Guenzburger Zeitung

„Bei mir muss alles raus“

Marta Jandová wurde mit Die Happy von Ulm aus zum Rockstar. Hier spricht sie über ihr Leben mit der Musik und in Corona-Zeiten

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Sie leben seit etlichen Jahren wieder in Prag, Ihrem Geburtsort. Wie streng sind dort die Corona-Maßnahmen?

Marta Jandová: Wer rausgehen will, muss einen Mundschutz tragen. Das fühlt sich sicherer an. Anfangs haben sich Leute noch im Park getroffen und Alkohol getrunken. Inzwischen darf man nur noch zu zweit auf die Straße. Familien bilden eine Ausnahme. Es gibt gesonderte Einkaufsze­iten für Senioren, damit die nicht mit jungen Leuten zusammenko­mmen.

Wird die Corona-Zwangspaus­e für die Band sehr teuer?

Jandová: Die Happy ist seit ein paar Jahren nicht mehr unsere Hauptverdi­enstquelle. Unser Gitarrist Thorsten arbeitet bei einer Management­firma und begleitet viele Bands bei ihren Tourneen. Die wurden alle abgesagt. Das ist für ihn schwierig. Für uns als Band ist es aber nicht so schlimm, weil wir für diese Zeit kaum Konzerte geplant hatten. Ich habe einen Mann, der Geld verdient – und ich arbeite von Montag bis Freitag fürs Radio. Ich mache alles Mögliche und hatte auch schon meine eigene Fernsehsen­dung mit 15 Folgen. Das Leben ist zu kurz, um nur Sängerin zu sein.

Ihr neue Platte ist vor der Krise fertig geworden. „Guess What?!“ist das neunte reguläre Studioalbu­m. War der Entstehung­sprozess aufgrund der räumlichen Distanz schwierig? Jandová: Ich habe mittlerwei­le eine sehr profession­elle Ausrüstung, weil wir unsere Musik in allen Ecken Deutschlan­ds und Tschechien­s aufnehmen. Ich musste einiges im Nachhinein einsingen. Das habe ich immer nachts im Keller unseres Hauses in Prag getan. Bis sich irgendwann eine Nachbarin mit Baby bei mir beschwerte. Die Gesangsspu­ren habe ich dann in unserem Wochenendh­aus fertiggest­ellt.

Haben Sie technische Möglichkei­ten gefunden, durch die Sie von Prag aus mit den Bandkolleg­en in Deutschlan­d gemeinsam proben können?

Jandová: Ich glaube, das funktionie­rt nicht, weil die Partner sich nicht synchron hören können. Es muss nur um eine Viertelsek­unde verschoben sein, schon ist es vorbei.

Die Happy existiert seit Ende 1993. Ist das Bandsein einfacher oder komplizier­ter geworden?

Jandová: Komplizier­ter wahrschein­lich. Thorsten wohnt in Hamburg, die anderen Jungs in Berlin und ich in Prag. Von Prag nach Berlin sind es 360 Kilometer, aber es fährt kein schneller Zug. Ich wünschte, es gäbe Beamer. Ich habe eine sechsjähri­ge Tochter, die ich jeden Tag zur Schule fahren muss. Und drei Hunde. Die Männer in der Band sagen, sie hätten auch Kinder. Aber diese Kinder haben zu Hause Mütter. Mein Mann ist Arzt und arbeitet jeden Tag von morgens bis abends. Wir haben auch keine Omas mehr. Die neuen Omas sind zum Teil sogar jünger als ich.

Wie das?

Jandová: Mein Papa ist ein richtiger

Rockstar. Er ist 78 und hat fünf Kinder. Die beste Freundin meiner fast siebenjähr­igen Tochter ist meine fast achtjährig­e Schwester. Der Sohn meines Bruders ist 30 und mit einer neun Jahre älteren Frau verheirate­t. Und die neue Frau meines Vaters ist 38. Die Frau des Enkels ist also älter als die Frau des Opas. Und ich bin drei Jahre älter als mein Mann. Aber die Schwiegerm­utter meines Mannes ist jünger als ich. Das ist echt lustig.

Zurück zur Musik: Worauf haben Sie bei Ihrer Platte Wert gelegt? Jandová: Wir wollten eine Platte machen mit Musik, die unser Publikum am meisten mag. Sie sollte sich so rau anhören wie unsere Konzerte. Diesmal gibt es nur zwei halbe Balladen. Ich bin eigentlich ein sehr optimistis­cher Mensch, aber auch in mir staut sich manchmal Ärger auf. Die schnellen Lieder sind mein Ventil, um ihn rauszulass­en. Ralphs Bass und Jürgens Schlagzeug wurden in Berlin aufgenomme­n, anschließe­nd ist unser Rhythmusgi­tarrist Thorsten nach Metzingen gefahren. Dort war er mit unserem Produzente­n Udo

„Rob“Rinklin und dem neuen, fünften Bandmitgli­ed Robert „Robse“Kerner im Studio. Robse hat seine Soli allerdings in Mexiko eingespiel­t. Und ich habe meine Stimme in Metzingen, bei uns zu Hause im Keller und bei meinem Radiosende­r aufgenomme­n. Der Sound ist genauso geworden, wie ich es mir gewünscht habe.

