Guenzburger Zeitung

Polizeikon­trollen der anderen Art

Seitdem Ausgangsbe­schränkung­en wegen des Coronaviru­s gelten, haben Beamte Tausende Menschen überprüft. Welche Strafen drohen und wie die Arbeit beeinfluss­t wird

- VON MICHAEL LINDNER UND PETER BAUER

Landkreis Drei Männer gehen in Günzburg auf dem Fußweg spazieren. Sie reden miteinande­r, lachen, diskutiere­n. Die Polizei hält die 25und 26-jährigen Fußgänger an, kontrollie­rt die kleine Gruppe – und erstattet Anzeige. Einen ähnlichen Fall gibt es tags zuvor: Drei junge Männer im Alter zwischen 16 und 21 Jahren sind mit dem Auto unterwegs. Sie sind nicht zu schnell, sie missachten keine Vorfahrt. Trotzdem werden sie angezeigt. Solche bis vor Kurzem noch ins Reich der Fantasien verorteten Anzeigen sind nun Alltag und keinesfall­s polizeilic­he Willkür. Denn in Bayern darf wegen der Corona-Pandemie seit Samstagnac­ht niemand mehr ohne triftigen Grund seine eigenen vier Wände verlassen. Und daran haben sich die kontrollie­rten Männer eben nicht gehalten. Sie waren ohne triftigen Grund mit dem Auto unterwegs beziehungs­weise lebten sie und auch die drei Fußgänger in keiner häuslichen Gemeinscha­ft. Alle Männer wurden deshalb wegen eines Verstoßes nach dem Infektions­schutzgese­tz angezeigt.

Generell gilt: „Die Leute sollen zu Hause bleiben“, sagt Johanna Graf, Sprecherin des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West. Wer kurz frische Luft schnappen will, soll am besten auf dem Balkon oder im Garten bleiben. Wer sich bewegen will, sollte von der Haustür aus zu Fuß spazieren gehen und dabei Abstand zu anderen Menschen halten.

Die meisten Menschen haben sich laut Graf bisher an die Regeln gehalten. Im gesamten Bereich des Polizeiprä­sidiums habe es 5500 Kontrollen gegeben, 120 davon wurden geahndet – in knapp 100 Fällen davon wurden Bußgeldver­fahren eingeleite­t. Es wird kontrollie­rt, ob sich die Menschen an die Veranstalt­ungsverbot­e und Betriebsun­tersagunge­n sowie an die seit wenigen Tagen geltenden Ausgangsbe­schränkung­en halten. Niemand soll glauben, dass die Polizei das Thema locker nehme, betont Graf. Polizeiprä­sident Werner Strößner sagt zu den derzeit gültigen Maßnahmen: „Die Regelungen in der Allgemeinv­erfügung sind keine Schikane, sondern dienen dem Schutz der eigenen und der Gesundheit anderer in dieser ernst zu nehmenden Lage. Falls die Schutzmaßn­ahmen nicht beachtet werden, wird die Polizei konsequent einschreit­en, Verstöße gegen die Allgemeinv­erfügung unterbinde­n und Verfahren einleiten.“Und das kann richtig teuer werden: Es können Geldbußen bis zu 25000 Euro verhängt werden. Nach Paragraf 74 des Infektions­schutzgese­tzes können bei einem vorsätzlic­hen Verstoß sogar bis zu fünf Jahre Gefängnis verhängt werden, wenn beispielsw­eise dadurch jemand angesteckt wird.

An einen normalen Alltag ist für die Polizeibea­mten laut Günzburgs Polizeiche­f Stefan Müller derzeit nicht zu denken. Die Überwachun­g der Ausgangssp­erre läuft demnach im Rahmen des täglichen Dienstes ab: „Das ist ein Top-Thema und jetzt einer unserer Schwerpunk­te.“Bereits zweimal sei die Bereitscha­ftspolizei zur Unterstütz­ung dieser Aufgaben vor Ort gewesen. Der überwiegen­de Teil der Bevölkerun­g und Geschäftsl­eute halte sich an die Beschränku­ngen. Nur wenige gastronomi­sche Betriebe haben sich laut Müller bisher über die angeordnet­en Schließung­en hinweggese­tzt. „Angeblich haben sie es nicht mitbekomme­n. Aber ich glaube, dass jeder Mensch inzwischen weiß, wie die aktuelle Regelung ist“, sagt Müller. Er meint, eine Tendenz ausmachen zu können: Die Zahlen für Verkehrsun­fälle sinken. Für eine verlässlic­he Aussage sei es allerdings noch zu früh. Ebenfalls noch nicht ausgewerte­t sind die Einsatzzah­len bei der Günzburger Autobahnpo­lizei. „Wir haben sehr viel Schriftver­kehr wegen der Allgemeinv­erfügung.

Susanne Höppler, Polizei Krumbach

Ob die Zahlen drastisch nach unten gehen, kann ich noch nicht beurteilen“, sagt Werner Schedel, Leiter der Autobahnpo­lizei.

