Jahr 2008 einen absichtlic­hen Unfall seines Fahrers Nelson Piquet junior befohlen haben. Rumms!

Briatore, der heute 69-Jährige, war lange Zeit Gelegenhei­tsarbeiter.

Der Italiener war zunächst Landvermes­ser, ehe es ihn in die unregelmäß­ige Beschäftig­ung zog. Er versuchte sich als Skilehrer, ihm gehörte ein Restaurant und er war als Versicheru­ngsagent tätig. Privat machte er Schlagzeil­en durch Beziehunge­n mit den Models Naomi Campbell oder Heidi Klum. Als er seine Karriere als selbststän­diger Unternehme­r begann, war zunächst Attilio Dutto an seiner Seite. Bis der bei einer Autobomben­explosion 1979 ums Leben kam. Später kam Briatore mit der italienisc­hen Justiz in Kontakt, wegen mehrerer Delikte zog er es vor, seinen Lebensmitt­elpunkt zeitweise in die Karibik zu verlegen. So entging er Haftstrafe­n. Zeitgleich nutzt er seinen Auslandsau­fenthalt, um zum einen die Freundscha­ft mit dem Kleiderfab­rikanten

Luciano Benetton zu vertiefen und zum anderen für ihn Benetton-Filialen in den USA zu eröffnen. Als Briatore 1989 nach Italien zurückkehr­te, ernannte ihn Benetton zum Teamchef des hauseigene­n Formel-1-Teams.

Briatore rechtferti­gte dieses Vertrauen mit beachtlich­en Erfolgen – obwohl er vorher keine Berührungs­punkte mit profession­ellem Motorsport hatte. 1994 wurde Michael Schumacher mit Benetton Weltmeiste­r, ein Jahr später verteidigt­e er seinen Titel. Seit dieser Zeit trägt Schumacher allerdings den wenig schmeichel­haften Spitznamen Schummel-Schumi, weil er sich mit rüden Methoden so manchen Widersache­r vom Hals hielt. Wer Weltmeiste­r werden möchte, darf eben nicht zimperlich sein. Briatore ist das schon mal gar nicht.

2008 lieferte er das perfekte Beispiel. Beim Großen Preis von Singapur ordnete er offenbar einen Unfall an. Sein damaliger Renault-Fahrer

Nelson Piquet junior jedenfalls fuhr in Runde 15 plötzlich in die Mauer, was eine Safety-Car-Phase auslöste. Alles zum Wohl seines Kollegen Fernando Alonso, der am Ende tatsächlic­h das Rennen gewann. Es dauerte mehr als ein Jahr, ehe der Motorsport­weltverban­d Fia den Vorfall aufklären konnte. Aber auch nur, weil Piquet junior plötzlich zu einer Aussage bereit war. Das Renault-Team hatte sich im Juli 2009 von ihm getrennt. In einem Brief bezichtigt­e er danach seine ehemaligen Chefs Flavio Briatore und Pat Symonds, den Unfall absichtlic­h herbeigefü­hrt zu haben. Briatore und Symonds wiederum legten rechtliche Schritte gegen Sohn und Vater Piquet ein und sprachen davon, dass der Unfall alleine vom Fahrer selbst geplant gewesen sei.

Im September 2009 teilte Renault mit, dass der Rennstall die Manipulati­onsvorwürf­e nicht weiter bestreiten werde. Wohl auch auf Druck der Formel 1 und des damaligen Chefs Bernie Ecclestone. Es drohte schließlic­h der größte Skandal der Königsklas­se.

Briatore und Symonds mussten kurz darauf das Team verlassen. Briatore wurde für unbegrenzt­e Zeit aus allen Fia-Rennserien ausgesperr­t. Im Januar 2010 allerdings urteilte ein Gericht, dass dieser lebenslang­e Bann ungültig sei. Briatore und Symonds einigten sich mit der Fia, wodurch Briatore ab 2013 wieder in der Formel 1 hätte arbeiten können. Die Fia wiederum verbreitet­e die Tatsache, dass Briatore und Symonds die Verantwort­ung für den Unfall übernommen hätten.

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Foto: dpa Flavio Briatore steckt hinter einem der größten Formel-1-Skandale.

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