Die Frage der Woche Ist der Handschlag sowieso verzichtbar?
Die bislang letzte heftige Diskussion um den Handschlag, eben erst beendet, gab es in Dänemark. Wer nämlich Däne werden will, muss dem Bürgermeister zum Abschluss der Einbürgerung die Hand geben. Schwierig in Corona-Zeiten. Aber offenbar ungemein wichtig, weil ja Zeichen für kulturelle Identität. Merke: Echte Dänen geben Hände, unechte Dänen tun das nicht. Wieder einmal ein irres Gewese also um eine Geste, die ja eigentlich friedensstiftende Wirkung haben soll.
Wie um den Handschlag eben schon immer ein Gewese gemacht wird. Er dient nicht etwa nur zur Begrüßung, nein, schön wäre es, sondern gleichzeitig beispielsweise auch als Charakterstudie: Ein fester Händedruck deutet angeblich auf einen entschlossenen, tatkräftigen Typen hin, mit einem weichen verrät man Schluffigkeit, wobei lustigerweise der tatkräftige Bill Gates einen besonders schluffihaften Handschlag haben soll. Und dann gibt es noch die, die Hand zur Demonstration von Macht und Kraft am liebsten quetschen oder sie gleichsam gefangenhalten, gar nicht mehr freigeben ... Wo man also auch am liebsten wie kleine Kinder die Hand gerne hinterm Rücken in Sicherheit bringen würde. Nein, viel zu viel Gewese um eine Geste. Viel zu viel Bedeutungshuberei. Viel zu viel Zwang. Denn worum geht es eigentlich: Darum, den anderen freundlich zu begrüßen, ihm Respekt zu bezeugen. Aber dafür gibt es, siehe andere Kulturen, auch andere Gesten. Und siehe da, in Corona-Zeiten reicht ja plötzlich auch ein Lächeln, ein Kopfnicken. Wer bitte schön vermisst in diesen Tagen tatsächlich den Handschlag? Sparen wir uns ihn also künftig für die Momente, wenn er uns wirklich wichtig ist: Als Zeichen der Versöhnung zum Beispiel. Und grüßen ansonsten einfach recht freundlich …
Liebe Leserin, lieber Leser, wären jetzt keine Corona-Zeiten und würden wir uns gegenüberstehen, dann würden wir uns höchstwahrscheinlich die Hand geben, uns begrüßen und uns freuen, dass wir uns begegnen. Mit dem Handschlag signalisieren wir uns nonverbal: Wir sind besondere Gesprächspartner und wir schätzen es, miteinander zu kommunizieren. Das soll überflüssig sein? Ehrlich gesagt: Ich freue mich schon wieder auf Handschlagszeiten. Dabei bin ich keine inflationäre Handschüttlerin.
Ein Handschlag ist mehr als nur ein Zusammenführen zweier Hände, es ist eine Friedensbotschaft, es kann einen Vertragsabschluss besiegeln. Die Augsburger Benimmexpertin Susanne Erdmann hat auf der Capito-Seite schon erklärt, dass dieses Begrüßungsritual bereits in der Ritterzeit usus war. „Damals hatten die Ritter ihr Schwert auf der linken Seite getragen. Wer die rechte Hand gab, konnte nicht zur Waffe greifen. Er hatte also friedliche Absichten.“Friedliche Absichten zu signalisieren, ist doch auch viele hundert Jahre später und nach einer Krise nicht verkehrt.
Aber die Keime, wettern nun die Handschlaggegner. Dann müssten die Türklinken aber auch mit abgeschafft werden. Schließlich kleben Keime nicht nur an Händen. Und: Wenn die Corona-Krise einen positiven Effekt hat, dann diesen: Die Gesellschaft hat ein größeres Bewusstsein für unsichtbare Krankheitserreger bekommen. Wir denken täglich daran, dass diese genauso wie harmlose Keime an Händen kleben. Wir denken häufiger daran, Hände zu waschen oder zu desinfizieren. Das alles kann man doch, wenn die Corona-Pandemie überstanden ist, weiter praktizieren. Der Handschlag hat die Pest und die Spanische Grippe überlebt, er wird auch Corona überleben – Hand drauf.