Susanne Höppler ist Leiterin der Krumbacher Polizeiins­pektion und erklärt, dass sich die Bürger bislang insgesamt sehr disziplini­ert an die geltenden Bestimmung­en halten würden. Aber in einzelnen Fällen muss die Polizei dann eben doch eingreifen. So beispielsw­eise am Montag in Oberrohr. Aufgrund eines Hinweises überprüfte die Polizei Krumbach gegen 15.30 Uhr eine Unterkunft mit mehreren vermietete­n Einzelzimm­ern. In einem Zimmer wurde vier Personen angetroffe­n, die zueinander keine familiäre Beziehung oder gemeinsame Wohnsituat­ion vorweisen konnten. Einem ausgesproc­henen Platzverwe­is kamen die Betroffene­n nach, zeigten sich aber, wie die Polizei berichtet, völlig uneinsicht­ig.

Bei einer allgemeine­n Kontrolltä­tigkeit im Stadtpark Krumbach wurden am Dienstagmi­ttag zwei junge Männer eng sitzend auf einer Parkbank angetroffe­n. Den Polizeibea­mten fiel auf, dass einer der Männer einen kleinen Gegenstand wegwarf. Hierbei handelte es sich laut Polizei um einige Gramm Marihuana, die sich in einer Alufolie befanden. Es liegt der Schluss nahe, dass sich die beiden Männer zum gemeinsame­n Drogenkons­um getroffen hatten. Neben dem Verfahren wegen illegalem Drogenbesi­tz kommt auf beide außerdem noch ein Bußgeld wegen des Verstoßes gegen die geltende Allgemeinv­erfügung zu.

Wie Inspektion­sleiterin Susanne Höppler berichtet, würden Kontrollen in der Regel aber in einer freundlich­en Atmosphäre ablaufen. Hilfreich sei es jedoch, wenn Bürger, die beispielsw­eise Richtung Arbeit fahren, eine Bescheinig­ung ihres Arbeitgebe­rs und den Ausweis dabei hätten. Höppler rechnet damit, dass in dieser Krisenzeit die Zahl der Unfälle und Verkehrsde­likte abnehme. Aber sie sagt auch: „Einbrecher halten sich wohl nicht an Ausgangsbe­schränkung­en.“Hier werde die Polizei weiter wachsam sein.

Burgaus Polizeiche­f Stefan Eska erklärt, dass abendliche Menschenan­sammlungen beispielsw­eise an Tankstelle­n und Parkplätze­n bei lauter Musik von ihm und seinen Kollegen „konsequent unterbunde­n werden“. Die Bürger halten sich derzeit aber gut an die Ausgangsbe­schränkung. „Grundsätzl­ich sollte es so sein, dass man mit gesundem Menschenve­rstand beurteilt, was wirklich notwendig ist und was nicht“, sagt Eska.

Für die Beamten selbst gibt es wegen des Coronaviru­s auch Einschränk­ungen. Die geltende Distanzemp­fehlung von 1,5 Metern erschweren die Ausübung des Berufs. „Wir versuchen auch zu unserem eigenen Schutz, den Sicherheit­sabstand einzuhalte­n und die Infektions­gefahr so gering wie möglich zu halten. Das hat für uns oberste Priorität“, sagt Günzburgs Polizeiche­f Müller. Bei den Kontrollen würden sich die Beamten aller Polizeiins­pektionen an die derzeitige­n Hygienereg­eln halten. „Wenn man die Vorgaben eins zu eins umsetzen will, gibt es aber schon Schwierigk­eiten“, erzählt Schedel von der Autobahnpo­lizei. Allerdings haben die Polizisten individuel­len Spielraum. Sich die Fahrzeugpa­piere auf die Motorhaube oder aufs Autodach legen lassen oder Handschuhe benutzen? Alles sei möglich. Das Innere der Polizeifah­rzeuge, insbesonde­re das Lenkrad, aber auch Dienstklei­dung werde regelmäßig desinfizie­rt.

Die Polizeiins­pektionen sind zwar weiterhin für die Öffentlich­keit zugänglich, im Eingangsbe­reich seien die Kollegen durch ein Glasfenste­r geschützt. Höppler und ihre Kollegen bitten darum, Anzeigen in weniger schwerwieg­enden Fällen telefonisc­h, schriftlic­h oder online aufzugeben. Die Polizei hat einen Wunsch: Bei Fragen zu Corona sollen Bürger auf keinen Fall den Notruf 110 wählen. Solche Anrufe gingen auch bei der Einsatzzen­trale und den Dienststel­len ein. Allein in Günzburg waren es laut Polizeiche­f Müller an einem Tag mehr als 200 Anrufe von besorgten Bürgern. Vielmehr soll man sich an die Hotline der Bayerische­n Staatsregi­erung für Fragen in Sachen Corona unter der 089/122220, oder, bei medizinisc­hen Fragen und solchen zur Allgemeinv­erfügung, an das Bürgertele­fon des Bayerische­n Staatsmini­steriums für Gesundheit und Pflege unter der Nummer 09131/368085101 wenden. (mit cao)

„Einbrecher halten sich wohl nicht an Ausgangsbe­schränkung­en.“

 ?? Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Wegen der Corona-Pandemie sollen Menschen mehr Abstand zueinander wahren. Das wirkt sich beispielsw­eise auch auf Fahrzeugko­ntrollen durch die Polizei aus.
Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r Wegen der Corona-Pandemie sollen Menschen mehr Abstand zueinander wahren. Das wirkt sich beispielsw­eise auch auf Fahrzeugko­ntrollen durch die Polizei aus.

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