„Es ist geisterhaft“
Auch Gastronomen sind von den Ausgangsbeschränkungen betroffen – finanzielle Hilfe gibt es kaum. Welche Auswirkungen das im Landkreis Günzburg hat und wie Alternativangebote wahrgenommen werden
Landkreis Die Gastronomiebetriebe im Landkreis blicken schweren Zeiten entgegen: Zuerst gab es gekürzte Öffnungszeiten, inzwischen dürfen gar keine Gäste mehr empfangen werden.
„Es ist geisterhaft“, sagt Helmut Geissmaier, Angestellter in der Gaststätte Hirschbräu in Leipheim. „Wir waren immer gut besucht, bis spätabends war was los.“Jetzt bleibt das Wirtshaus gezwungenermaßen leer. Auch mittags kamen in der vergangenen Woche wenig Gäste und seit Freitag darf die Gaststube gar nicht mehr geöffnet werden. Das hat Konsequenzen für die Angestellten. „Wir informieren uns gerade über Kurzarbeit – anders geht es eben nicht.“
Thomas Jehle vom Gasthaus Zur Eisenbahn in Ichenhausen kann die Maßnahmen der bayerischen Regierung trotzdem verstehen: „Wir hatten so gut wie keine Gäste mehr. Es hätte sich auf Dauer nicht gelohnt, geöffnet zu bleiben.“Allein der Einkauf stelle den Gastronomen inzwischen vor Herausforderungen: „Momentan kann man nur von einem Tag auf den anderen planen und auf gut Glück einkaufen.“Die lang erworbenen Erfahrungswerte seien jetzt nichts wert. Die einzige Alternative, die den Wirten noch bleibt, ist der Abhol- und Lieferservice. „Bei uns kann man schon Essen zum Mitnehmen bestellen, das ist die letzten Tage aber nicht überwältigend gelaufen“, sagt Jehle. Die Eisenbahn mache jetzt übergangsweise für ein paar Tage zu, um sich neu aufzustellen. Eventuell komme noch ein Lieferservice für ein paar Stunden am Tag hinzu. „Wir müssen aber trotzdem schauen, dass wir die Kosten so gering wie möglich halten.“Für seine Festangestellten werde er vermutlich demnächst Kurzarbeit beantragen.
Auch Karl Diem, Inhaber des Gasthofs Diem in Krumbach, hat sich darüber schon informiert. „Normalerweise bedienen wir täglich 100 bis 400 Gäste“, erzählt er. In der vergangenen Woche seien es nicht einmal mehr zehn am Tag gewesen. Und seit Freitag ist das Restaurant geschlossen. Seine Mitarbeiter können im Moment noch Überstunden abbauen, zudem helfen sie im Feinkostgeschäft mit. Freistellen komme für ihn nicht infrage: „Meine Mitarbeiter sind in strengen Jahren immer bei mir gewesen, jetzt bin ich bei ihnen.“Er halte den Betrieb mit finanziellen Rücklagen über
Wasser. „Aktuell haben wir kein Chaos“, betont er. Kunden können noch immer in seiner Metzgerei Essen holen. „Das wird sehr gut angenommen und die Kunden halten sich auch an die Vorschriften. Sie machen alles richtig“, lobt Diem. Unter anderem müssen die Metzgereikunden zwei Meter Abstand zueinander halten. Diem habe zudem Soforthilfe beim Staat beantragt, jedoch noch keine Rückmeldung erhalten. Trotzdem ist er positiv gestimmt: „Ich mache mir keine großen Sorgen, wir kommen da durch.“
Ugo Arduini, Inhaber des italienischen Restaurants Da Ugo in Thannhausen, hat in der vergangenen Woche ebenfalls einen markanten Rückgang an Kundschaft verzeichnet. „Wir wollten aber sowieso nicht alle Tische belegen, damit der vorgeschriebene Abstand eingehalten wird“, erklärte Arduini am Donnerstag. Einen Lieferservice bietet er nicht an. „Wir wollen übermäßigen Kontakt vermeiden.“Essen zum Mitnehmen zu bestellen sei bei ihm möglich – dass er diesen Service mit einer Ausgangssperre weiter anbieten wird, hielt er für unwahrscheinlich. Nach Bekanntgabe der Ausgangsbeschränkungen am Freitag war Arduini für eine Stellungnahme nicht mehr zu erreichen.
