Guenzburger Zeitung

Bis hierhin und nicht weiter

Wie Justiz und Polizei in Zeiten der Krise arbeiten und was bei Verstößen gegen die Ausgangsbe­schränkung­en droht

- VON ALEXANDER SING UND PETER BAUER

Günzburg/Memmingen Die Justiz könnte bald deutlich mehr Arbeit bekommen. Und das in einer Zeit, in der auch an den Gerichten in Bayern der Betrieb auf das nötige Minimum herunterge­fahren wird. Denn nachdem Ministerpr­äsident Markus Söder am Freitag weitreiche­nde Ausgangsbe­schränkung­en verkündet hat, könnten bald erste Verstöße gegen diese Beschränku­ngen vor Gericht landen.

Und die Justiz nimmt die Gefahr durch das fahrlässig­e oder gar vorsätzlic­he Verbreiten des Coronaviru­s Sars-CoV2 durchaus ernst – zumindest wenn es nach Amtsgerich­tsdirektor Walter Henle geht. „Sollte es solche Seuchenver­stöße geben, muss man reagieren und ein Zeichen setzen“, sagt der Chef des Amtsgerich­ts in Günzburg. „Die Verfahren werden dann schnell stattfinde­n und ich für meinen Teil werde als Richter entspreche­nd reagieren und den Strafrahme­n auch ausschöpfe­n.“

Den Strafrahme­n regelt das Infektions­schutzgese­tz (IfSG), das eine ganze Reihe von möglichen Verstößen aufzählt, von der Missachtun­g von Anweisunge­n des Gesundheit­samtes, über die Verheimlic­hung einer möglichen Erkrankung, bis hin zum Ignorieren von Ausgangsbe­schränkung­en. Geschehen sie fahrlässig, gelten sie in der Regel als Ordnungswi­drigkeit, die, je nach Vergehen, teils mit Geldbußen von bis zu 2500 Euro, teils sogar mit Geldbußen von bis zu 25000 Euro bestraft werden. Zu einer Straftat wird es, wenn vorsätzlic­h gegen die Beschränku­ngen verstoßen und so zur Ausbreitun­g des Virus beigetrage­n wird. Darauf steht eine Freiheitss­trafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Was zutrifft, müsse dann im Einzelfall beurteilt werden, so Richter Henle. Das Abhalten sogenannte­r Corona-Partys oder das Öffnen von Restaurant­s und Geschäften trotz Verbots dürfte aber auf jeden Fall unter Vorsatz zu verbuchen sein.

Wie sich die Menschen nun verhalten, bleibt abzuwarten. Nach Auskunft der Staatsanwa­ltschaft Memmingen habe es bislang in der Region keine gravierend­en Verstöße gegeben. „Allerdings gelten nun mit der Ausgangssp­erre auch strengere Maßstäbe bei der Strafverfo­lgung“, erklärt Sprecher Thomas Hörmann. Er räumt aber auch ein: „Wir müssen uns erst mal damit auseinande­rsetzen. Das ist für uns strafrecht­liches Randgebiet.“

Die verschärft­en Ausgangsbe­schränkung­en gelten ab Samstag, 0 Uhr. Damit ist auch für die Polizei im Landkreis Günzburg mit den drei Inspektion­en in Günzburg, Burgau und Krumbach eine neue Situation entstanden. „Wir beginnen jetzt mit stichprobe­nartigen Kontrollen“, erklärt Susanne Höppler, Leiterin der Krumbacher Polizeiins­pektion. Natürlich sei das nicht so zu verstehen, dass ganze Stadtteile abgeriegel­t werden. Aber die Polizei werde in der Öffentlich­keit verstärkt Präsenz zeigen, beispielsw­eise dort, wo erfahrungs­gemäß mit größeren Personengr­uppen zu rechnen ist. Susanne Höppler setzt in dieser schwierige­n Situation auf die Vernunft der Menschen. Insgesamt hätten sich die Menschen in der Region bis auf einige Einzelfäll­e „relativ disziplini­ert verhalten“.

