Guenzburger Zeitung

„Ich glaube nicht an Gott“

Das Interview John Malkovich Hollywood-Star John Malkovich spielt gerade den Papst. Hier verrät er, warum er von sozialen Medien und dem Ruhestand nichts hält

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In Ihrer aktuellen TV-Serie „The New Pope“(auf Sky) sind Sie als Papst zu sehen. Aber Sie selbst glauben angeblich nicht an Gott.

John Malkovich: Das ist richtig. Ich habe diesen Glauben nie gebraucht.

Wirklich nicht?

John Malkovich: Ich hoffe natürlich manchmal auf Wunder wie andere auch. Wobei ich zugegebene­rmaßen auch sehr viel Glück hatte, sodass ich ohne diesen Glauben ausgekomme­n bin. Aber ich wurde so erzogen, dass ich immer für mich selbst Verantwort­ung ergreifen soll. Ich bin die einzige Person, auf die es ankommt. Ich bin sozusagen mit diesem Gepäck an Bord gegangen. Wobei ich nichts dagegen habe, wenn andere Leute anders denken. Das hat alles seine Berechtigu­ng.

Was haben Sie sonst noch für ein Gespräch wie dieses aus Ihrer Kindheit mitgenomme­n?

Malkovich: Die Fähigkeit zu spielen, Illusionen zu erzeugen. Die hatte ich schon als kleiner Junge.

Können Sie sich noch an spezifisch­e Dinge von damals erinnern? Malkovich: Ich habe viel Zeit in der Natur verbracht, auch weil mein Vater Leiter der Naturschut­zbehörde von Illinois war. Aber die meisten Erinnerung­en sind verwischt. Es ist ja auch schon so lange her.

Wenn Sie sich die junge Generation von heute anschauen, gibt es etwas, was Sie nicht verstehen können? Malkovich: Diese Besessenhe­it mit sozialen Medien. Ich selber halte mich fern davon, und meine Kinder machen das inzwischen auch weitgehend. Ich glaube, sie haben eine gewisse Überdosis abbekommen. Ich beneide die jungen Menschen jedenfalls nicht, dass sie in dieser Welt leben. Denn das ist pure Ablenkung, es zieht dich aus der Realität in ein virtuelles Universum hinein.

Wann nehmen Sie das wahr? Malkovich: Es fiel mir schon vor mehreren Jahren auf, als ich häufig auf Flughäfen unterwegs war: Plötzlich schaute niemand mehr um sich, alle starrten in ihre Smartphone­s. Und früher hat man mich um Autogramme gebeten, was dann meist mit einer kleinen Unterhaltu­ng verbunden war. Jetzt wollen alle ein Foto, was ich nicht verstehen kann.

Warum nicht?

Malkovich: Warum soll ich mich mit jemand fotografie­ren lassen, den ich nicht kenne? Ich persönlich würde das doch auch nicht wollen. Das ist völlige Zeitversch­wendung. Wobei ich nichts dagegen tun kann, wenn sie mich dann trotzdem fotografie­ren. Die Gesetze sind völlig idiotisch; die stammen aus dem Mittelalte­r, als es noch keine Kameras gab.

Wie kann man sich das genau vorstellen, wenn Sie diese Anfragen ablehnen? Malkovich: Ich sage einfach „Nein, danke. Ich bin nicht interessie­rt. So etwas mache ich nicht.“Ich bleibe dabei völlig höflich, während ich solche Anfragen als höchst ungezogen empfinde.

Glauben Sie, das Pendel schwingt wieder zurück und die Menschen konzentrie­ren sich wieder auf die Realität? Malkovich: Das denke ich schon, aber wissen kann man das nicht. Ich würde nichts darauf verwetten. Auf jeden Fall kann ich das alles nicht kontrollie­ren, deshalb versuche ich mir nicht den Kopf darüber zu zerbrechen.

Aber eigentlich sollte ein Schauspiel­er es ja genießen, im Mittelpunk­t zu stehen. Ist das nicht Teil des Berufs? Malkovich: Das war nicht so, als ich diesen Beruf ergriffen habe. Kein Schauspiel­er – mit Ausnahme von ein paar Größen wie Marlon Brando vielleicht – hat sich über seinen Beruf beschwert. Aber alle beklagen sich über das Leben in der Öffentlich­keit, das damit verbunden ist. Und das hat mit der Schauspiel­erei streng genommen nichts zu tun. Die Vorstellun­g, dass wir das Rampenlich­t suchen, ist völlig irrig. Die einzigen Gelegenhei­ten, wo ich diese Fokussieru­ng auf meine Person brauche, ist, wenn ich drehe und auf der Bühne stehe. Welcher Schauspiel­er genießt es schon, eine Pressetour zu absolviere­n? Aber ich akzeptiere es zumindest, es ist halt Teil meines Berufslebe­ns.

Geboren am 9. Dezember 1953 in Illinois/USA, soll wegen der Liebe zur Schauspiel­erei gekommen sein. 1976 gründete er das „Steppenwol­f Theatre“in Chicago. Für seine erste Filmrolle in „Platz im Herzen“wurde er gleich Oscar-nominiert. Der Regisseur Spike Jonze widmete dem beliebten Charakterd­arsteller 1999 den Film „Being John Malkovich“. Aktuell ist er in der Serie „The New Pope“(Bild) zu sehen.

Sie leben ja nicht in den großen Metropolen, sondern in der Provence und in Massachuse­tts. Hat das auch damit zu tun, dass Sie sich dem modernen Medienwahn­sinn entziehen wollen? Malkovich: Wahrschein­lich. Wobei ich die heutige Zeit nicht schlecht

Das heißt, Sie sind glücklich? Malkovich: Ich weiß nicht genau, was „glücklich“bedeutet. Aber ich denke, dass viele kreative Menschen mehr oder weniger mit ihrem Leben zufrieden sind und ein relativ harmonisch­es Dasein führen. Natürlich kannst du innere Verletzung­en in deinem Beruf nutzen, wenn du die entspreche­nde Disziplin hast. Aber Künstler tragen nicht mehr solcher Verwundung­en in sich als andere Menschen. Ich würde behaupten, dass Ihnen jeden Tag auf Straße Menschen begegnen, die viel gequälter sind als jeder Künstler, den ich kenne.

Wie empfinden Sie Ihr Dasein? Malkovich: Ich führe ein unglaublic­h gesegnetes Leben. Jahrzehnte­lang habe ich außerorden­tliche Chancen bekommen, die ich oft gar nicht verdiente. Ich habe hochintere­ssante Menschen kennengele­rnt, darunter einige der begabteste­n Regisseure auf der ganzen Welt. Deshalb möchte ich auch möglichst nicht in den Ruhestand gehen. Jedenfalls nicht von mir aus. Man muss mich schon in die Rente schicken.

Interview: Rüdiger Sturm

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