die wenigsten Gastronomen kam der Regierungsbeschluss überraschend. Maria Tippel, die das Gasthaus Beim Binderwirt in Burgau führt, hat bereits am Donnerstag die vorläufige Schließung ihres Betriebes beschlossen. „Es lohnt sich einfach nicht. Ich verbrauche mittlerweile schon mehr für den Strom als durch die Gäste wieder reinkommt.“Teilweise haben in der vergangenen Woche Leute bei ihr angerufen und gefragt, ob sie noch geöffnet habe. Seit Freitag ist ihre Gaststätte vollständig geschlossen. Ihre zwei Küchenhilfen, beide auf Minijob-Basis, habe sie freigestellt. „Mein Mann und ich sind 70 Jahre alt“, erzählt sie. „Wir müssen uns auch selbst schützen.“Vor die Tür hat sie eine Tafel gestellt, darauf steht: Bis auf Weiteres geschlossen. „Wir machen auf jeden Fall weiter, wenn das alles vorbei ist“, betont Tippel. Doch wann das sein wird, ist ungewiss.
Geschlossen ist auch das Obere Riedwirtshaus in Günzburg – und zwar schon seit einer Woche. „Wir sind zu weit außerhalb der Stadt gelegen, mittags fährt niemand zu uns raus“, sagt Inhaber Gerhard Keil. Öffnungszeiten bis 15 Uhr seien daher nicht realisierbar gewesen. Zudem seien sowieso langsam die Gäste ausgeblieben. Keil beschäftigt fünf Festangestellte, für die er Kurzarbeit angefordert hat. Zudem hat er für seinen Betrieb Soforthilfe beantragt. „Jetzt müssen wir warten, ob da was dabei rauskommt.“
Die sieben genannten Gastronomen sind keine Ausnahme. „Momentan laufen die meisten am Limit“, bestätigt Ingrid Osterlehner, Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) und Inhaberin des Gasthofs Sonne in Röfingen. Sie spricht von mindestens 90 Prozent Einkommenseinbruch. Auch sie selbst kenne das Problem: Inzwischen stehe in ihrem Gasthof nur noch ein Koch am Herd. Dass einige Betriebe bereits vor dem Wochenende geschlossen waren, überrascht Osterlehner nicht. „Viele sind normalerweise sowieso nur abends geöffnet, weil sich das Mittagsgeschäft für sie nicht lohnt.“Und jetzt gehe es in vielen Fällen ans Existenzminimum. Manche Kollegen hätten einen Lieferservice eingeführt, doch die Resonanz sei durchwachsen. „Bei manchen läuft es gut, bei manchen gar nicht“, sagt sie.
Was die Angestellten angeht, setzen alle Mitgliederbetriebe der Dehoga in erster Linie auf den Abbau von Überstunden und fälligem UrFür laub. „Und dann gibt es Kurzarbeit.“
Kurzarbeit wird über die Bundesagentur für Arbeit beantragt. Neben dem reduzierten oder ganz weggefallenen Gehalt bekommen Betroffene Kurzarbeitergeld. Das sind 60 Prozent des Entgelts für Arbeitnehmer ohne Kinder und 67 Prozent für Arbeitnehmer mit Kindern. Für viele ist das zu wenig. Doch einen zweiten Job anzunehmen, lohnt sich auch nicht.
„In den lokalen Supermärkten werden zwar gerade Aushilfen auf Minijob-Basis gesucht“, sagt Osterlehner, „aber diese Einnahmen werden vom Kurzarbeitergeld wieder abgezogen.“Von den 450 Euro bliebe entsprechend wenig übrig. „Man wird im Prinzip zweimal bestraft.“Sinnvoll sei jetzt eine schnelle und unbürokratische Lösung. Denn auch die von Wirtschaftsminister Huber Aiwanger angekündigte Soforthilfe für Unternehmer hat ihre Tücken. „Solange man noch Eigenkapital hat, wird man nicht unterstützt.“Das bedeutet: Erst wenn alle finanziellen Rücklagen aufgebraucht sind, kann Soforthilfe beantragt werden. „Und das hilft den meisten überhaupt nicht“, betont Osterlehner. „Insgesamt betrachtet sind gerade alle am Verzweifeln.“