Polizeikontrollen der anderen Art
Seitdem Ausgangsbeschränkungen wegen des Coronavirus gelten, haben Beamte Tausende Menschen überprüft. Welche Strafen drohen und wie die Arbeit beeinflusst wird
Landkreis Drei Männer gehen in Günzburg auf dem Fußweg spazieren. Sie reden miteinander, lachen, diskutieren. Die Polizei hält die 25und 26-jährigen Fußgänger an, kontrolliert die kleine Gruppe – und erstattet Anzeige. Einen ähnlichen Fall gibt es tags zuvor: Drei junge Männer im Alter zwischen 16 und 21 Jahren sind mit dem Auto unterwegs. Sie sind nicht zu schnell, sie missachten keine Vorfahrt. Trotzdem werden sie angezeigt. Solche bis vor Kurzem noch ins Reich der Fantasien verorteten Anzeigen sind nun Alltag und keinesfalls polizeiliche Willkür. Denn in Bayern darf wegen der Corona-Pandemie seit Samstagnacht niemand mehr ohne triftigen Grund seine eigenen vier Wände verlassen. Und daran haben sich die kontrollierten Männer eben nicht gehalten. Sie waren ohne triftigen Grund mit dem Auto unterwegs beziehungsweise lebten sie und auch die drei Fußgänger in keiner häuslichen Gemeinschaft. Alle Männer wurden deshalb wegen eines Verstoßes nach dem Infektionsschutzgesetz angezeigt.
Generell gilt: „Die Leute sollen zu Hause bleiben“, sagt Johanna Graf, Sprecherin des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West. Wer kurz frische Luft schnappen will, soll am besten auf dem Balkon oder im Garten bleiben. Wer sich bewegen will, sollte von der Haustür aus zu Fuß spazieren gehen und dabei Abstand zu anderen Menschen halten.
Die meisten Menschen haben sich laut Graf bisher an die Regeln gehalten. Im gesamten Bereich des Polizeipräsidiums habe es 5500 Kontrollen gegeben, 120 davon wurden geahndet – in knapp 100 Fällen davon wurden Bußgeldverfahren eingeleitet. Es wird kontrolliert, ob sich die Menschen an die Veranstaltungsverbote und Betriebsuntersagungen sowie an die seit wenigen Tagen geltenden Ausgangsbeschränkungen halten. Niemand soll glauben, dass die Polizei das Thema locker nehme, betont Graf. Polizeipräsident Werner Strößner sagt zu den derzeit gültigen Maßnahmen: „Die Regelungen in der Allgemeinverfügung sind keine Schikane, sondern dienen dem Schutz der eigenen und der Gesundheit anderer in dieser ernst zu nehmenden Lage. Falls die Schutzmaßnahmen nicht beachtet werden, wird die Polizei konsequent einschreiten, Verstöße gegen die Allgemeinverfügung unterbinden und Verfahren einleiten.“Und das kann richtig teuer werden: Es können Geldbußen bis zu 25000 Euro verhängt werden. Nach Paragraf 74 des Infektionsschutzgesetzes können bei einem vorsätzlichen Verstoß sogar bis zu fünf Jahre Gefängnis verhängt werden, wenn beispielsweise dadurch jemand angesteckt wird.
An einen normalen Alltag ist für die Polizeibeamten laut Günzburgs Polizeichef Stefan Müller derzeit nicht zu denken. Die Überwachung der Ausgangssperre läuft demnach im Rahmen des täglichen Dienstes ab: „Das ist ein Top-Thema und jetzt einer unserer Schwerpunkte.“Bereits zweimal sei die Bereitschaftspolizei zur Unterstützung dieser Aufgaben vor Ort gewesen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung und Geschäftsleute halte sich an die Beschränkungen. Nur wenige gastronomische Betriebe haben sich laut Müller bisher über die angeordneten Schließungen hinweggesetzt. „Angeblich haben sie es nicht mitbekommen. Aber ich glaube, dass jeder Mensch inzwischen weiß, wie die aktuelle Regelung ist“, sagt Müller. Er meint, eine Tendenz ausmachen zu können: Die Zahlen für Verkehrsunfälle sinken. Für eine verlässliche Aussage sei es allerdings noch zu früh. Ebenfalls noch nicht ausgewertet sind die Einsatzzahlen bei der Günzburger Autobahnpolizei. „Wir haben sehr viel Schriftverkehr wegen der Allgemeinverfügung.
Susanne Höppler, Polizei Krumbach
Ob die Zahlen drastisch nach unten gehen, kann ich noch nicht beurteilen“, sagt Werner Schedel, Leiter der Autobahnpolizei.
