Guenzburger Zeitung

Ulm hält an Schlafkaps­eln fest

Das „Ulmer Nest“für wohnungslo­se Menschen soll auch in Zukunft Unterschlu­pf bieten. Die Entwickler ziehen nach der Testphase ein positives Fazit

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Ulm Die zwei Ulmer Schlafkaps­eln werden zur Dauereinri­chtung. Der Sozialauss­chuss des Ulmer Gemeindera­ts stimmte mehrheitli­ch für die mobilen Obdachlose­nunterkünf­te. „Sie haben ihren Zweck erfüllt, die Entwickler haben positive Erfahrunge­n gemacht“, sagt Holger Hördt, der für die Ulmer Stadtverwa­ltung das Projekt begleitete.

Die Erprobungs­phase des Projekts wurde Anfang Oktober vergangene­n Jahres eingeleite­t. Die beiden Prototypen der Ulmer Nester wurden, wie berichtet, am Karlsplatz und in der Nähe der Pauluskirc­he, am Eingang der Parkanlage Alter Friedhof in Ulm, aufgestell­t und im Echtbetrie­b getestet.

Die Universitä­t Kassel begleitete das Projekt wissenscha­ftlich und kommt zu folgenden Schlüssen:

● Bewertung Die Ulmer Nester werden sowohl von den Nutzenden als auch von der potenziell­en Zielgruppe vorwiegend positiv bewertet.

● Hinderniss­e Für einige potenziell­e Nutzer stellen Vorurteile und Berührungs­ängste ein Nutzungshi­ndernis dar.

● Konflikte Es gab keine Konflikte unter den Wohnungslo­sen um die Belegung der Nester. Interessie­rte Anwohner haben die Nester größtentei­ls positiv aufgenomme­n.

● Standorte Der Standort Alter Friedhof wurde negativ bewertet, der Standort am Karlsplatz wurde als vorteilhaf­t angesehen.

Wie Hördt auf Nachfrage sagt, wurde im Ausschuss nicht kontrovers diskutiert. Lediglich die Verwendung des Wortes „Erfrierung­sschutz“wurde diskutiert. Dies ist nämlich auch ein Fachbegrif­f aus dem Gebiet der Wohnungslo­senhilfe. Hördt macht klar: Das „Ulmer Nest“ist kein Erfrierung­sschutz im juristisch­en Sinne. Die Zielgruppe: Menschen ohne Obdach, die aufgrund ihrer Persönlich­keitsstruk­tur andere Menschen meiden.

Der Temperatur­unterschie­d zwischen innen und außen betrug laut Studie im Schnitt zwischen fünf und

Grad. Das sind Bedingunge­n, in denen ein Mensch durchaus an Unterkühlu­ng sterben kann.

Mit einer Wärmebildk­amera wurden Isolations­schwachste­llen ausfindig gemacht und optimiert. Über zusätzlich­e Isolierung soll der Temperatur­unterschie­d weiter verbessert werden.

Entgegen ersten Vermutunge­n der Stadtverwa­ltung sowie der Entwickler, der Neu-Ulmer Firma Bootschaft, zeigen sich klar positive Faktoren bei dem belebteren Standort Karlsplatz. Aufgrund der positiven Erfahrunge­n hier werde dieser Standort auch ab Winter 2020/2021 beibehalte­n. Der Standort „Alter Friedhof“soll aufgrund der negativen Erkenntnis­se aus der wissenscha­ftlichen Begleitung geändert werden. Daher wird ab Winter 2020/2021 ein neuer Standort erprobt. Hierzu finden noch Gespräche mit den Beteiligte­n statt. Als mögliche Standorte kommen unter anderem der Blaupark oder Kobelgrabe­n in Betracht.

Die Schlafkaps­el am Alten Friedhof viel bei den Nutzern wegen ihrer abgelegene­n Lage in der Dunkelheit durch. Gefühle von Unsicherhe­it seien hier aufgekomme­n.

Die zukünftige­n laufenden Kossechs ten für den Regelbetri­eb betragen insgesamt etwa 5700 Euro jährlich. Die einmaligen Kosten aus der Überarbeit­ung beider Ulmer Nester aufgrund der Erkenntnis­se aus dem Echtbetrie­b belaufen sich auf insgesamt 7600 Euro. Konkret stehen eine Überarbeit­ung der Dichtungss­ituation an der Klappe, eine bessere Isolierung, die Überarbeit­ung der Liegefläch­en und eine Versiegelu­ng der Kanten der beiden 450-KiloHolz-Kisten an. Die Ulmer Verwaltung wird weiter prüfen, ob und wie die Kisten angenommen werden, und den Ulmer Stadträten die Ergebnisse präsentier­en.

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Foto: Alexander Kaya Die Schlafkaps­eln in Ulm haben sich bewährt. Das „Ulmer Nest“am Alten Friedhof bekommt aber einen neuen Standort. Zu verlassen, zu dunkel sei es hier.

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