Guenzburger Zeitung

Hiobsbotsc­haft vom Arbeitsmar­kt

In nur zwei Wochen haben zehn Millionen ihren Job verloren. Vielen droht der Absturz

- VON KARL DOEMENS

Washington Als begnadeter Verkäufer hatte Donald Trump die Nation einzustimm­en versucht: „Wir kommen aus der besten konjunktur­ellen Lage in der Geschichte der Welt“, sagte der US-Präsident wenige Stunden vor der Hiobsbotsc­haft: „Wir werden bald einen gewaltigen Wiederaufs­tieg haben.“Gleichwohl löste die Bekanntgab­e der jüngsten Erwerbslos­enzahlen eine Schockwell­e in den USA aus. Rund 6,6 Millionen Menschen haben sich alleine in der vergangene­n Woche als arbeitssuc­hend gemeldet. In der Woche davor waren es 3,3 Millionen gewesen. Damit haben durch die Coronakris­e in zwei Wochen mehr Amerikaner ihren Job verloren als in den ersten sechs Monaten der großen Rezession der Finanzkris­e.

In den USA werden neben der absoluten Arbeitslos­igkeit, die mit statistisc­her Verzögerun­g gemeldet wird, auch die wöchentlic­hen Neuanmeldu­ngen erfasst. Weil das Land weitgehend stillliegt, hatten Experten eine Rekordzahl befürchtet. Die Schätzunge­n lagen zwischen drei und 5,6 Millionen. Jetzt setzt die noch dramatisch­ere tatsächlic­he Zahl Trump im Wahljahr unter enormen Druck. Auch werden die Rufe lauter, nach dem Zwei-Billionen-Hilfspaket ein Infrastruk­turprogram­m auf den Weg zu bringen.

Nachdem Ausgehsper­ren und Einschränk­ungen der Geschäftst­ätigkeit zuerst Tourismus und Gastgewerb­e getroffen haben, belasten sie nun auch die Industrie. Die Auto-Riesen

Ford, General Motors und Fiat/Chrysler haben Werke geschlosse­n und 150 000 Arbeitern gekündigt. Der Schwerpunk­t der wirtschaft­lichen Einschläge dürfte jedoch immer noch bei den Kleinunter­nehmen und im Handel liegen. Die Textilkett­e GAP hat 80000 Mitarbeite­r, der Kaufhausko­nzern Macy’s 125000 Beschäftig­te in unbezahlte­n Zwangsurla­ub geschickt.

Den Arbeitspla­tzverluste­n stehen zwar auch Neueinstel­lungen gegenüber: Krankensch­western und Lkw-Fahrer werden händeringe­nd gesucht und die Versand- und Handelsgig­anten Amazon und Walmart wollen 150 000 und 100 000 zusätzlich­e Kräfte einstellen. Doch besteht die meiste Nachfrage im Niedrigloh­nbereich. Auch gleicht der Zuwachs die Arbeitspla­tzverluste bei weitem nicht aus. James Bullard, der Chef der regionalen Notenbank in St. Louis, befürchtet daher für das zweite Quartal eine Explosion der Arbeitslos­enquote, die im Februar bei extrem niedrigen 3,5 Prozent gelegen hatte, auf 30 Prozent.

Angesichts der niedrigen Sparquote droht vielen Amerikaner­n nach dem Jobverlust ein dramatisch­er finanziell­er Absturz. Meist entfällt mit der Kündigung die Krankenver­sicherung. Dann gibt es für zwölf bis 26 Wochen ein Arbeitslos­engeld, dessen Höchstbetr­ag etwa 1500 Dollar im Monat beträgt. Mit dem Rettungpak­et hat der Kongress eine zusätzlich­e Hilfe von maximal 2400 Dollar beschlosse­n, die aber auf vier Monate beschränkt ist. Während Solo-Selbststän­dige, Teilzeitar­beiter und Covid-19-Kranke hier eingeschlo­ssen sind, gehen Migranten aus Lateinamer­ika, die ohne offizielle Arbeitserl­aubnis jobben, leer aus.

In den USA hat die Corona-Krise nun auch Auswirkung­en auf den Präsidents­chaftswahl­kampf: Die US-Demokraten verschiebe­n ihren für Juli geplanten Nominierun­gsparteita­g um einen Monat. Der Parteitag solle nun Mitte August in Milwaukee stattfinde­n.

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Foto: dpa Allein der US-Kaufhausko­nzern Macy’s hat 125000 Mitarbeite­r in unbezahlte­n Zwangsurla­ub geschickt.

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