Der Song „Die My Baby“ist während eines Konzerts in der Bochumer Matrix entstanden, als Sie spontan zur Gitarre griffen und ins Mikro brüllten „Die my baby, ´cause you fucked me up and no one let’s me down“. Wie kamen Sie auf diese Zeilen?

Jandová: Sie sind aus einem Gefühl heraus entstanden. Manchmal stehe ich auf der Bühne und es fallen ein paar Rädchen aus meinem Kopf heraus. Ich weiß nie, was passieren wird. Bei diesem Konzert habe ich mir einfach Thorstens Gitarre geschnappt und versucht, PowerChord­s zu spielen. Zu diesem Geschramme­l habe ich spontan „Die my Baby“gesungen und Jürgen ist dazu eingestieg­en. Am nächsten Tag haben wir den Song Backstage fertig geschriebe­n.

Gegen wen richtet sich Ihre Wut? Jandová: Im Publikum war eine Freundin, die sich gerade in einer Trennungsp­hase befand. Ich habe mich in sie hineinvers­etzt. Natürlich wünscht man dem anderen nicht den Tod, aber man ist wütend auf ihn. Im Text heißt es: Heute bin ich eine Ex, morgen schon eine Witwe.

Warum macht Sie schnelle, harte und laute Musik glücklich?

Jandová: Vielleicht, weil ich damit aufgewachs­en bin. Diese Musik ist irgendwie echt. Wenn ich mir alte Hardrocker aus den Siebzigern anschaue, dann hatten die alle lange Haare. Als Kinder dachten wir: Wow, die sind so heftig, es gibt nichts Härteres! Aber würden deren Songs heute veröffentl­icht werden, würde man das Pop-Rock nennen. Ich liebe Grunge, ich liebe Soundgarde­n, Nirvana und die Foo Fighters. Solch harte Musik hilft mir, etwas von meiner Energie loszuwerde­n. Bei mir muss alles raus. Beim Aufräumen in der Quarantäne­zeit höre ich aber lieber Poppiges.

Hat Ihr Vater, der Rocksänger Petr Janda, harte Musik gespielt?

Jandová: Auch. Seine Band Olympic hat sich Anfang der Sechziger gegründet, sein großes Vorbild waren die Beatles. Aber mein Vater hat auch die Metal-Zeit durchlebt und trug rot-weiß-gestreifte Leggins, die er wahrschein­lich aus Deutschlan­d mitgebrach­t hatte. Er schreibt fast jedes Jahr ein neues Album. Es ist Rockmusik mit bluesigen Untertönen. In Tschechien kennt ihn jeder. Er ist eine lebende Legende.

Gibt es einen Song von Ihrem Vater, der Ihnen besonders viel bedeutet? Jandová: Ja, solch ein Lied gibt es. Ich singe es manchmal sogar mit ihm. Es stammt aus dem Jahr 1971 und heißt „Otázki“und dreht sich um „Fragen“wie: Wohin führen all diese Wege? Wie lange werde ich noch singen und spielen? Warum gibt es so viele böse Wörter? Es ist fast schon ein philosophi­sches Lied.

Interview: Olaf Neumann

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Foto: Ronja Hartmann
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Geboren am 13. April 1974 in Prag als Tochter von Petr Janda, Sänger der tschechisc­hen Band Olympic. 1993 gründete sie in Ulm mit dem Gitarriste­n Thorsten Mewes die Rockband Die Happy, mit der sie über 1000 Konzerte spielte. Nach sechsjähri­ger Funkstille erscheint nun das Die Happy-Album „Guess What?!“. Seit 2009 wohnt die Sängerin wieder in Prag und stand seitdem als MusicalDar­stellerin auf der Bühne.
Foto: Christian Oita Ihre Karriere Geboren am 13. April 1974 in Prag als Tochter von Petr Janda, Sänger der tschechisc­hen Band Olympic. 1993 gründete sie in Ulm mit dem Gitarriste­n Thorsten Mewes die Rockband Die Happy, mit der sie über 1000 Konzerte spielte. Nach sechsjähri­ger Funkstille erscheint nun das Die Happy-Album „Guess What?!“. Seit 2009 wohnt die Sängerin wieder in Prag und stand seitdem als MusicalDar­stellerin auf der Bühne.

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