Susanne Höppler ist Leiterin der Krumbacher Polizeiinspektion und erklärt, dass sich die Bürger bislang insgesamt sehr diszipliniert an die geltenden Bestimmungen halten würden. Aber in einzelnen Fällen muss die Polizei dann eben doch eingreifen. So beispielsweise am Montag in Oberrohr. Aufgrund eines Hinweises überprüfte die Polizei Krumbach gegen 15.30 Uhr eine Unterkunft mit mehreren vermieteten Einzelzimmern. In einem Zimmer wurde vier Personen angetroffen, die zueinander keine familiäre Beziehung oder gemeinsame Wohnsituation vorweisen konnten. Einem ausgesprochenen Platzverweis kamen die Betroffenen nach, zeigten sich aber, wie die Polizei berichtet, völlig uneinsichtig.
Bei einer allgemeinen Kontrolltätigkeit im Stadtpark Krumbach wurden am Dienstagmittag zwei junge Männer eng sitzend auf einer Parkbank angetroffen. Den Polizeibeamten fiel auf, dass einer der Männer einen kleinen Gegenstand wegwarf. Hierbei handelte es sich laut Polizei um einige Gramm Marihuana, die sich in einer Alufolie befanden. Es liegt der Schluss nahe, dass sich die beiden Männer zum gemeinsamen Drogenkonsum getroffen hatten. Neben dem Verfahren wegen illegalem Drogenbesitz kommt auf beide außerdem noch ein Bußgeld wegen des Verstoßes gegen die geltende Allgemeinverfügung zu.
Wie Inspektionsleiterin Susanne Höppler berichtet, würden Kontrollen in der Regel aber in einer freundlichen Atmosphäre ablaufen. Hilfreich sei es jedoch, wenn Bürger, die beispielsweise Richtung Arbeit fahren, eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers und den Ausweis dabei hätten. Höppler rechnet damit, dass in dieser Krisenzeit die Zahl der Unfälle und Verkehrsdelikte abnehme. Aber sie sagt auch: „Einbrecher halten sich wohl nicht an Ausgangsbeschränkungen.“Hier werde die Polizei weiter wachsam sein.
Burgaus Polizeichef Stefan Eska erklärt, dass abendliche Menschenansammlungen beispielsweise an Tankstellen und Parkplätzen bei lauter Musik von ihm und seinen Kollegen „konsequent unterbunden werden“. Die Bürger halten sich derzeit aber gut an die Ausgangsbeschränkung. „Grundsätzlich sollte es so sein, dass man mit gesundem Menschenverstand beurteilt, was wirklich notwendig ist und was nicht“, sagt Eska.
Für die Beamten selbst gibt es wegen des Coronavirus auch Einschränkungen. Die geltende Distanzempfehlung von 1,5 Metern erschweren die Ausübung des Berufs. „Wir versuchen auch zu unserem eigenen Schutz, den Sicherheitsabstand einzuhalten und die Infektionsgefahr so gering wie möglich zu halten. Das hat für uns oberste Priorität“, sagt Günzburgs Polizeichef Müller. Bei den Kontrollen würden sich die Beamten aller Polizeiinspektionen an die derzeitigen Hygieneregeln halten. „Wenn man die Vorgaben eins zu eins umsetzen will, gibt es aber schon Schwierigkeiten“, erzählt Schedel von der Autobahnpolizei. Allerdings haben die Polizisten individuellen Spielraum. Sich die Fahrzeugpapiere auf die Motorhaube oder aufs Autodach legen lassen oder Handschuhe benutzen? Alles sei möglich. Das Innere der Polizeifahrzeuge, insbesondere das Lenkrad, aber auch Dienstkleidung werde regelmäßig desinfiziert.
Die Polizeiinspektionen sind zwar weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich, im Eingangsbereich seien die Kollegen durch ein Glasfenster geschützt. Höppler und ihre Kollegen bitten darum, Anzeigen in weniger schwerwiegenden Fällen telefonisch, schriftlich oder online aufzugeben. Die Polizei hat einen Wunsch: Bei Fragen zu Corona sollen Bürger auf keinen Fall den Notruf 110 wählen. Solche Anrufe gingen auch bei der Einsatzzentrale und den Dienststellen ein. Allein in Günzburg waren es laut Polizeichef Müller an einem Tag mehr als 200 Anrufe von besorgten Bürgern. Vielmehr soll man sich an die Hotline der Bayerischen Staatsregierung für Fragen in Sachen Corona unter der 089/122220, oder, bei medizinischen Fragen und solchen zur Allgemeinverfügung, an das Bürgertelefon des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege unter der Nummer 09131/368085101 wenden. (mit cao)
„Einbrecher halten sich wohl nicht an Ausgangsbeschränkungen.“