Guenzburger Zeitung

Wie die Seuchen in die Kunst vordrangen

Die Pest und andere Epidemien haben ihre Spur in künstleris­chen Werken hinterlass­en. Ein Rundgang zu einigen berühmten Beispielen

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Paris/Basel Ein drachenähn­liches Ungeheuer, auf seinem Rücken der Sensenmann mit leeren Augenhöhle­n. „Die Pest“heißt das berühmte Bild, das Arnold Böcklin 1898 gemalt hat. Die furchteinf­lößende Darstellun­g hängt derzeit im Kunstmuseu­m in Basel in der Ausstellun­g „Böcklin begegnet“, die dem Schweizer Maler (1827–1901) gewidmet ist.

Heute, einen Monat nach der Schließung des Museums wegen der Corona-Krise, liest sich das Gemälde wie ein dramatisch­es Zukunftsbi­ld. Böcklin hat das Werk zu einer Zeit gemalt, in der in Indien der Schwarze Tod wütete. Das Bild geht auf über 20 Jahre früher entstanden­e Entwürfe zum Thema Cholera zurück, einer Krankheit, von der auch

Böcklins eigene Familie heimgesuch­t wurde. In den frühen Entwürfen war bereits der Drache mit seinem aufgerisse­nen Maul zu sehen. Den Sensenmann, eine aus dem Mittelalte­r personifiz­ierte Metapher für den Tod, fügte der Symbolist erst 1898 hinzu. Das Kunstmuseu­m Basel besitzt die weltweit größte Böcklin-Sammlung.

Seuchen in all ihren Formen – sei es die Pest, sei es das Italienisc­he Fieber, sei es die Cholera – wurden visuell je nach Kulturkrei­s und Epoche unterschie­dlich dargestell­t. Das Werk „Die vier apokalypti­schen Reiter“von Albrecht Dürer zeigt dahinjagen­de Reiter, die alles hinwegfege­n, was ihnen im Wege steht. Es wird durch die Darstellun­g der Attribute von Pfeil und Bogen bei einem der Reiter mit der Pest in Zusammenha­ng gebracht, denn der Bibel zufolge galt der Pfeil als Symbol ausbrechen­der Krankheite­n. Auf einem dürren Klepper reitet der Tod mit. Die Zerstörung­svision stammt aus Albrecht Dürers berühmtem Holzschnit­t-Zyklus „Die Apokalypse“.

In der Kunstgesch­ichte der westlichen Welt beginnt die Darstellun­g von hochanstec­kenden Infektions­krankheite­n vor allem mit der Pestepidem­ie im Jahr 1347, die in Europa in fünf Jahren schätzungs­weise 25 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Anfänglich wurden Seuchen durch Körper mit Pestbeulen und tot daliegende­n Menschen dargestell­t, um die sich Personen mit abwehrende­n Gesten scharten. Später

wurden die Darstellun­gen dramatisch­er und als grausame Strafe Gottes interpreti­ert. Der niederländ­ische Maler Hieronymus Bosch (um 1450–1516) stellte Bilder der Hölle dar: Feuersbrün­ste, Strafgeric­hte, Teufel und Dämonen, die Menschen foltern und fressen.

Bis in das 17. Jahrhunder­t hinein hatten auch Bildnisse von Pestheilig­en Blütezeit. Der Heilige Sebastian gilt als einer der ältesten und zugleich beliebtest­en unter ihnen. Er wird meist als ein von Pfeilen durchbohrt­er, an einen Baumstumpf gebundener und entblößter Jüngling dargestell­t. Die Verehrung als Patron gegen die Seuche der Pest soll auf das Jahr 680 zurückgehe­n, als eine Epidemie im italienisc­hen Pavia in der Lombardei zu Ende ging, nachdem die Reliquien des Heiligen durch die Stadt getragen worden waren. Im 14. Jahrhunder­t wurde der Heilige von Rochus abgelöst, der zwischen 1295 und 1379 gelebt haben soll. Er wird unter anderem mit einer Pestbeule am Oberschenk­el dargestell­t, die von einem Engel aufgestoch­en wird.

In Venedig wurde nach dem im südfranzös­ischen Montpellie­r geborenen Pilger sogar eine Kirche geweiht, die zur Scuola Grande di San Rocco gehört, einst eine soziale Einrichtun­g. Tintoretto malte das Gebäude mit über 50 Werken aus. Neben Szenen aus dem Leben von Rochus, bildete der Renaissanc­emaler den Heiligen ab, wie er durch Handaufleg­ung Pestkranke heilt.

Sabine Glaubitz, dpa

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Foto: M. P. Bühler/Kunstmuseu­m Basel/dpa Arnold Böcklins Gemälde „Die Pest“.

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