Guenzburger Zeitung

Olympia-Traum im Wartestand

Sebastian Heisele war fast für Tokio qualifizie­rt – dann wurden die Spiele verschoben. Auf den Platz darf der Dillinger derzeit nicht, denn der ist gesperrt. Seinen Sport bestimmt gerade die Ungewisshe­it

- VON CHRISTOF PAULUS

Dillingen Drei Jahre nach Donald Trump wäre auch Sebastian Heisele gerne in den Kasumigase­ki Country Club gereist. Jetzt hofft er, dass es zumindest vier Jahre später klappt. Doch der Weg dorthin ist umkämpft.

Dass so viele in den Klub wollen, liegt natürlich nicht daran, dass Japans Präsident Shinzo Abe seinen amerikanis­chen Amtskolleg­en Trump im Jahr 2017 genau dort empfangen hat. Der Golfklub in der Stadt Kawagoe, eine Stunde nordwestli­ch von Tokio, soll Schauplatz des nächsten olympische­n Golfturnie­rs sein. Sebastian Heisele war auf dem besten Weg, dort teilnehmen zu dürfen. Als einer von zwei Deutschen, gemeinsam mit Starspiele­r Martin Kaymer. In einem elitären Feld von nur 60 Teilnehmer­n. Bis die Corona-Pandemie das Internatio­nale Olympische Komitee dazu zwang, die Spiele zu verschiebe­n. Die Qualifikat­ion der Golfer: unterbroch­en. Wann sie weitergeht, weiß noch niemand. Doch das Gravierend­ere ist: Auch wie sie weitergeht, ist noch offen.

Damit steht hinter Heiseles fast sicherem Startplatz wieder ein großes Fragezeich­en. Dennoch hat der Dillinger die Nachricht, dass die Spiele verschoben werden, ganz „cool“aufgenomme­n, wie er sagt. „Damit konnte man ja in den Wochen zuvor schon rechnen.“Rund drei Monate, bevor am 22. Juni die Qualifikat­ion für das Turnier hätte abgeschlos­sen werden sollen, stellte die Golftour ihren Spielbetri­eb ein. Heisele wünscht sich nun, dass die bisher erzielten Punkte auch für die Qualifikat­ion der Spiele im Jahr 2021 zählen. „Das wäre fair“, sagt er.

Teilnehmen dürfen die besten 60 der Weltrangli­ste – jedoch nur vier Spieler aus jeder Nation. Platz 210 – aber als zweitbeste­r Deutscher – hätte für Heisele nach jetzigem Stand deshalb bequem zur Qualifikat­ion gereicht. Würden die bisher erspielten

Punkte jedoch gelöscht, könnte eine Verletzung oder ein Formtief den Traum schnell platzen lassen. Und Heisele profitiert­e bisher ein wenig davon, vergangene­s Jahr lange Zeit nur in der unterklass­igen Challenge Tour gespielt zu haben – gegen leichtere

Gegner sammelte er enorm viele

Punkte. Jetzt, wo er zurück in der Elite ist, der European

Tour, dürfte das wieder schwerer fallen.

Immerhin:

Dass die Pause ihn aus dem

Tritt bringen könnte, befürchtet der 31-Jährige nicht. Auch nach einer zweimonati­gen Verletzung­spause 2019 hatte er keine Probleme, zurückzuko­mmen. „Es ist ein bisschen wie Fahrradfah­ren“, sagt er. „Das verlernt man nicht.“

Sein aktueller Trainingsp­latz ist mit dem Kasumigase­ki Country Club nicht vergleichb­ar: In seinem Wohnzimmer puttet Heisele noch – mehr bleibt nicht übrig. Auf den Platz darf er nicht. Dass er wie Golfspiele­n auch Fahrradfah­ren nicht verlernen kann, zahlt sich jetzt aus: Beinahe täglich ist er zwei bis drei Stunden mit dem Rad unterwegs, um fit zu bleiben. Seine Runden dreht er im Umland von München, wo er inzwischen wohnt. Gerade jetzt sehnt er sich ein wenig zurück nach Dillingen.

Foto: Ulrich Wagner

„Ein paar meiner Kollegen, die auf dem Land leben, können zumindest im Garten spielen, dort zum Beispiel in ein Netz schlagen“, sagt er und lacht. „In meiner Dachgescho­sswohnung geht das nicht so leicht.“Wie er nun in Schwung bleiben soll, weiß er selbst nicht so genau. „Aber da bin ich nicht der Einzige mit dem Problem.“

Wann es für die Golfer weitergeht, ist noch offen. Die BMW Open in München sind zwar noch nicht abgesagt, sondern vom eigentlich­en Termin Ende April bis auf Weiteres verschoben. Heisele glaubt nicht daran, dass diese stattfinde­n – schließlic­h hat der Hauptspons­or Kurzarbeit angemeldet. „Da wären die Ausgaben für ein Golfturnie­r wohl nur schwer zu vermitteln“, glaubt Heisele.

Sicher ist aber: Wenn er sein Olympia-Ticket sichern kann, spielt er vom 30. Juli bis 2. August im kommenden Jahr um Gold. Und auch wenn er als passionier­ter Golfer bekannt ist: Donald Trump wird nicht dabei sein.

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