Guenzburger Zeitung

Nicht viel mehr als ein Symbol

- VON MARGIT HUFNAGEL huf@augsburger-allgemeine.de

Selten zuvor hatte ein Thema innerhalb der Europäisch­en Union mehr Sprengkraf­t als der Umgang mit der Flüchtling­skrise. Noch heute sind die Nachwehen jener aufgewühlt­en Monate des Jahres 2015 zu spüren: In Europa haben sich Rechtspopu­listen in den Regierunge­n festgesetz­t, die gesellscha­ftlichen Gräben sind längst nicht überbrückt, die Integratio­n bleibt eine Aufgabe für Jahrzehnte. Die EU bewies damals, dass sie in schweren Zeiten nicht zusammenst­ehen kann. Statt Italien und Griechenla­nd in ihrer Not zu unterstütz­en, verweigert­en sich Polen, Ungarn und Tschechien damals einer solidarisc­hen Lösung – und sie tun dies bis zum heutigen Tag.

Es war und bleibt eine Schande, dass nicht einmal ein Kompromiss möglich ist. Deshalb ist es gut, dass der Europäisch­e Gerichtsho­f den drei Ländern mit seinem Urteil klarmacht: So nicht! Beschlüsse sind von allen umzusetzen. Und doch ist dieses Urteil nicht viel mehr als ein juristisch­es Symbol. Denn die harte Linie der Osteuropäe­r ist längst zum europäisch­en Maßstab des Handelns in Flüchtling­sfragen geworden. Als kürzlich die Türkei ihre Grenzen öffnete, lautete das Mantra „2015 darf sich nicht wiederhole­n“– der Begriff „Willkommen­skultur“ist zum Unwort verkommen. Eine kleine „Allianz der Willigen“versucht, die Menschlich­keit nicht aus dem Blick zu verlieren. Doch auch wenn Polen, Ungarn und Tschechien vor Gericht verloren haben – in Wirklichke­it haben sie gewonnen.

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