In Ursberg näht man sich Masken selbst
Ursberg „Wir befinden uns vor dem Sturm“, sagt Vorstandsvorsitzender Walter Merkt vom Dominikus-Ringeisen-Werk (DRW). Seine Worte vom Mittwoch beziehen sich auf die Pandemie von Covid-19, der Krankheit, die durch das neuartige Coronavirus ausgelöst wird und auf die sich bereits seit einigen Wochen ganz Deutschland vorbereitet quer durch alle Bereiche von Gesundheitswesen bis Wirtschaft und von Politik bis Sozialeinrichtungen. Zu Letzteren gehört auch das DRW mit seinen rund 900 betreuten Menschen mit Behinderungen am Stammsitz Ursberg. Es ist zugleich der größte Arbeitgeber im Landkreis Günzburg, für den bayernweit an über 30 Standorten 4500 Menschen tätig sind. Da die Dimensionen der Pandemie wie in Italien oder Spanien in Deutschland noch nicht im gleichen Maße angekommen seien, nutze man die quasi geschenkte Zeit für die Vorbereitungen, so Merkt, der sich über den großen Zusammenhalt und die Solidarität der Mitarbeiter und auch der Öffentlichkeit freut, die man im Moment erfahre. So helfen Mitarbeiter, die an ihrem angestammten Platz aufgrund der Schließungen der Werkstätten für die behinderten Menschen zum Beispiel weniger Arbeit haben, an anderer Stelle aus und haben etwa angefangen, Mund- und Nasenabdeckungen zu nähen (als Mundschutz oder Atemschutzmasdarf man sie aus juristischen Gründen nicht mehr bezeichnen, da sie nicht zertifiziert sind).
Obwohl Staatsministerin Carolina Trautner in einem Telefongespräch sich bei Merkt über das Befinden in den Einrichtungen des DRW erkundigt habe, klaffe in puncto Schutzmaßnahmen zwischen Wunsch und Realität noch einiges auseinander. So habe man von staatlicher Seite her zwar Schutzausrüstung bekommen, so der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des DRW, Michael Winter. Es handelte sich dabei aber um gerade einmal ein einziges Paar Schutzhandschuhe und 20 einfache Masken am 27. März. Diese Verteilung erfolgt seit der Corona-Notlage über den Katastrophenschutz. Bekommen habe man allerdings 500 Liter Desinfektionsmittel, das man gar nicht bestellt habe. Da frage man sich, wer, wenn ein Masterplan dahinterstecke, wissen könnte, dass man diese in Ursberg wohl brauchen werde, berichtet Willi Lunzner, Geschäftsleiter des Krankenhauses St. Camillus und des Medizinischen Versorgungszentrums auf dem Gelände des DRW.
Zusagen der Politik würden nicht eingehalten, sagt Winter. Die wiederum wisse womöglich nicht, dass Ware vielfach beim Zoll liegen bleibe, weil die Zertifizierungen dafür aus Italien kämen und das Land damit aber gerade in der Krise nicht nachkomme. Die Ware werde dann wieder an den Ursprungsort zurückgesendet.
So seien die Beschaffungswege für das DRW schwierig. Man kaufe selber viele Kleinstmengen über das Internet ein, wo die Preise allerdings hoch seien, sagt Michael Winter. Diese seien für eine einfache Maske von rund 20 Cent netto in der letzten Zeit auf bis zu drei Euro gestiegen. Viele Angebote seien unseriös mit Kauf auf Vorkasse unter vollem Risiko aufseiten des Bestellers. Auch hat das DRW Angst vor Raub oder Diebstahl von Schutzausrüstung. Diese werde darum unter spezieller Bewachung an einem geheimen Ort innerhalb des DRW gelagert. Lagerbestände zu halten sei schwierig aufgrund eines Systemfehlers in der Finanzierung. Dafür gebe es nämlich keine Gelder, die dies refinanzierten. Allerdings können Lagerbestände auch in rasender Schnelligkeit verbraucht sein, so Winter, der dafür ein Rechenmodell aufgestellt hat. Es basiert auf 200 infizierten Personen und 200 Covid-19-Verdachtsfällen und man geht von einer Versorgung von 200 infizierten Personen aus. Bei der reinen Lehre nach den Standards des RobertKoch-Instituts (RKI) benötige man alleine 1,8 Millionen Masken (keine Filtermasken). Diese würden nach einmaligem Gebrauch entsorgt. Ein anderes Szenario berücksichtigt knappste Ressourcen an Schutzmaterial. Masken werden dann außerhalb RKI-Standards mehrfach verwendet und immer wieder desinfiziert, was momentan quer durch alle Sozialeinrichtungen praktiziert werken de. Selbst dann brauche man für die Modellannahme noch 153000 Masken. Bei einer selbst gemachten waschbaren Mund- und Nasenabdeckung, was nach Hygienestandard nicht optimal aber immerhin etwas sei, brauche man für die Modellrechnung 25000 Stück. Von Schutzkitteln der verschiedenen Kategorien will Winter gar nicht reden, denn Schutzkleidung sei gerade überhaupt nicht zu bekommen.
Das DRW ist darum selber tätig geworden und hat eine gut waschbare Behelfsmaske entwickelt, in der der Draht für die Nasenanpassung speziell verankert ist, sodass er beim Waschen nicht die Waschmaschinen beschädigt. Diese Masken werden jetzt in der Werkstätte für behinderte Menschen (WfbM) in Ursberg und in Pfaffenhausen genäht, ebenso in der Berufsförderschule und der Fachschule Ursberg. Außerdem helfen rund 25 ehrenamtliche Nähgruppen mit bis zu zehn Helfern und vier Ordensgemeinschaften in Ursberg, Oberschönenfeld, Augsburg, Zankenhausen und Kaufbeuren beim Nähen. In den letzten Tagen hat man mit der Zuschneidemaschine in der WfbM Ursberg über 20 000 Masken zugeschnitten. Diese Zuschnitte werden verteilt und erleichtern die Fertigung. Gebraucht werden die Masken in den SeniorenPflegeeinrichtungen des DRW. Dort gilt seit vergangener Woche Maskentragepflicht für die Mitarbeiter. Bisher gab es im DRW vier bestätigte Corona-Infizierte.