In der Region sei es, wie Höppler berichtet, in den vergangene­n Tagen auf Sport- und Spielplätz­en vereinzelt notwendig gewesen, Platzverwe­ise auszusprec­hen. Alle Personen hätten sich aber einsichtig gezeigt und wären den Aufforderu­ngen nachgekomm­en. Weniger einsichtig zeigten sich am Donnerstag mehrere Jugendlich­e und Erwachsene in Günzburg, denen die Polizei Gewahrsam androhen musste, um sie zum Heimgehen zu bewegen.

Bereits in den vergangene­n Tagen hätte es bei der Polizei wiederholt Anrufe von Bürgern gegeben, die sich danach erkundigt hätten, was jetzt noch erlaubt sei. Die Inspektion­sleiterin hält es für denkbar, dass es jetzt eventuell eine erhöhte Zahl von Anrufern gibt. Sie hofft aber auch, dass sich die Bürger auf ihren gesunden Menschenve­rstand verlassen. „Und da ist doch beispielsw­eise auch klar, dass zum Beispiel Lauftreffs jetzt problemati­sch sind, nicht aber, wenn jemand allein in den Wald zum joggen geht.“Sport und spazieren gehen bleiben weiterhin möglich, allerdings entweder allein oder mit der Familie.

Auch die Justiz schottet sich derweil ab. Auf Empfehlung des bayerische­n Justizmini­sters Georg Eisenreich wird der Betrieb an den Gerichten und Staatsanwa­ltschaften im Freistaat herunterge­fahren. „Es ist unsere Aufgabe, die Funktionsf­ähigkeit der Justiz aufrechtzu­erhalten sowie die Ausbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n und die Gesundheit aller Beteiligte­n zu schützen“, wird Eisenreich in einer Pressemitt­eilung zitiert. Die zentrale Empfehlung lautet: Konzentrat­ion auf die Kernbereic­he und Reduzierun­g der öffentlich­en Verhandlun­gen auf das Nötigste. Am Landgerich­t Memmingen etwa wurden alle Berufungsv­erhandlung­en abgesagt.

Am Amtsgerich­t in Günzburg werden viele Mitarbeite­r ab sofort von zu Hause aus arbeiten, über eine sichere Verbindung, angeschlos­sen an das interne Netz der Justiz. Dadurch werden im Gerichtsge­bäude an der Ichenhause­r Straße so viele Büros frei, dass jeder Mitarbeite­r vor Ort einen eigenen Raum hat.

„Der Publikumsv­erkehr wird stark eingeschrä­nkt, es werden vorerst nur noch Verhandlun­gen in unaufschie­bbaren Fällen abgehalten“, erklärt Direktor Henle. Kommende Woche findet kein einziger Termin statt. Anträge sollten nur noch schriftlic­h gestellt werden, Formulare gebe es auf der Homepage des Amtsgerich­ts zum Download und in Papierform an der Pforte.

Eilanträge könne das Gericht aber in allen Bereichen bearbeiten, versichert Henle. Erst am Freitag habe man etwa eine Vorführung vor einem Haftrichte­r abgehalten – mit dem nötigen Abstand zwischen allen Beteiligte­n. Auch die schnelle Bearbeitun­g von Betreuungs- und Gewaltschu­tzsachen sei gewährleis­tet. Auf die Frage, wie lange der Notbetrieb laufen könne, sagt Henle: „Diese Frage stelle ich mir auch bei der Wirtschaft. Sehr viel länger als bis Ostern wird bei uns nicht gehen. Sonst lässt sich der Berg, der jetzt angehäuft wird, nur schwer wieder abarbeiten.“

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Weiter als durch diese Tür kommt man am Amtsgerich­t Günzburg in der Regel nicht. Das Gebäude ist für den Publikumsv­erkehr gesperrt, nur noch dringende Verhandlun­gen finden statt. Womöglich auch bald wegen Verstößen gegen die Ausgangsbe­schränkung­en der Staatsregi­erung.

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